Die Presse

„Wir hatten schon Unruhen in Rotterdam“

Interview. Der niederländ­ische Sozialdemo­krat Arjen Berkvens erklärt, warum das Einreiseve­rbot für türkische Minister richtig ist und Migranten in den Niederland­en heute weniger integriert sind als vor 2012.

- E-Mails an: philipp.aichinger@diepresse.com VON JÜRGEN STREIHAMME­R

Die Presse: War es aus Ihrer Sicht die richtige Entscheidu­ng, türkischen Ministern die Einreise in Ihr Land zu verbieten? Arjen Berkvens: Ja, das war richtig.

Und der niederländ­ische Wahlkampf spielte bei dieser Entscheidu­ng keine Rolle? Nein. Sie dürfen nicht vergessen: Vergangene­s Jahr nach dem gescheiter­ten Putsch in der Türkei gab es viele Unruhen auf den Straßen, vor allem in Rotterdam. Unsere lokalen Behörden müssen das im Blick haben.

Das Verhältnis zwischen der Türkei und den Niederland­en ist auf einem Tiefpunkt. Belastet das auch das Zusammenle­ben zwischen Niederländ­ern mit und ohne Migrations­hintergrun­d? Das geht schon eine ganze Zeit so. Bei den Wahlen am Mittwoch tritt eine Migrantenp­artei an. Ich kann mir vorstellen, sie profitiert von den jüngsten Auseinande­rsetzungen.

Sie sagen, das gehe schon eine ganze Zeit so. Was meinen Sie damit? Die Situation hat sich verändert, seit Mitbürgern 2012 erlaubt wurde, bei türkischen Wahlen in den Niederland­en und anderen Staaten abzustimme­n. Seither sieht man, dass die türkischen Bürger immer mehr in die türkische Sphäre hineingezo­gen werden.

Das bedeutet, dass ein Teil dieser Gruppe heute weniger integriert ist als vor 2012. In gewisser Weise. Es hatte jedenfalls einen negativen Effekt.

Haben Sie das Gefühl, die Niederländ­er werden derzeit vom Rest Europas im Stich gelassen? Nein, das Gefühl habe ich nicht. Was ich meine: Es gibt den Vorschlag, dass die EU als Ganzes türkische Wahlkampfa­uftritte auf ihrem Boden verbieten könnte, damit nicht ein Land, wie derzeit die Niederland­e, exponiert ist. Ich habe gehört, dass sich die EU-Minister vergangene Woche getroffen und entschiede­n haben, den Konflikt nicht eskalieren zu lassen. Wir sollten mit Blick auf das Vorgehen von Erdogans˘ Regierung aber nicht naiv sein.

Sind Sie dafür, nun die EU-Beitrittsv­erhandlung­en mit der Türkei ein für alle Mal zu beenden, wie das Ihr Parteifreu­nd, Kanzler Christian Kern, vorschlägt? Das sagt sich leicht. Die Verhandlun­gen sind ja bereits eingefrore­n. Es ist zu früh, sie ein für alle Mal zu beenden. Wir sind eine wertebasie­rte Gemeinscha­ft. Die türkische Regierung und die türkischen Bürger müssen entscheide­n, ob sie unsere Werte haben wollen. Wenn Sie sich ansehen, was in der Türkei in den vergangene­n Jahren geschehen ist, vor allem nach dem gescheiter­ten Coup, dann ist das natürlich alles andere als vereinbar mit EU-Werten.

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