Acht Mythen zur Privatschule
Schule. Immer mehr Eltern melden ihre Kinder in privat geführten Schulen an, weil sie sich gerade in Wien ein höheres Bildungsniveau erwarten. Aber sind Privatschulen um so vieles besser? Ein Faktencheck.
Immer mehr Eltern melden ihre Kinder in privat geführten Schulen an. Aber sind Privatschulen um so vieles besser als öffentliche? Ein Faktencheck.
Wien. Babys, die schon in Schulen angemeldet werden. Fünfjährige, die ein Jahr vor Schulbeginn einen Marathon an Vorstellungsterminen absolvieren. Eltern greifen zu teils drastischen Mitteln, um ihr Kind in einer Privatschule unterzubringen. Öffentliche Schulen – Stichwort Ausländerklasse – wirken indes auf viele abschreckend. Doch welche gängigen Mythen über Privatschulen stimmen? Ein Faktencheck.
1 Privatschulen sind vor allem ein Großstadtphänomen.
Tatsächlich scheinen privat geführte Schulen vor allem in Wien gefragt: Hier besucht rund jeder fünfte Schüler eine Privatschule, österreichweit ist es jeder zehnte. Das überrascht auch insofern wenig, als in Wien historisch die von katholischen Orden geführten Schulstandorte (die meisten Privatschulen sind katholische) entstanden sind. Im Burgenland etwa gibt es eine (!) private Volksschule, in Tirol sind es drei, in Wien 49.
2 Privatschüler sind die besseren Schüler und schneiden in Tests besser ab.
Dazu gibt es für Österreich keine aussagekräftigen Daten. Bei der Zentralmatura würde sich das jedenfalls nicht zeigen, heißt es aus dem Bildungsministerium, das hierzu Stichproben untersuchte. In einer OECDStudie wurden vor einigen Jahren international die Ergebnisse privater und öffentlicher Schulen verglichen: Privatschüler schnitten da deutlich besser ab. Allerdings folgte eine Einschränkung: Schüler mit ähnlichem sozio-ökonomischen Hintergrund, die eine öffentliche Schule besuchen, seien in der Regel ebenso gut.
3 Privatschulen haben viel mehr Entscheidungsmöglichkeiten als öffentliche.
Privatschulen können ihre Lehrer aussuchen und hätten daher besseres Personal? Das ist nicht richtig: Private Pflichtschulen mit Öffentlichkeitsrecht (das ist die überwiegende Mehrheit) bekommen in Wien genauso wie städtische Schulen Lehrerkandidaten vorgeschlagen. Man versuche, auf Wünsche der Direktoren einzugehen, heißt es beim Stadtschulrat, und zwar da (öffentlich) wie dort (privat). Ebenso ist der Lehrplan für private wie öffentliche Schulen derselbe. Bezahlt werden die Lehrer an privaten Pflichtschulen von der Stadt – das Schulgeld fließt also nicht in die Lehrergehälter, weshalb pri- vate Schulen mehr Geld für Zusatzangebote haben. Einer der wesentlichsten Unterschiede besteht aber in der Auswahl der Schüler: Städtische Volksschulen müssen bevorzugt Kinder nehmen, die in der Nähe wohnen, Privatschulen können ihre Schüler frei aussuchen – und wählen gewöhnlich jene, die in Schulreifegesprächen überzeugen.
4 Öffentliche Schulen in Wien können mit Privatschulen nicht mithalten.
Der Ruf mancher Wiener Pflichtschule ist nicht der beste. Es gibt aber dennoch viele öffentliche Schulen, die bei jeder Schuleinschreibung hundert oder mehr Schüler abweisen müssen, weil sie bei Eltern so gut ankommen. Ihr Ruf ist ausgezeichnet, weil sie bei standardisierten Tests ausgezeichnete Ergebnisse erreichen oder mit schwierigen Schülern zurechtkommen. Andere öffentliche Schulen werden gemieden, die Schere geht in jedem Fall weiter auseinander.
5 Es ist vor allem die Sorge vor sogenannten Ausländerklassen, weshalb Private boomen.
Ja. An Wiener Pflichtschulen ist der Anteil von Schülern nicht-deutscher Muttersprache hoch, mitunter bei über 90 Prozent. Auch, wenn viele andere Motive nennen: Die Sorge vor niedrigerem Niveau und kulturellen Problemen ist ein Hauptmotiv hinter dem Privatschul-Trend. Freilich besuchen auch Kinder nicht-deutscher Muttersprache Privatschulen, der ist aber wesentlich geringer: Im laufenden Schuljahr sind etwa von 22.630 Schülern katholischer Privatschulen 6417 nicht-deutscher Muttersprache, etwa 28 Prozent. Vorwiegend sind diese Schüler mit Polnisch, Kroatisch, Englisch, Chinesisch, Arabisch, Slowakisch, Spanisch oder Französisch als Muttersprache aufgewachsen.
6 Privatschulen sind für viele Familien schlicht nicht leistbar.
Das kann in manchen Fällen sein, allerdings fallen auch in öffentlichen Schulen Kosten für (bei Bedarf ) Mittagessen (Wiens Horte: 63,27 Euro im Monat) und Nachmittagsbetreuung (163,90 Euro, es gibt Ermäßigungen) an. Das Schulgeld für Private beläuft sich auf 150 bis 200 Euro. Inklusive Mittagessen und Nachmittagsbetreuung sind es ca. 400 Euro, mitunter, etwa am Theresianum, fast 600 Euro. Waldorfschulen sind teurer, die Vienna International School spielt mit 15.400 Euro pro Jahr überhaupt in einer anderen Liga.
7 Die Nachmittagsbetreuung ist in privaten Schulen einfach besser.
Privatschulen waren in Wien die Vorreiter in Sachen Nachmittagsbetreuung. Viele private Träger sind auch, was Abholzeiten betrifft, flexibler. Zudem gibt es an fast allen privaten Schulen am Nachmittag zusätzliche (kostenpflichtige) Kurse von Musik bis Sport. Allerdings gibt es auch an vielen öffentlichen Schulen derartige Zusatzangebote.
8 Mein Kind muss katholisch sein, um eine katholische Schule zu besuchen.
Die meisten Privatschulen Wiens sind katholisch, sie nehmen aber Schüler aller Konfessionen oder ohne Bekenntnis. Zwar müssen alle Kinder, auch o. B., Religionsunterricht besuchen, der wird je nach Konfession abgehalten: An katholischen Privatschulen gibt es katholischen, evangelischen, orthodoxen und muslimischen Unterricht. In Wien, sagt Andrea Pinz, Leiterin des Schulamtes der Erzdiözese, gebe es muslimischen Unterricht an sicher der Hälfte der katholischen Schulen. Das entspricht den Konfessionen der Schüler: In Wien waren im Schuljahr 2015/16 von 22.881 Schülern katholischer und evangelischer Privatschulen 67 Prozent katholisch, zwölf Prozent o. B. und 21 Prozent andersgläubig (orthodox, evangelisch, muslimisch). Österreichweit liegt der Katholikenanteil in katholischen Schulen bei 80 Prozent.