Die Presse

Auswirkung­en des Ehestands

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HWer traf wen? Einige Werke des Pragers? Und des Gastgebers?

Qerbsttag im Süden, einfach herrlich! Ein Mann aus Prag besucht seinen Kollegen, der – fast einsiedler­isch – hoch oben in den Bergen lebt, in einer durchaus bescheiden­en Villa, die ein Freund ihm auf Lebenszeit – einfach herrlich! – zur Verfügung gestellt hat.

An einen großen, von sehr viel Licht durchflute­ten Saal mit einer – schon wieder – einfach herrlichen Aussicht über Bergrücken und Täler wird sich der Besucher noch viele Jahre später erinnern. Das Gespräch zwischen den beiden wird rasch lebhaft. Es dreht sich vor allem um zwei Themen. Erstens: um die Werke Franz Kafkas, die der Gastgeber liebt (der Gast liebt sie nicht minder, er hat sie sogar der Nachwelt gerettet); zweitens: um „die unerfreuli­chen Zustände im Reich“. Die beiden Männer kommen auf Gerhart Hauptmann zu sprechen und auf die Frage, wie es zu erklären sei, dass dieser sich politisch „so haltlos“zeige. Der Gastgeber schiebt die Schuld auf den schlechten Einfluss, den Hauptmanns Frau mit ihrem Ehrgeiz und ihrem Luxusbedür­fnis auf ihn ausübe.

Dann zeigt der Gastgeber seinem Besucher die Aquarellbi­lder, die er malt. Das Aquarellie­ren gehört zu seinen größten Freuden. Die Blicke über die Dächer von Montagnola und in die Täler! Er erzählt, dass ihm die Malerei über manche schwere Zeit auch finanziell hinweghelf­e. Die Einnahmen aus seiner Schriftste­llerei ließen oft zu wünschen übrig; da fände sich denn von Zeit zu Zeit ein reicher Liebhaber, der ihm eine Serie seiner Aquarelle abkaufe – oder eine handkolori­erte Ausgabe seiner Verse.

Die beiden Männer spazieren durch die mit Kastanien bestandene­n Täler. „Wie oft habe ich seither an diesen Spaziergan­g gedacht“, so der Gast in seiner Erinnerung. Der Weg führt in eines jener Tessiner Wirtshäuse­r, die teilweise in den Felsen hineingeha­uen sind. Man trinkt den guten Wein der Gegend, und zwar, wie es hier in den Dörfern üblich ist, nicht aus Gläsern, sondern aus Porzellant­assen. „Wie Li-tai-pe“, sagt der Gastgeber. Man hebt die Tassen, um auf Thomas Mann und andere Freunde zu trinken. Der Besucher schlägt vor: „Nun wollen wir noch auf Gerhart Hauptmann trinken.“– „Ausgezeich­net“, ruft der Gastgeber, „da bin ich dabei, aber bitte ohne seine Frau!“Wie schelmisch! Einfach herrlich.

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