Die Presse

Was ich lese

- WALTER HEUN

Nach nunmehr acht Jahren als künstleris­cher Leiter des Tanzquarti­ers Wien und kurz vor dem Ende meiner Intendanz er

innert mich vor allem das Buch Der Hase mit den Bernsteina­ugen – Das verbor

gene Erbe der Familie Ephrussi von Edmund de Waal (Zsolnay Verlag) an ein vielseitig­es zeitgenöss­isches Tanz- und Performanc­eformat, das vom Tanzquarti­er Wien entwickelt wurde.

Edmund de Waal, Nachkomme der jüdischen Familie Ephrussi, erzählt darin von 264 Netsuke, kostbaren Miniatursc­hnitzereie­n aus Japan, dem Erbe seines Großonkels, und von der außergewöh­nlichen Geschichte seiner Familie, die vom Paris der Belle E´poque ins Wien des Fin de Siecle` und vom Tokio der 1950er-Jahre über Odessa nach London führt. Ein wunderbare­s Erinnerung­sbuch.

Im Dialog mit de Waals künstleris­cher Arbeit, die damals im Theseustem­pel installier­t war, und ausgehend von Orten und Erzählunge­n aus seiner Familienge­schichte, haben wir zur Saisoneröf­fnung 2014/15 Performeri­nnen und Performer eingeladen, ihre Arbeiten in Bezug zu angetroffe­nen Narrativen zu stellen. Auf diese Weise entstand ein für die Besucher begehbarer Performanc­eParcours durch Wien – entlang verschiede­ner Handlungso­rte aus dem Roman.

Die Interventi­onen von Milli Bitterli, Ana Hoffner, Thomas Jelinek, KMET und Anna Mendelssoh­n setzten sich mit unterschie­dlichen Aspekten auch tabuisiert­er Vergangenh­eiten zwischen individuel­lem und kollektive­m Erinnern auseinande­r und stellten autobiogra­fische Bezüge her oder griffen Erzählsträ­nge auf, die in die unmittelba­re Gegenwart führten.

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[ Foto: Regine Hendrich ] Künstleris­cher Leiter des Tanzquarti­ers Wien

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