VW – House of Cars
Hintergrund. Ferdinand Piech¨ war jahrzehntelang Herrscher über Volkswagen und der Patriarch der Familien Porsche und Pi¨ech. Jetzt wird der bald 80-Jährige zum Paria.
Der bald 80-jährige Piech¨ wird zum Paria. Ein Hintergrund.
Wien. Die große Liebe war es nie. Wenn sich die Familien Porsche und Piech¨ oben im Schüttgut in Zell am See trafen, dann herrschte meist Krisenstimmung (Ferdinand Porsche, der Schöpfer des VW-Käfers und Begründer der Dynastie, hatte den Bauernhof 1942 gekauft). Als die Großfamilie beispielsweise Anfang der 1970er-Jahre hier zusammenkam, um einen epochalen Streit zwischen Hans-Peter Porsche und seinem Cousin Ferdinand Piech¨ beizulegen, engagierte man sogar einen Psychologen für eine gruppendynamische Betreuung.
Diesmal wird vermutlich nicht einmal mehr ein Psychologe helfen. Angeblich hat sich die Familie Porsche mit der Familie Piech¨ darauf geeinigt, den einst mächtigsten Mann des Klans, ja, des ganzen Volkswagen-Konzerns – Ferdinand Piech¨ –, aus dem Aufsichtsrat der Porsche Automobil Holding SE zu entfernen (die Porsche SE ist die Gesellschaft, die die Beteiligungen der beiden Familien an der Volkswagen AG verwaltet: knapp 31 Prozent des Kapitalanteils und rund 52 Prozent der Stimmrechte).
Der Nicht-Namensträger
Es wäre ein tiefer Fall für den Mann, der früher mit einem Nebensatz Managerkarrieren machte oder zerstörte. Für den Mann, der noch vor zwei Jahren Vorsitzender des Aufsichtsrats von Volkswagen war und dem von all seinen mächtigen Funktionen nur noch die in der Porsche SE geblieben ist. Mitglieder der Familien wollten sich zu den Gerüchten nicht äußern. Am 30. Mai muss der Aufsichtsrat der Porsche SE auf jeden Fall neu gewählt werden – und dabei soll Piech¨ keine Rolle mehr spielen.
Der bald 80-Jährige (geboren am 17. April 1937), Sohn von Louise Porsche (die Tochter von Ferdinand Porsche), hatte schon immer ein gespanntes Verhältnis zum anderen Zweig der Familie. Angeblich sprach er von Wolfgang Porsche, Sohn von Ferry Porsche (der Sohn von Ferdinand Porsche), nur als „der Waldorf-Schüler“. Der soll seinerseits seinen Cousin Ferdinand als „Nicht-Namensträger“abgekanzelt haben.
Grund für die aktuelle Auseinandersetzung dürften Aussagen von Ferdinand Piech¨ in Zusammenhang mit dem Dieselskandal sein. Vor der Staatsanwaltschaft Braunschweig soll er als Zeuge erklärt haben, bereits frühzeitig über die manipulierten Dieselmotoren in den USA informiert worden zu sein – nämlich bereits im Februar 2015 und damit mehr als ein halbes Jahr vor dem öffentlichen Bekanntwerden im September.
Er habe mit dem damaligen VW-Chef, Martin Winterkorn, über die Vorwürfe gesprochen, später auch mit vier Aufsichtsratsmitgliedern (darunter Niedersachsens Ministerpräsident, Stephan Weil). Alle weisen diese Darstellung zurück und betonen, erst im September 2015 von den Manipulationen erfahren zu haben. Stimmt die Aussage Piechs,¨ hätte das für die Beteiligten schwerwiegende Folgen.
Die frühzeitige Information im Februar 2015 würde jedenfalls er- klären, warum Piech¨ im April 2015 plötzlich in einem „Spiegel“-Interview erklärte: „Ich bin auf Distanz zu Winterkorn.“Bis dahin galt der VW-Chef als Ziehsohn Piechs¨ und wurde als sein Nachfolger in der Funktion als Aufsichtsratsvorsitzender von Volkswagen gehandelt.
Enttäuschende Niederlage
Die Aussage löste damals einen ersten Machtkampf zwischen Piech¨ und den anderen Mitgliedern des Aufsichtsrats, inklusive der Familie Porsche, aus. Der Patriarch, der mit ähnlich knappen Aussagen bereits den früheren Porsche-Chef Wendelin Wiedeking und den einstigen VW-Chef Bernd Pischetsrieder abserviert hatte, unterlag. Er verließ als Folge den VWAufsichtsrat, Winterkorns Vertrag wurde bis 2018 verlängert (er trat wegen der Dieselmanipulationen im September 2015 zurück).
Für Piech¨ dürfte die Niederlage eine herbe Enttäuschung gewesen sein. Ministerpräsident Weil mutmaßte, dass er seine Entmachtung nicht verwunden habe und deswegen die Behauptung über die frühzeitige Manipulationsinformation in den Raum stelle: „Das ist ja eine Diskussion, die für das Unternehmen einigermaßen schädlich ist.“
Das dürfte auch die Familie so sehen. Der Intrigenkampf im Stile der TV-Serie „House of Cards“– in diesem Fall passender: „House of Cars“– gipfelt laut deutschen Medien nun eben darin, dass Ferdinand Piech¨ im Zuge der Neubesetzung den Aufsichtsrat der Porsche SE verlassen muss.
Die Familienaussprache in den 1970er-Jahren auf dem Schüttgut in Zell am See mit dem Psychologen endete übrigens nicht friedlich. „Es war eher eine Satire auf gut gemeinte Bemühungen“, erinnert sich Piech¨ in einer Biografie („Ferdinand Piech:¨ Der Automanager des Jahrhunderts“): „Wir gerieten uns voll in die Wolle.“