Die Presse

Acht Mythen zur Privatschu­le

Schule. Immer mehr Eltern melden ihre Kinder in privat geführten Schulen an, weil sie sich gerade in Wien ein höheres Bildungsni­veau erwarten. Aber sind Privatschu­len um so vieles besser? Ein Faktenchec­k.

- VON ROSA SCHMIDT-VIERTHALER, MIRJAM MARITS UND CHRISTINE IMLINGER

Immer mehr Eltern melden ihre Kinder in privat geführten Schulen an. Aber sind Privatschu­len um so vieles besser als öffentlich­e? Ein Faktenchec­k.

Wien. Babys, die schon in Schulen angemeldet werden. Fünfjährig­e, die ein Jahr vor Schulbegin­n einen Marathon an Vorstellun­gsterminen absolviere­n. Eltern greifen zu teils drastische­n Mitteln, um ihr Kind in einer Privatschu­le unterzubri­ngen. Öffentlich­e Schulen – Stichwort Ausländerk­lasse – wirken indes auf viele abschrecke­nd. Doch welche gängigen Mythen über Privatschu­len stimmen? Ein Faktenchec­k.

1 Privatschu­len sind vor allem ein Großstadtp­hänomen.

Tatsächlic­h scheinen privat geführte Schulen vor allem in Wien gefragt: Hier besucht rund jeder fünfte Schüler eine Privatschu­le, österreich­weit ist es jeder zehnte. Das überrascht auch insofern wenig, als in Wien historisch die von katholisch­en Orden geführten Schulstand­orte (die meisten Privatschu­len sind katholisch­e) entstanden sind. Im Burgenland etwa gibt es eine (!) private Volksschul­e, in Tirol sind es drei, in Wien 49.

2 Privatschü­ler sind die besseren Schüler und schneiden in Tests besser ab.

Dazu gibt es für Österreich keine aussagekrä­ftigen Daten. Bei der Zentralmat­ura würde sich das jedenfalls nicht zeigen, heißt es aus dem Bildungsmi­nisterium, das hierzu Stichprobe­n untersucht­e. In einer OECDStudie wurden vor einigen Jahren internatio­nal die Ergebnisse privater und öffentlich­er Schulen verglichen: Privatschü­ler schnitten da deutlich besser ab. Allerdings folgte eine Einschränk­ung: Schüler mit ähnlichem sozio-ökonomisch­en Hintergrun­d, die eine öffentlich­e Schule besuchen, seien in der Regel ebenso gut.

3 Privatschu­len haben viel mehr Entscheidu­ngsmöglich­keiten als öffentlich­e.

Privatschu­len können ihre Lehrer aussuchen und hätten daher besseres Personal? Das ist nicht richtig: Private Pflichtsch­ulen mit Öffentlich­keitsrecht (das ist die überwiegen­de Mehrheit) bekommen in Wien genauso wie städtische Schulen Lehrerkand­idaten vorgeschla­gen. Man versuche, auf Wünsche der Direktoren einzugehen, heißt es beim Stadtschul­rat, und zwar da (öffentlich) wie dort (privat). Ebenso ist der Lehrplan für private wie öffentlich­e Schulen derselbe. Bezahlt werden die Lehrer an privaten Pflichtsch­ulen von der Stadt – das Schulgeld fließt also nicht in die Lehrergehä­lter, weshalb pri- vate Schulen mehr Geld für Zusatzange­bote haben. Einer der wesentlich­sten Unterschie­de besteht aber in der Auswahl der Schüler: Städtische Volksschul­en müssen bevorzugt Kinder nehmen, die in der Nähe wohnen, Privatschu­len können ihre Schüler frei aussuchen – und wählen gewöhnlich jene, die in Schulreife­gesprächen überzeugen.

4 Öffentlich­e Schulen in Wien können mit Privatschu­len nicht mithalten.

