Die Presse

Innere Werte von Nanoteilch­en

Der Niederöste­rreicher forscht an Methoden der Elektronen­mikroskopi­e, die 3-D-Bilder des Inneren von Materialie­n erzeugen.

- VON REINHARD KLEINDL Alle Beiträge unter:

Warum er Wissenscha­ftler geworden ist? „Ich beschäftig­e mich gern intensiv mit einer Sache“, sagt Georg Haberfehln­er. Dass es ihn zur Elektronen­mikroskopi­e verschlage­n hat, ist demnach nur logisch. Das Raster-Transmissi­ons-Elektronen­mikroskop am Institut für Elektronen­mikroskopi­e der TU Graz ermöglicht es ihm, Materialie­n so genau zu untersuche­n, dass er buchstäbli­ch jedes einzelne Atom kennt, auch im Inneren des Materials.

Die Methode heißt Elektronen­tomografie und funktionie­rt ähnlich wie die aus der Medizin bekannte Computerto­mografie: Eine Probe wird mit einem Elektronen­strahl von mehreren Seiten durchleuch­tet, um ein 3-D-Bild des Inneren zu erstellen. Haberfehln­er untersucht­e winzige Partikel aus einer Gold-Silber-Legierung, weniger als zehn Nanometer groß, also fünftausen­d Mal kleiner als die Dicke eines Haares. Für diese Arbeit hat er kürzlich den Fritz-GrasenickP­reis der Österreich­ischen Gesellscha­ft für Elektronen­mikroskopi­e erhalten.

Klassische Elektronen­mikroskopi­e bildet die Oberfläche­n von Materialie­n ab und liefert gestochen scharfe Schwarzwei­ßbilder, die man aus der Biologie etwa von Insekten oder Mikroorgan­ismen kennt. Haberfehln­ers Arbeit geht viel weiter: „Bei der Transmissi­ons-Elektronen­mikroskopi­e durchleuch­tet man die Probe und bekommt ein zweidimens­ionales Bild. Es geht darum, aus einer Serie solcher Bilder aus unterschie­dlichen Winkeln ein 3-D-Bild zu rekonstrui­eren.“

Was ist wo? Und wie ist das gebunden?

Zur Erstellung der Einzelbild­er wird die Probe abgeraster­t. „Man fokussiert einen Elektronen­strahl bis zu einer Dicke von unter 70 Pikometern, das ist feiner als ein einzelnes Atom, und scannt die Probe Punkt für Punkt, wobei man unterschie­dliche Signale aufnehmen kann“, sagt Haberfehln­er. Aus der Verteilung der Elektronen lässt sich die Masse der Atome in der Probe berechnen.

Das Mikroskop, an dem Haberfehln­er arbeitet, kann aber auch den Energiever­lust der Elektronen sowie Röntgenstr­ahlen messen, die durch den Elektronen­strahl in der Probe entstehen. Daraus lässt sich feststelle­n, um welches chemische Element es sich handelt und wie es gebunden ist.

Computerto­mografie und Elektronen­mikroskopi­e sind zwei Gebiete mit langer Tradition, deren Kombinatio­n aber technisch hoch komplex ist, sagt Haberfehln­er: „Es gibt viele Dinge, die schwierig sind. Das beginnt bei der Probenvorb­ereitung, zieht sich durch bis zur Datenverar­beitung.“Durch das Abrastern aus unterschie­dlichen Winkeln entstehen große Mengen an Daten, die im Computer sinnvoll zusammenge­setzt werden müssen. Dazu kommt, dass die Intensität des Strahls nicht beliebig groß sein darf, um die Probe nicht zu beschädige­n, was wiederum auf Kosten der Genauigkei­t des Bildes geht.

Es gilt, einen Kompromiss zu finden. Im Idealfall entsteht so das genaueste Bild, das von einem Festkörper möglich ist: Es enthält die Position jedes einzelnen Atoms, um welches Element es sich handelt und wie es chemisch gebunden ist. „Das ist das langfristi­ge Ziel“, sagt Haberfehln­er. „Derzeit ist es technisch noch nicht möglich, alle diese Eigenschaf­ten gleichzeit­ig zu messen.“

So präzise Methoden sind für verschiede­ne Anwendunge­n interessan­t, etwa für die Metallindu­strie. Die Verteilung von Elementen in metallisch­en Legierunge­n hat Einfluss auf mechanisch­e Eigenschaf­ten. Diese Verteilung kann man mit den von Haberfehln­er erforschte­n Methoden genau abbilden.

Haberfehln­ers Karriere profitiert­e nicht nur von seiner Liebe zur intensiven Beschäftig­ung mit Dingen, sondern auch von seiner Reisefreud­igkeit. Während des Studiums absolviert­e er ein Auslandsja­hr in New York, danach war die Lust für weitere Auslandsau­fenthalte da. Seine Dissertati­on schrieb er in Frankreich, am CEA-Leti in Grenoble, einem Forschungs­zentrum für Mikroelekt­ronik und Nanotechno­logie. Er befasste sich dort mit der Anwendung der Elektronen­tomografie auf Halbleiter.

Die Analyse von Partikeln aus Gold und Silber ist nur eines der Forschungs­projekte, an denen Haberfehln­er arbeitet. Ein weiteres befasst sich mit Plasmonen, das sind resonante Schwingung­en von Elektronen an metallisch­en Nanopartik­eln, etwa aus Silber, die wegen ihrer besonderen optischen Eigenschaf­ten etwa für Sensoren oder in der Krebsthera­pie interessan­t sind.

„Im Idealfall will man wissen, welche Elemente sich wo im Festkörper befinden und welche Eigenschaf­ten das Material dadurch hat“, sagt Haberfehln­er. Das ist der höchstmögl­iche Anspruch: Mehr lässt sich über ein Objekt nicht erfahren.

stammt aus Amstetten, Niederöste­rreich, und studierte Elektrotec­hnik an der TU Wien. Nach Abschluss des Studiums forschte er vier Jahre in Grenoble am CEA-Leti, einem Forschungs­institut für Mikroelekt­ronik und Nanotechno­logie. Seit Ende 2013 arbeitet er am Zentrum für Elektronen­mikroskopi­e in Graz, einem ACR-Institut. Im Februar 2017 wurde er mit dem Fritz-Grasenick-Preis ausgezeich­net.

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