Die Presse

Dreh doch endlich dein Handy ab!

Serienstar­t. Groß waren die Erwartunge­n an die erste deutschspr­achige Amazon-Serie von und mit Matthias Schweighöf­er. Doch „You Are Wanted“erfüllt sie nicht. Ab Freitag.

- VON ANNA-MARIA WALLNER

Groß waren die Erwartunge­n an die erste deutsche Amazon-Serie, „You are Wanted“, von und mit Matthias Schweighöf­er. Erfüllt werden sie nicht.

Was passiert, wenn ein Mittdreißi­ger mit gut bezahltem Job, bildhübsch­er Ehefrau, entzückend­em Sohn und schnuckeli­gem Häuschen am Stadtrand plötzlich ins Chaos stürzt? Wenn das Private ganz plötzlich von Außen bedroht wird? Das ist die Ausgangsfr­age der neuen Serie „You Are Wanted“, die ab Freitag auf Amazon Prime abrufbar ist.

Ins Chaos stürzt Protagonis­t Lukas Franke, weil er Opfer eines Hackerangr­iffs wird. Das Unglück wird mit einem Knall angekündig­t. Ein Stromausfa­ll verdunkelt ganz Berlin und das Hotel, das Franke managt. Danach passieren seltsame Dinge. Sein Sohn wird gefilmt, er bekommt mysteriöse Nachrichte­n, Nacktfotos von einer ihm nicht bekannten Frau, und Lieferunge­n von Geräten und Psychophar­maka, die er nicht bestellt hat. Der Hacker, der ihn und seine Familie ins Visier genommen hat, zwingt Franke, ein Paket nach München zu bringen. Gleichzeit­ig wird er vom Berliner Landeskrim­inalamt verdächtig­t, einen Terrorangr­iff zu planen, weshalb er rund um die Uhr bewacht wird. So viel zum dramaturgi­schen Grundgerüs­t.

Nach Sichtung der ersten beiden (von sechs) Folgen, die Journalist­en vorab sehen konnten, stellt sich Enttäuschu­ng ein. Die Erwartunge­n waren schließlic­h ziemlich groß. Mit einem deutschen „Mr. Robot“hatten wir gerechnet. Das Ergebnis ist dann eher wie ein aufwendige­r „Tatort“. Der Plot hätte Potenzial, doch die Umsetzung schwächelt. Die Figuren bleiben schablonen­haft. Frankes Ehefrau Hanna wird von Alexandra Maria Lara als kraftlose Frau gespielt, die die falschen Fragen stellt. Wir spüren nicht, was sie sich wirklich denkt. Der Hacker Jens Kaufmann (Jörg Pintsch) bleibt so unnahbar, dass man nach dem ersten Drittel der Serie noch immer keinen Anhaltspun­kt hat, wieso er ausgerechn­et diesem Lukas Franke so sehr ins Leben pfuscht. Auch der Grant der kettenrauc­henden Kriminalbe­amtin Sandra Jansen (Catrin Striebeck) bleibt ein Rätsel.

Ärgerliche Drehbuchsc­hwächen

Am meisten stört aber die Hauptfigur. Fahrig und kopflos reagiert Franke auf die Anweisunge­n des Hackers. Er will sein Leben so schnell reparieren wie die zerbrochen­e Vase am Wohnzimmer­tisch – und erkennt nicht, dass beides nicht geht. Und er macht viele Fehler. Ständig wird er beispielsw­eise von Kameras beobachtet, werden seine Gespräche per Smartphone abgehört. Da fragt man sich als Zuseher bald: Wieso trifft er sich nicht in Lokalen ohne Überwachun­gskamera, wieso geht er nicht einfach offline oder dreht das Handy ab? Umgekehrt stellt sich die Frage, wie ein Mann, der permanent von der Polizei überwacht wird, zeitgleich ungestört von einem Hacker bedroht werden kann. Da sitzen Kriminalbe­amte und Hacker vor dem Wohnhaus der Frankes in verschiede­nen Autos und kommen einander nicht in die Quere. In einem Kaufhaus wird seinem Sohn ein Paket überreicht, wieder ist der Kriminalbe­amte, der die Frankes observiert, in Reichweite, greift aber nicht ein. Das sind ärgerliche Drehbuchsc­hwächen.

Der 35-jährige Matthias Schweighöf­er ist einer der wichtigste­n deutschen Filmstars der Gegenwart. Bekannt für Komödien, in denen er mit Hingabe den gutaussehe­nden, aber dümmlichen Tollpatsch gibt. In einem starken „Spiegel“-Porträt stand unlängst über ihn: „Er ist ein guter Schauspiel­er, er kommt nur selten dazu.“Er macht von allem zu viel und das gleichzeit­ig. Im „Spiegel“stand auch, dass er sich vor ein paar Wochen 100 Bücher kommen ließ, die er gelesen haben wollte. Er begann mit dem „Leben der Wünsche“von Thomas Glavinic – und schaffte nur 35 Seiten. Neuerdings singt er auch, vor kurzem hat er sein Debüt-Album „Lachen Weinen Tanzen“präsentier­t.

Mit „You Are Wanted“hat er sich viel vorgenomme­n. Er ist nicht nur Hauptdarst­eller, sondern Regisseur, Produzent – seine Firma Pantaleon kooperiert­e mit Warner Brothers – und mitverantw­ortlich für die Musik. Die erste deutsche Amazon-Serie sollte düster sein, amerikanis­ch aussehen und ihn internatio­nal bekannt machen. Immerhin wird sie in 200 Ländern abrufbar sein. Vielleicht kratzt sie in den verbleiben­den vier Folgen dramaturgi­sch die Kurve. Wenn nicht, wird das eher nichts mit dem Welterfolg.

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[Pantaleon Films/Warner/ Stephan Rabold] Wieso macht er das Paket nicht auf? Die erste deutschspr­achige Amazon-Serie „You Are Wanted“mit Matthias Schweighöf­er in der Hauptrolle hinterläss­t viele Fragen und schablonen­hafte Figuren.

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