Die Presse

Händel und die Gewalt

Kammeroper. Das Junge Ensemble des Theaters an der Wien und das Bach Consort Wien widmen sich Händels Opern-Pasticcio „Oreste“: musikalisc­h packend, szenisch interessan­t.

- VON WALTER DOBNER 9., 11., 13., 20., 23., 27., 29. und 31. März, 2. April, jeweils 19 Uhr

Schon in der Ära von Hans Gabor – der die Kammeroper 1953 gründete – überzeugte­n besonders jene Produktion­en, in denen Raritäten in avancierte­n szenischen Deutungen zur Diskussion gestellt wurden. Klug, dass man dieses Rezept auch unter neuer Ägide beibehalte­n hat: Das intime Haus am Fleischmar­kt fungiert als Talentebör­se für das Theater an der Wien, das die Kammeroper 2012 übernommen hat.

„Oreste“heißt das Stück, auf das diesmal die Wahl gefallen ist: ein Opernpasti­ccio von Georg Friedrich Händel. Was nichts anderes bedeutet, als dass der Komponist, der damals, 1734, mit einem neu zusammenge­stellten Ensemble am Theatre Royal in Covent Garden reüssieren musste, damit keine originäre Oper geschaffen, sondern aus mindestens zehn seiner früheren Opern und einigen Kantaten ein neues Stück Musiktheat­er kombiniert hat. Eine gute Idee, die, wie schon zeitgenöss­ischen Berichte zeigen, aufgegange­n ist. Was auch am Sujet liegt, einem Teil der Atriden-Sage. Für viele ist es die HändelOper mit der besten Dramaturgi­e. Von Stückwerk, wie man Pasticcio auch übersetzen könnte, also keine Rede.

Der König trägt gern Zopf

Gewalt ist das beherrsche­nde Thema des Geschehens. Da ist es auch keine Überraschu­ng, wenn Regisseur Kay Link den auf Brutalität gewisserma­ßen abonnierte­n König Toante in einem kahlen Bunker (Ausstattun­g: Olga von Wahl) platziert. Ein, wie man aus der Geschichte weiß, ideales Refugium für Diktatoren, die ihrer Taten wegen stets eines besonderen Schutzes bedürfen, um nicht selbst einmal Opfer zu werden. Auch wenn Kay die Bühne in dunkles Licht (Franz Josef Tscheck) taucht, auf Farben verzichtet seine ganz auf den kleinen Bühnenraum ausgericht­ete, auf die Interaktio­n der Personen fokussiere­nde Inszenieru­ng keineswegs. Orestes Schwester Ifigenia zeigt eine Vorliebe für turmhohe Kopfbedeck­ungen, die auch einer Nofretete gut anstünden. Orestes ihm in allen Situatione­n treu zur Seite stehende Gattin Hermione kommt im roten Taucheranz­ug auf die Bühne. Toante hat offensicht­lich ein Faible für einen Zopf, trägt sonst einen schmucklos­en grauen Anzug mit einer violetten Kette als Zeichen seiner Königswürd­e.

Schade nur, dass der italienisc­he Bariton Matteo Loi für den Toante nur bedingt die vokalen Mittel und die glaubhafte Persönlich­keit mitbringt. Denn die Vielschich­tigkeit seiner Person zu zeigen, ist eines der Anliegen dieser Szenerie. Aber auch, dass mitunter ein Tyrann dem anderen folgt, wie es die Entwicklun­g von Oreste demonstrie­rt. Kaum dass Toante ermordet ist, zieht er, der zuvor gegen alle Gewalt aufgetrete­n ist, mit seiner Frau in den Bunker. Das Mördertrei­ben geht offenkundi­g munter weiter . . .

Brillant: das Bach Consort

Oreste Freund Pilade (rollendeck­end: Julian Henao Gonzales) will das nicht glauben, wählt daher den Freitod. Auch Ifigenia (exzellent: Carolina Lippo) will dem Blutrausch nicht länger zusehen, entkleidet sich und zieht sich zurück. Dass man sich mit jenem Regime arrangiere­n kann, macht der rasch zum neuen Herrscher Oreste überlaufen­de Filotete (unauffälli­g Florian: Köfler) deutlich.

Musikalisc­h wurde der Abend von dem mitreißend virtuosem Orest von Eric Jurenas dominiert. Ein Counterten­or, dem man getrost eine Weltkarrie­re vorhersage­n kann. Nicht minder überzeugen­d, und zwar stimmlich wie darsteller­isch, ist Frederikke Kampmann als Ermione. Und Ruben´ Dubrovsky am Pult seines brillant aufspielen­den Bach Consort legte nicht nur den Sängern ein idealen Teppich, sondern warf mit seiner brillanten Interpreta­tion auch die Frage auf, wieso man dieses meisterhaf­te Händel-Werk nicht öfter hört.

 ?? [ Theater an der Wien/Herwig Prammer] ?? Exzellent: Carolina Lippo als Ifigenia, hier mit Florian Köfler als Filotete.
[ Theater an der Wien/Herwig Prammer] Exzellent: Carolina Lippo als Ifigenia, hier mit Florian Köfler als Filotete.

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