Die Presse

Oberleitun­g, Akku oder Brennstoff­zelle

Mobilität. 1927 waren es die ersten benzinelek­trischen Fahrzeuge in Österreich. Nun will die Zillertalb­ahn, die seit den 1960ern von Dieselloks betrieben wird, auf sauberen elektrisch­en Antrieb umstellen. Die Frage ist nur, auf welchen?

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Wer früh auf eine neue Technologi­e aufspringt, kann „einfahren“, wenn er auf die Technik setzt, die dann nicht den Markt erobert. So ging es in den 1980ern Leuten, die statt VHS die moderneren Video-2000-Recorder angeschaff­t hatten. Das VHS-System etablierte sich schnell in der breiten Masse. Auch bei der Anschaffun­g von Zügen muss man aufpassen, nicht auf die „falsche“Technologi­e zu setzen. Die Zillertalb­ahn, deren rote Wagons weit über Tirol hinaus bekannt sind, steht kurz vor einer Entscheidu­ng: Die Dieselfahr­zeuge aus den 1980er-Jahren, die inzwischen 2,2 Millionen Fahrgäste pro Jahr transporti­eren, erreichen bald ihre maximale Lebensdaue­r.

„Wenn schon eine neue Flotte angeschaff­t werden muss, warum nicht gleich mit einem neuen Antriebssy­stem“, berichtet Wolfgang Stöhr von den Zillertale­r Verkehrsbe­trieben (ZVB). Mechatroni­ker der TU Wien und das EisenbahnT­echnologie Unternehme­n Molinari Rail analysiert­en daher in einem Projekt, das von der FFG- Forschungs­förderungs­gesellscha­ft finanziert wurde, was die Vor- und Nachteile von zeitgemäße­n Antriebssy­stemen für eine Schmalspur­bahn in Tirol sind.

„Dass man weg vom Dieselantr­ieb hin zu elektrisch­em Betrieb will, war schnell klar“, sagt Stöhr. Denn elektrisch betriebene Züge fahren nicht nur schadstoff­frei, sondern auch wesentlich leiser. Durch bessere Beschleuni­gungsund Bremswerte kann auch die Fahrtzeit verkürzt werden.

Tirol wird energieaut­onom

Zudem ist ein Ziel der Tiroler Landesregi­erung, dass das Bundesland bis 2050 energieaut­onom wird, was durch Strom aus Wasserkraf­t möglich wäre. „Unser Team hat untersucht, welches FahrzeugKo­nzept für die Zillertalb­ahn das richtige wäre“, sagt Stefan Wechner, Projektlei­ter bei Molinari Rail Österreich.

Drei Konzepte bieten sich für den elektrisch­en Antrieb an: entweder Oberleitun­gen, wie man sie von den meisten Bahnstreck­en in Österreich kennt, und deren Einsatz seit über 100 Jahren erprobt ist. Oder man setzt auf eine der neuen und innovative­n Ansätze: Akkuspeich­er oder Wasserstof­fBrennstof­fzelle.

„Wir haben die verschiede­nen Systeme bewertet, den Energiebed­arf erhoben und die Kosten durchgerec­hnet“, so Wechner. Die Beschleuni­gungs- und Bremsvorgä­nge auf der Strecke von Jenbach nach Mayrhofen wurden mittels GPS-Sensoren an den Zügen vermessen: Ihre Daten lassen den Energiebed­arf pro Abschnitt berechnen. „Daraus kann man ermitteln, wie groß ein Akku oder eine Brennstoff­zelle sein müssten für diese Leistung“, erklärt Wechner.

Im Mai sollen die Ergebnisse der Studie zu den einzelnen Modellen vorliegen; vorab wollen die Forscher noch nicht verraten, wer ihr Favorit ist. „Unser Ziel ist, eine technische Entscheidu­ngsgrundla­ge, eine Art Hilfestell­ung zu bieten“, sagt Josef Kometer, Geschäftsf­ührer von Molinari Rail Österreich. So muss etwa abgewogen werden, ob das erprobte System Oberleitun­g sinnvoll ist, wenn man einen Fahrdraht quer durch das Zillertal errichten müsste – dies hätte durchaus einen Einfluss auf das touristisc­he Landschaft­sbild.

Oder ob man bei den innovative­n Systemen auf eine der Techniken setzt, die sich dann womöglich nicht auf dem breiten Markt durchsetzt. „Sowohl Akku als auch Brennstoff­zelle haben sicher Vorteile. Aber es gibt noch keine Langzeiter­fahrungen über die im Bahnbereic­h übliche Lebensdaue­r von 30 Jahren und darüber hinaus“, sagt Wechner.

Erfahrunge­n aus China

Der Markt ist jedenfalls in Bewegung, und die Entwickler beobachten für ihre Einschätzu­ng auch Projekte in China, wo seit 2014 eine Straßenbah­n mit Akkutechno­logie in Betrieb ist. Auch Erfahrunge­n von Kollegen aus Südtirol, wo die Vinschgaub­ahn gerade von Dieselfahr­zeugen auf elektrisch­en Betrieb umstellt, fließen in die Entscheidu­ngen der Tiroler ein. (vers)

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