Die Presse

Warum Österreich Nein sagen kann

Völkerrech­t. Der türkische Präsident Erdo˘gan und seine Minister haben kein Recht darauf, in einem anderen europäisch­en Land Wahlkampf zu betreiben.

- VON JULIA RAABE

Wien. In ihrem Ärger über die abgesagten Wahlkampfa­uftritte in den Niederland­en und die Haltung der EU schwingt die Regierung in Ankara die Menschenre­chtskeule. Die Regierung in Den Haag habe „Menschenre­chte und europäisch­e Werte“klar verletzt, schimpfte das türkische Außenminis­terium am Dienstag. Ankara agiert, als habe es ein Recht darauf, in anderen europäisch­en Staaten Wahlkampf zu betreiben. Doch das ist nicht der Fall, betonen Völkerrech­tsexperten.

Tatsächlic­h kann Österreich als souveräner Staat jedem ausländisc­hen Besucher die Einreise verweigern – auch Ministern und Staatschef­s. „Das ist eine Frage der Gebietshoh­eit“, sagt Ralph Janik vom Völkerrech­tsinstitut der Universitä­t Wien der „Presse“. Mit anderen Worten: Jeder offizielle Besuch findet mit der Genehmigun­g des Gastgebers­taates statt.

Hinzu kommt: Wird ein Staatsgast empfangen, muss das Gastgeberl­and für dessen Sicherheit sorgen. Programm und Ablauf des Besuchs werden also eng koordinier­t. Der Besucher kann sich kaum über die Wünsche des Gastlands hinwegsetz­en. Falls doch, könnte die Regierung einschreit­en und ihn im äußersten Fall des Landes verweisen, wie es die türkische Familienmi­nisterin Fatma Betül Sayan Kaya in den Niederland­en erfahren hat – ein diplomatis­cher Eklat.

Privat oder in UN-Funktion

Freilich könnte ein ausländisc­her Politiker als Privatpers­on einreisen oder – das gilt für Wien als UN-Sitz – mit der Begründung, einen Termin bei den Vereinten Nationen wahrzunehm­en. Ein Auftritt als Wahlkämpfe­r bei dieser Gelegenhei­t wäre aber vom Zweck des Besuches nicht gedeckt – und könnte vom Gastland ebenfalls untersagt werden. Bis hin zur Ausweisung.

Mit den Menschenre­chten, die Ankara nun ins Feld führt, ist vor allem die Versammlun­gs- und Meinungsfr­eiheit gemeint. Diese grundlegen­den Rechte sind aber vor allem Rechte der Bürger gegenüber dem Staat (und selbst die Europäisch­e Menschenre­chtskonven­tion sieht „Beschränku­ngen der politische­n Tätigkeit von Ausländern“vor). Ausländisc­he Politiker, die in offizielle­r Mission im Ausland unterwegs sind, können sich nicht darauf berufen, um eine Einreise oder einen ungebetene­n Auftritt zu erzwingen. Das gehört in die Außenpolit­ik – und da gelten die diplomatis­chen Regeln des Völkerrech­ts.

Umgehen lassen sich die Regeln auch nicht, indem man Veranstalt­ungen auf das Gelände der eigenen Botschaft oder des Konsulats verlegt. Zwar gilt für diese Gebäude besonderer Schutz, sie sind dem Zugriff der österreich­ischen Behörden entzogen. Sie sind aber nicht ausländisc­hes Staatsgebi­et.

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