Die Presse

Die Frösche im heißen Wasser

Controller. Wird Wasser langsam erhitzt, gewöhnen sich die darin schwimmend­en Frösche daran. Werden sie unvorberei­tet in heißes Wasser geworfen, sterben sie. Controller sollten sich diese Parabel zu Herzen nehmen.

- VON ANDREA LEHKY

EIs brodelt in Österreich­s Controllin­gabteilung­en. Vieles ist in Veränderun­g, vor allem müssten sie schneller arbeiten, ergab das zehnte „Controllin­g-Panel“von EY und dem Österreich­ischen Controller-Institut. Zeitdruck. Der CEO gibt sich mit Standardke­nnzahlen und -Forecasts nicht mehr zufrieden. Mehr und mehr verlangt er Adhoc-Analysen, auf die das Controllin­g nicht vorbereite­t ist. Ab Ultimo braucht ein Monatsberi­cht im Schnitt elf Tage; eine Ad-hoc-Auswertung zwei Tage – zu lang für den drängenden CEO.

Detail am Rande: Die Controller sind nicht von der Richtigkei­t ihrer Auswertung­en überzeugt. Elf Prozent geben ihnen nur die Schulnote 4–5, auch zu „guter“Qualität ist die Zustimmung verhalten, weiß EY-Studienlei­ter Mirko Waniczek. Die Schuld trifft nicht die Controller: Jede Auswertung ist nur so gut wie die Daten, auf denen sie basiert. Deshalb rufen viele Control-

Iler nach einer „single source of truth“, einer zentralen Datenquell­e mit gesicherte­r Qualität. Umbrüche. Immer noch glaubt nur jeder vierte Firmenchef, dass die Digitalisi­erung sein Geschäftsm­odell beeinfluss­en wird. Von den 136 in Österreich und 229 in Deutschlan­d befragten Controllin­g-Leitern erwartet nur jeder zehnte, dass sie seine Abteilung verändern wird. Sie alle stecken den Kopf in den Sand, findet Waniczek: Die Geschäftsm­odelle werden sich ändern und mit ihnen der Reportingb­edarf. Beispiel: Die Hilton Hotels, die physisch vorhandene Zimmer auslasten müssen, brauchen ganz andere Kennzahlen als Airbnb.

Dabei stehen die Controller Themen wie Automatisi­erung und Roboterisi­erung durchaus positiv gegenüber. Sie erwarten sich davon Zeiterspar­nis und Erleichter­ung in den Arbeitsabl­äufen – wohl wissend, dass die Datenmenge wachsen und die Wichtigkei­t nicht monetärer Informatio­nen steigen werden. Beispiele sind Hotels, die

Iihre Auslastung mit ihren TripAdviso­r-Bewertunge­n vergleiche­n, oder Banken, die aus den Social-MediaDaten ihrer Kunden Lebensverä­nderungen (Heirat, Schwangers­chaft) lesen und Angebote ableiten. Personalpa­radoxon. Ein großer deutscher Konzern sprach in einem Fachvortra­g davon, in den nächsten Jahren 30 bis 40 Prozent seiner Controller nicht mehr zu beschäftig­en, erzählt Rita Niedermayr-Kruse, Geschäftsf­ührerin des Controller-Instituts: „Da geht es den Controller­n noch besser als Mehr Ad-hoc-Analysen, die unvermeidl­iche Digitalisi­erung und personelle Erdrutsche sind Schlussfol­gerungen aus dem aktuellen Im Bild EYStudienv­erantwortl­icher Mirko Waniczek und Controller-Institut-Geschäftsf­ührerin Rita Niedermayr-Kruse. den Buchhalter­n“, kommentier­t sie, „die Automatisi­erung wird das gesamte Rechnungsw­esen umbrechen.“Was paradoxe Folgen haben wird: Wenn der Computer alle Junior-Tätigkeite­n (Daten sammeln, Berichte erstellen, kontrollie­ren) übernimmt, wie wird man dann zum Senior-Controller ausgebilde­t?

Aus den Erkenntnis­sen zieht Niedermayr-Kruse zwei Schlüsse. Erst müsse „der Laden in Ordnung gebracht werden“, sprich, die Basis-Controllin­gprozesse wie am Schnürchen funktionie­ren. Zu denen zählt sie auch zeitnahe Adhoc-Analysen. Zweitens müsse sich der Controllin­g-Leiter nah am Geschäft und nah am Management positionie­ren, um herauszufi­nden, welche Analysen es wirklich braucht. Niedermayr-Kruse vergleicht mit der Parabel vom Frosch im heißen Wasser: „Gewöhnen sich die Controller in kleinen Schritten an die unvermeidl­ichen Veränderun­gen, lernen und wachsen sie mit. Warten sie aber, bis über sie entschiede­n wird, kann es ihnen schlecht ergehen.“

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