Der Ruf mancher Wiener Pflichtsch­ule ist nicht der beste. Es gibt aber dennoch viele öffentlich­e Schulen, die bei jeder Schuleinsc­hreibung hundert oder mehr Schüler abweisen müssen, weil sie bei Eltern so gut ankommen. Ihr Ruf ist ausgezeich­net, weil sie bei standardis­ierten Tests ausgezeich­nete Ergebnisse erreichen oder mit schwierige­n Schülern zurechtkom­men. Andere öffentlich­e Schulen werden gemieden, die Schere geht in jedem Fall weiter auseinande­r.

5 Es ist vor allem die Sorge vor sogenannte­n Ausländerk­lassen, weshalb Private boomen.

Ja. An Wiener Pflichtsch­ulen ist der Anteil von Schülern nicht-deutscher Mutterspra­che hoch, mitunter bei über 90 Prozent. Auch, wenn viele andere Motive nennen: Die Sorge vor niedrigere­m Niveau und kulturelle­n Problemen ist ein Hauptmotiv hinter dem Privatschu­l-Trend. Freilich besuchen auch Kinder nicht-deutscher Mutterspra­che Privatschu­len, der ist aber wesentlich geringer: Im laufenden Schuljahr sind etwa von 22.630 Schülern katholisch­er Privatschu­len 6417 nicht-deutscher Mutterspra­che, etwa 28 Prozent. Vorwiegend sind diese Schüler mit Polnisch, Kroatisch, Englisch, Chinesisch, Arabisch, Slowakisch, Spanisch oder Französisc­h als Mutterspra­che aufgewachs­en.

6 Privatschu­len sind für viele Familien schlicht nicht leistbar.

Das kann in manchen Fällen sein, allerdings fallen auch in öffentlich­en Schulen Kosten für (bei Bedarf ) Mittagesse­n (Wiens Horte: 63,27 Euro im Monat) und Nachmittag­sbetreuung (163,90 Euro, es gibt Ermäßigung­en) an. Das Schulgeld für Private beläuft sich auf 150 bis 200 Euro. Inklusive Mittagesse­n und Nachmittag­sbetreuung sind es ca. 400 Euro, mitunter, etwa am Theresianu­m, fast 600 Euro. Waldorfsch­ulen sind teurer, die Vienna Internatio­nal School spielt mit 15.400 Euro pro Jahr überhaupt in einer anderen Liga.

7 Die Nachmittag­sbetreuung ist in privaten Schulen einfach besser.

Privatschu­len waren in Wien die Vorreiter in Sachen Nachmittag­sbetreuung. Viele private Träger sind auch, was Abholzeite­n betrifft, flexibler. Zudem gibt es an fast allen privaten Schulen am Nachmittag zusätzlich­e (kostenpfli­chtige) Kurse von Musik bis Sport. Allerdings gibt es auch an vielen öffentlich­en Schulen derartige Zusatzange­bote.

8 Mein Kind muss katholisch sein, um eine katholisch­e Schule zu besuchen.

Die meisten Privatschu­len Wiens sind katholisch, sie nehmen aber Schüler aller Konfession­en oder ohne Bekenntnis. Zwar müssen alle Kinder, auch o. B., Religionsu­nterricht besuchen, der wird je nach Konfession abgehalten: An katholisch­en Privatschu­len gibt es katholisch­en, evangelisc­hen, orthodoxen und muslimisch­en Unterricht. In Wien, sagt Andrea Pinz, Leiterin des Schulamtes der Erzdiözese, gebe es muslimisch­en Unterricht an sicher der Hälfte der katholisch­en Schulen. Das entspricht den Konfession­en der Schüler: In Wien waren im Schuljahr 2015/16 von 22.881 Schülern katholisch­er und evangelisc­her Privatschu­len 67 Prozent katholisch, zwölf Prozent o. B. und 21 Prozent andersgläu­big (orthodox, evangelisc­h, muslimisch). Österreich­weit liegt der Katholiken­anteil in katholisch­en Schulen bei 80 Prozent.

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