Kirche zeigt sich über Entschädigung irritiert
Keine Kontakte, keine Begutachtung: Die Koalition hat ein Gesetz zur Rente für Missbrauchsopfer abgesegnet. Die Bischofskonferenz bezeichnet die Vorgehensweise als „befremdlich“.
Der Haussegen zwischen Bundesregierung und katholischer Bischofskonferenz hängt schief: Die Kirche ist irritiert, dass den Missbrauchsopfern in Kinderheimen eine Pension zugesagt worden ist und sie darüber zuvor nicht informiert wurde. Verwundert zeigt man sich, dass für diese staatlich verfügte Maßnahme auch die Heimträger zur Kasse gebeten werden sollen.
Der Dachboden des Stephansdoms sieht selten eine ähnlich illustre Runde. Hier hat sich Alexander Van der Bellen am Vorabend des Frauentages zum Fastensuppenessen der Katholischen Frauen ebenso eingefunden wie Kardinal Christoph Schönborn, die Ministerin Sophie Karmasin, Grünen-Chefin Eva Glawischnig oder Sozialminister Alois Stöger (siehe auch Bericht Seite 12). Letztgenannter nutzte die Gelegenheit, en passant den Wiener Erzbischof beim Löffeln der von der Tourismusschule Modul zubereiteten Suppe über eine für die katholische Kirche nicht unwichtige Neuerung zu informieren – exklusiv.
Erst wenige Stunden davor wurde in der Regierungssitzung ein Gesetz Richtung Parlament gesendet, das früheren Heimbewohnern, die Opfer von (sexueller) Gewalt wurden, eine Rente in Höhe von monatlich 300 Euro zu- gesteht, die auch nicht der Besteuerung unterliegt. Bis zu 7000 Personen sollen davon betroffen sein. Wer könnte sich grundsätzlich gegen diese in jeder Beziehung späte Maßnahme aussprechen? Kaum jemand.
Auch nicht Vertreter der katholischen Kirche. „Ich finde es sehr gut, dass der Staat seine Verantwortung übernehmen will“, sagt Bischofskonferenz-Generalsekretär Peter Schipka. Wo, bitte, ist also das Problem?
Nun, dennoch hängt jetzt plötzlich der Haussegen zwischen Bundesregierung und katholischer Bischofskonferenz schief. Erstens werden in dem Gesetzesentwurf Opfer von Heimen genannt, deren Träger Bund, Länder und auch Kirchen sind (waren). Darüber gab es im Vorfeld aber keinerlei Kontaktaufnahme oder Information, wie dies sonst seit Jahrzehnten üblich ist. Auch ein Begutachtungsverfahren blieb aus.
Zweitens haben Finanzminister Hans Jörg Schelling und Ressortchef Stöger angekündigt, über eine finanzielle Beteiligung sprechen zu wollen. Im Ministerratsvortrag Stögers wurde vermerkt, dass mit den Ländern und eben der Kirche verhandelt werden soll. Auch darüber hat es vorab keinerlei Kontakt oder Information seitens der Regierung gegeben. Dies stellt jedenfalls einen bemerkenswerten Bruch mit den ungeschriebenen Gesetzen in Österreich dar, natürlich nicht mit den geschriebenen. Der Generalsekretär der Bischofskonferenz, Schipka, meint jedenfalls: „Die Vorgehensweise ist für uns recht befremdlich.“Gleichzeitig merkt er an, dass von Diözesen und Orden 22 Millionen Euro an freiwilligen Hilfszahlungen ausgeschüttet wurden.
Laut den Erläuterungen erwartet Stöger einen Aufwand von jährlich neun Millionen Euro. Das meiste werden aber ohnehin Bund, Länder und andere private Organisationen zu bezahlen haben. Denn, anders als wahrscheinlich öffentlich wahrgenommen, „nur“1600 der bis zu 7000 Fälle betreffen katholische Einrichtungen.