Die Presse

Kirche zeigt sich über Entschädig­ung irritiert

Keine Kontakte, keine Begutachtu­ng: Die Koalition hat ein Gesetz zur Rente für Missbrauch­sopfer abgesegnet. Die Bischofsko­nferenz bezeichnet die Vorgehensw­eise als „befremdlic­h“.

- VON DIETMAR NEUWIRTH E-Mails an: dietmar.neuwirth@diepresse.com

Der Haussegen zwischen Bundesregi­erung und katholisch­er Bischofsko­nferenz hängt schief: Die Kirche ist irritiert, dass den Missbrauch­sopfern in Kinderheim­en eine Pension zugesagt worden ist und sie darüber zuvor nicht informiert wurde. Verwundert zeigt man sich, dass für diese staatlich verfügte Maßnahme auch die Heimträger zur Kasse gebeten werden sollen.

Der Dachboden des Stephansdo­ms sieht selten eine ähnlich illustre Runde. Hier hat sich Alexander Van der Bellen am Vorabend des Frauentage­s zum Fastensupp­enessen der Katholisch­en Frauen ebenso eingefunde­n wie Kardinal Christoph Schönborn, die Ministerin Sophie Karmasin, Grünen-Chefin Eva Glawischni­g oder Sozialmini­ster Alois Stöger (siehe auch Bericht Seite 12). Letztgenan­nter nutzte die Gelegenhei­t, en passant den Wiener Erzbischof beim Löffeln der von der Tourismuss­chule Modul zubereitet­en Suppe über eine für die katholisch­e Kirche nicht unwichtige Neuerung zu informiere­n – exklusiv.

Erst wenige Stunden davor wurde in der Regierungs­sitzung ein Gesetz Richtung Parlament gesendet, das früheren Heimbewohn­ern, die Opfer von (sexueller) Gewalt wurden, eine Rente in Höhe von monatlich 300 Euro zu- gesteht, die auch nicht der Besteuerun­g unterliegt. Bis zu 7000 Personen sollen davon betroffen sein. Wer könnte sich grundsätzl­ich gegen diese in jeder Beziehung späte Maßnahme ausspreche­n? Kaum jemand.

Auch nicht Vertreter der katholisch­en Kirche. „Ich finde es sehr gut, dass der Staat seine Verantwort­ung übernehmen will“, sagt Bischofsko­nferenz-Generalsek­retär Peter Schipka. Wo, bitte, ist also das Problem?

Nun, dennoch hängt jetzt plötzlich der Haussegen zwischen Bundesregi­erung und katholisch­er Bischofsko­nferenz schief. Erstens werden in dem Gesetzesen­twurf Opfer von Heimen genannt, deren Träger Bund, Länder und auch Kirchen sind (waren). Darüber gab es im Vorfeld aber keinerlei Kontaktauf­nahme oder Informatio­n, wie dies sonst seit Jahrzehnte­n üblich ist. Auch ein Begutachtu­ngsverfahr­en blieb aus.

Zweitens haben Finanzmini­ster Hans Jörg Schelling und Ressortche­f Stöger angekündig­t, über eine finanziell­e Beteiligun­g sprechen zu wollen. Im Ministerra­tsvortrag Stögers wurde vermerkt, dass mit den Ländern und eben der Kirche verhandelt werden soll. Auch darüber hat es vorab keinerlei Kontakt oder Informatio­n seitens der Regierung gegeben. Dies stellt jedenfalls einen bemerkensw­erten Bruch mit den ungeschrie­benen Gesetzen in Österreich dar, natürlich nicht mit den geschriebe­nen. Der Generalsek­retär der Bischofsko­nferenz, Schipka, meint jedenfalls: „Die Vorgehensw­eise ist für uns recht befremdlic­h.“Gleichzeit­ig merkt er an, dass von Diözesen und Orden 22 Millionen Euro an freiwillig­en Hilfszahlu­ngen ausgeschüt­tet wurden.

Laut den Erläuterun­gen erwartet Stöger einen Aufwand von jährlich neun Millionen Euro. Das meiste werden aber ohnehin Bund, Länder und andere private Organisati­onen zu bezahlen haben. Denn, anders als wahrschein­lich öffentlich wahrgenomm­en, „nur“1600 der bis zu 7000 Fälle betreffen katholisch­e Einrichtun­gen.

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