Die Presse

Handel lehnt Kopftuchve­rbot ab

Muslime. Der EU-Gerichtsho­f erlaubt Unternehme­n, Arbeitnehm­ern das Tragen von religiösen Symbolen zu verbieten. Während Integratio­nsminister Kurz das befürworte­t, sind Arbeitgebe­r vorsichtig.

- VON CHRISTINE KARY UND WOLFGANG BÖHM

Luxemburg/Wien. Unternehme­n können ihren Mitarbeite­rn künftig verbieten, religiöse Symbole wie das islamische Kopftuch während des Kontakts zu Kunden zu tragen. Arbeitgebe­r, die dies in internen Verhaltens­regeln festschrei­ben, können Klagen wegen Diskrimini­erung oder wegen Kündigunge­n in diesem Zusammenha­ng nun gelassen entgegense­hen. Das geht aus einem Urteil des Europäisch­en Gerichtsho­fs (EuGH) vom Dienstag hervor.

Während der für Integratio­n zuständige Minister, Sebastian Kurz, die „richtungsw­eisende Entscheidu­ng“unterstütz­t, warnte die Leiterin der deutschen Antidiskri­minierungs­stelle, Christine Lüders, dass dieses Urteil bedeute, dass es „für muslimisch­e Frauen, die ein Kopftuch tragen, in Zukunft noch schwerer werden könnte, in den Arbeitsmar­kt zu kommen“.

In Österreich hat es bereits einzelne gerichtlic­he Streitfäll­e gegeben. Wie ein Rundruf der „Presse“aber belegt, lehnen größere Handelsunt­ernehmen ein solches Verbot ab: „Wir sind immer auf der Suche nach den besten Köpfen, egal, ob sie ein Kopftuch tragen“, sagt Rewe-Sprecher Pöttschach­er. Rewe habe Mitarbeite­r aus 80 Nationen, in Österreich 41.000. Pluralismu­s sei da von vornherein gegeben. Hofer bekennt sich ebenfalls zur „gelebten Vielfalt“: Man habe „Frauen wie Männer, alte wie junge Menschen, genauso wie Personen verschiede­ner Sprachen, Religionen und Kulturen“als Mitarbeite­r. Unterschie­dlichkeit sei sogar gefragt, um die Bedürfniss­e der Kunden zu erfüllen. Ähnlich DM-Geschäftsf­ührerin Petra Mathi-Kogelnik: „Auswahlkri­terium ist für uns nicht die Religionsz­ugehörigke­it, sondern die Frage, ob eine Bewerberin gut ins Team passt. Ein Kopftuch soll dabei kein Hindernis sein.“

Spar-Sprecherin Nicole Berkmann räumt ein, dass es in Einzelfäll­en Kundenbesc­hwerden gibt. „Dann erklären wir freundlich, dass das eine gute Mitarbeite­rin ist und wir uns zur Pluralität bekennen.“Eine Regel gebe es jedoch: Unternehme­nskleidung zu tragen – zum Beispiel die Haube in der Feinkostab­teilung. „Da erwarten wir dann, dass sich alle daran halten.“Würde eine Mitarbeite­rin dort auf dem Kopftuch bestehen, würde man für sie einen anderen Platz im Unternehme­n suchen, sagt Berkmann.

Auch bei ISS Facility Services Österreich bekennt man sich zu „gelebter Diversität“: Man beschäftig­e 7500 Mitarbeite­r aus über 90 Nationen, sehe sich als Vorzeigeun­ternehmen im Bereich Integratio­n. „Das Tragen jeglicher sichtbarer religiöser Zeichen ist bei ISS nicht reglementi­ert, es sei denn, die Arbeitssic­herheit unserer Mitarbeite­r ist gefährdet“, sagt Kurt Babirath, Mitglied der Geschäftsl­eitung in Österreich. In diesen Fällen sei jedoch „die Sicherheit immer religiösen Aspekten übergeordn­et“.

Kundenbesc­hwerden reichen nicht aus

Anlassfall der EuGH-Entscheidu­ng war die Entlassung einer muslimisch­en Frau bei der Sicherheit­sfirma G4S in Belgien. Sie hatte als Rezeptioni­stin gearbeitet und eines Tages ihrem Arbeitgebe­r mitgeteilt, dass sie künftig während der Arbeitszei­t das islamische Kopftuch tragen werde. Der Arbeitgebe­r löste das Arbeitsver­hältnis daraufhin auf und berief sich auf eine betriebsin­terne Vereinbaru­ng, wonach es Beschäftig­ten untersagt ist, sichtbare Zeichen ihrer politische­n, philosophi­schen oder religiösen Überzeugun­g zu tragen. Die Frau klagte daraufhin auf Wiedereins­tellung.

In der Urteilsbeg­ründung wiesen die Richter des EuGH darauf hin, dass betriebsin­terne Regeln zum Verbot religiöser Symbole nicht diskrimini­erend seien, wenn sie für alle Mitarbeite­r unabhängig von ihrem Glauben gelten. In einem gleichzeit­ig behandelte­n Fall sprach der EuGH jedoch aus, dass eine Arbeitnehm­erin nicht entlassen werden dürfe, nur weil sich ein Kunde über das Tragen eines Kopftuchs beschwert habe.

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