Österreichs Modell des Vollkaskostaates hat ausgedient
Kleine Reförmchen werden den Wirtschaftsmotor nicht in Gang halten.
Seit vielen Jahren regiert eine große Sprachlosigkeit das Verhältnis von Wirtschaft und Politik. Ein konstruktives Miteinanderreden findet viel zu selten statt. Die Zweifel sind groß, ob Bundeskanzler Christian Kern eine stabile Brücke zwischen politischer und ökonomischer Macht schlagen konnte. Seine unausgegorene Idee einer Maschinensteuer, also einer Wertschöpfungsabgabe als alternative Basis für die Sozialversicherungsabgaben, zeigt dies beispielhaft.
Ein wie auch immer ausgestalteter New Deal geht abermals von einer Verteilungsgerechtigkeit aus. Österreich braucht hingegen vielmehr Chancengerechtigkeit für alle Bevölkerungsschichten – vom Immigranten bis zum Unternehmerkind. Der kluge Staat ist ein Ermöglicher. Er schafft über eine zeitgemäße Bildungs- und Wissenschaftspolitik die Voraussetzungen für eine sozial verantwortliche Hochleistungsgesellschaft. Die braucht zum Funktionieren neue Freiräume, die über Entbürokratisierung entstehen können.
Mit der über Jahrzehnte entwickelten Affinität zum Konsens um jeden Preis kann es dem Land nicht gelingen, sich aus seiner Stagnation zu befreien. Das Land benötigt einen Masterplan fürs 21. Jahrhundert, um in neue Höhen aufsteigen zu können. Nur mit einem großen Wurf können Bürger und Unternehmen aus ihrer tiefen Enttäuschung über die politische Klasse zurückgeholt werden.
Bereit sein zum Aufbruch
Österreich sollte seine unzeitgemäßen Traditionen über Bord werfen. Dazu gehört vor allem die politische Farbenlehre, mit der alle Schaltstellen im Staat durch zwei Parteien besetzt werden. Selbst wenn künftig eine weitere Partei hinzukommt, wird das das Problem der Ämtervergabe nach politischem Proporz nicht lösen können, wahrscheinlich sogar noch komplizierter machen. Das Spinnennetz, mit dem die Parteien mittlerweile Anstand, Ehrlichkeit und Mut in der gesellschaftspolitischen Diskussion erstickt haben, muss zerschnitten werden. Das kann aber nur geschehen, wenn auch die Bürger selbst zum Aufbruch bereit sind.
Unfinanzierbare Wellness-Oase
Das wird nicht ohne Opfer gehen, von lieb gewonnenen Gewohnheiten wird man sich verabschieden müssen. Denn die scheinbare Wellness-Oase Österreich lässt sich auf Dauer nicht mehr finanzieren.
Der Vollkaskostaat nach österreichischem Modell, der für die Menschen von der Geburt bis zum Tod ein Rundum-Sorglos-Paket offeriert, funktioniert in einer globalisierten Welt auf Dauer nicht – auch wenn politische Gauner das den Bürger immer noch glauben machen wollen. Jeder Arzt weiß, dass es Medikamente ohne Nebenwirkungen nicht gibt. In der Politik ist es nicht anders. Die Nebenwirkungen einschneidender Reformen müssen in Kauf genommen werden, damit das ökonomische und politische System insgesamt wieder gesunden kann.
Politiker jeglicher Couleur erliegen in der digitalen Mediengesellschaft wie nie zuvor der Gefallsucht. Populisten von rechts wie links scheuen dem Bürger gegenüber das Wort sparen. Sie versprechen ihren jeweiligen Zielgruppen – vom Pensionisten über Bauern oder Mutter bis hin zu Kranken – mehr Geld, von dem keiner weiß, woher es eigentlich kommen soll.
Mit vielen Milliarden an Subventionen wird so ein System gestützt, das wirtschaftlich auf Dauer nicht funktionieren kann. Das politische System Österreichs ist ungewollt zu einem Perpetuum mobile mutiert. Der Apparat bewegt sich, doch er kommt nicht voran.