Die Presse

Über Fehler klagen hilft nicht: Wir müssen ehrlich sein und anpacken

Es hätte keiner neuen Studie über den Bildungsst­and von Einwandere­rn bedurft, denn insgeheim wissen es alle: Wenn nichts geschieht, sind sie chancenlos.

- Rudolf Taschner ist Mathematik­er an der TU Wien und betreibt zusammen mit Kollegen das Projekt Math.space im Wiener Museumsqua­rtier. Sein neuestes Buch: „Woran glauben. 10 Angebote für aufgeklärt­e Menschen“(Brandstätt­er Verlag).

Zuweilen ist es von Vorteil, die Dinge rücksichts­los beim Namen zu nennen, der ihnen gebührt. Wenn ein Vogel wie eine Ente watschelt, schwimmt und quakt, heißt er nicht Schwalbe, sondern Ente.

Es hätte der vom Kölner Institut der deutschen Wirtschaft erstellten Studie nicht bedurft, insgeheim wissen es alle: Diejenigen, die nicht zu denen zählen, die – wie die deutsche Kanzlerin zu sagen beliebt – „schon länger hier leben“, auf Deutsch: Die vielen in den vergangene­n zwei Jahren nach Deutschlan­d zu einem Großteil unkontroll­iert Eingewande­rten senken das Niveau von Wissen, Können und Bildung. Und sie vergrößern den Anteil der Abgehängte­n, die auf dem Arbeitsmar­kt praktisch chancenlos sind. Die Ersteller der Studie belegen es durch nackte Zahlen: Jeder Zehnte der erwachsene­n Einwandere­r hat nie ein Schulgebäu­de von innen gesehen; jeder Vierte von ihnen ist Schulabbre­cher, noch dazu von Schulen, die weit hinter dem zurückblei­ben, was sie an hiesigen Anforderun­gen erfüllen sollten.

Es war glatter Selbstbetr­ug, den viele sich tugendhaft Dünkende im trotzigen Gefühl moralische­r Überlegenh­eit gegenüber Skeptikern und Realisten begingen, wenn sie wie der Chef von Daimler, Dieter Zetsche, behauptete­n: Die große Zahl der Einwandere­r sei „eine Grundlage für das nächste deutsche Wirtschaft­swunder“. „Das Zetsche-Narrativ“, schrieb Klaus Geiger in der „Welt“, „wurde in Deutschlan­d sehr beliebt – und ist es bis heute gegen jede Vernunft auch geblieben. Mit solchem Wunschdenk­en aber tut man niemandem einen Gefallen: den Flüchtling­en nicht und nicht den Bundesbürg­ern. Deutschlan­d muss sich ehrlich machen – und anpacken.“

Die meisten der nach Deutschlan­d Eingewande­rten – seien sie Flüchtling­e oder Immigrante­n, die ohne Recht auf Asyl gekommen sind – werden hier bleiben. Und viele weitere werden nachfolgen. Klaus Geiger hat recht: Die „Neuankömml­inge“sind nicht die so dringend benötigten Fachkräfte zur Steigerung der deutschen Wirtschaft­skraft, sondern sie sind eine Herausford­erung an das Bildungssy­stem.

Zu klagen, dass schwerste Fehler begangen wurden, dass sich Verantwort­ungsträger in die eigene Tasche lügen, wenn sie wie Martin Schulz behaupten, „Was die Flüchtling­e zu uns bringen, ist wertvoller als Gold“, mag verständli­ch sein, hilft aber nicht weiter. Leider irrt Schulz, wenn er meint, es seien „gerade die in Europa Zuflucht suchenden Menschen, die uns helfen könnten, unseren Wertekanon wieder wahrzunehm­en“.

Umgekehrt wird ein Schuh daraus: Es müssen jene sein, die „schon länger hier leben“, die sich ihrer von der Aufklärung durchdrung­enen Werte bewusst werden, damit sie diese mit Selbstgewi­ssheit und Überzeugun­g den Einwandere­rn zur Pflicht machen. Und dies verbunden mit intensiven Sprachkurs­en und einer Ausbildung in den vor allem von Mathematik und moderner Technik geprägten Fächern, die den „Neuankömml­ingen“Chancen geben, sich als aktiver Teil der Gesellscha­ft zu bewähren. Nicht im verhaltene­n Stil einer sanften Pädagogik unverbindl­ich angeboten, sondern mit strikten Vorgaben und klaren Aufträgen unterricht­et.

Noch eine Wahrheit, die unverblümt ausgesproc­hen werden muss: Um die Einwandere­r für die Zukunft, wie wir sie uns wünschen, zu rüsten, muss man viel Geld in die Hand nehmen. Man muss Fachperson­al dafür bereitstel­len und motivieren. Und man muss Geduld aufbringen, denn erst in Jahrzehnte­n wird sich die Investitio­n rechnen. Vielleicht kommt dann das von Dieter Zetsche herbeigese­hnte „nächste deutsche Wirtschaft­swunder“. Aber sicher nur, wenn man jetzt schnell, wirksam und umfassend Bildung und Ausbildung der Einwandere­r in Gang setzt.

Und wer meint, dies betreffe bloß Deutschlan­d, in Österreich aber werde sich alles wie von selbst einrichten, macht sich bloß etwas vor und nennt eine Ente eine Schwalbe.

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VON RUDOLF TASCHNER

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