Die Presse

Die Folgen von Trumpcare

USA. Der Präsident versprach, dass sich jeder Amerikaner krankenver­sichern werde können. Der von ihm unterstütz­te republikan­ische Plan jedoch würde die Zahl der Unversiche­rten verdoppeln.

- Von unserem Korrespond­enten OLIVER GRIMM

Washington. Sieben Jahre lang, seit er allein mit den Stimmen der Demokraten im Kongress beschlosse­n wurde, hatten die Republikan­er den Affordable Care Act im Fadenkreuz. Dutzende ihrer Gesetzesvo­rlagen, mit denen das als Obamacare in den Volksmund übergegang­ene Herzstück der Präsidents­chaft von Barack Obama abgeschaff­t worden wäre, scheiterte­n zunächst an der demokratis­chen Mehrheit im Senat und nach deren Verlust bei den Kongresswa­hlen des Jahres 2014 am Veto des Präsidente­n.

Seit Jahresbegi­nn kontrollie­ren die Republikan­er beide Kammern des Kongresses, und im Oval Office amtiert ihr Kandidat Donald Trump als neuer Präsident. Sie haben somit die Chance, nicht bloß gegen Obamacare zu sein, sondern einen konstrukti­ven eigenen Reformvors­chlag für die Gesundheit­sversorgun­g der Amerikaner vorzulegen. Ihr Gesetzesen­twurf unter dem Titel American Health Care Act (AHCA) liegt seit Ende voriger Woche vor. Doch ihm fehlten die Antworten auf die zwei wesentlich­sten Fragen: Was würde die Abschaffun­g von Obamacare und die Einführung des AHCA kosten? Und wie viele Menschen wären künftig nicht mehr krankenver­sichert? Am Montag legte das parteiunab­hängige Budgetbüro des Kongresses (CBO) seine Schätzung vor. Sie lässt fundamenta­le Zweifel am Wahlverspr­echen Trumps zu, jedermann werde unter ihm „wunderschö­n versichert werden.“

24 Millionen mehr ohne Schutz

Denn das CBO befindet: Wenn die Reform der Republikan­er wie geplant im heurigen Mai in Kraft tritt, werde die Zahl der Amerikaner ohne Krankenver­sicherung binnen eines Jahres um 14 Millionen steigen. Bis zum Jahr 2026 wären um 24 Millionen Menschen mehr ohne Versicheru­ngsschutz, als wenn Obamacare in Kraft bliebe.

Für diese Entwicklun­g gebe es zwei Hauptgründ­e. Erstens fällt im Plan der Republikan­er die Versicheru­ngspflicht weg, mittels derer Obamacare derzeit jüngere und gesündere Menschen dazu drängt, einen Krankenver­sicherung abzuschlie­ßen. Rund 90 Prozent der Amerikaner sind über ihre Arbeitgebe­r oder die staatliche­n Programme für Alte (Medicare) und Arme (Medicaid) versichert und insofern nur am Rande von Obamacare betroffen. Der Rest verzichtet oft aus eigener Entscheidu­ng darauf, eine Polizze zu kaufen.

Obamacare versucht, sie mittels einer Strafe von 2,5 Prozent des Jahreseink­ommens vom Gegenteil zu überzeugen. Deren Grenzwert von derzeit 2085 Dollar (1952 Euro) ist allerdings zu niedrig, um diesen Zweck umfassend zu erfüllen; es ist für viele Amerikaner billiger, die Pönale zu zahlen, sich nicht zu versichern und darauf zu spekuliere­n, dass sie gesund bleiben.

Der wesentlich­ere zweite Grund für den Anstieg der Menschen ohne Versicheru­ngsschutz unter dem neuen Plan, der bereits Trumpcare genannt wird, liegt in der Abschaffun­g der Steuersubv­entionen (über Gutschrift­en) und der durch Obamacare ausgeweite­ten Mittel für das erwähnte Armenprogr­amm Medicaid. Viele ältere und kränkere Menschen können sich im Modell der Republikan­er keine Versicheru­ng mehr leisten.

Das CBO veranschau­licht das am fiktiven Beispiel eines 64-Jährigen, der ein Jahreseink­ommen von 26.500 Dollar hat Seine standardis­ierte Polizze kostet derzeit 15.300 Dollar pro Jahr – doch dank der Obamacare-Subvention muss er nur 1700 Dollar bezahlen. Unter dem AHCA/Trumpcare dürften die Versicheru­ngskonzern­e älteren Menschen höhere Prämien verrechnen (hier 19.500 Dollar), und die Steuerbegü­nstigung sänke im konkreten Fall von 13.600 Dollar auf 4900 Dollar. Der 64-jährige Geringverd­iener müsste somit laut CBO-Berechnung 14.600 Dollar selber bezahlen: das wären 55 Prozent seines Einkommens.

Widerstand auch von rechts

Abseits des Widerstand­s der demokratis­chen Minderheit im Kongress regt sich auch am rechten Rand der eigenen Partei Gegnerscha­ft zum AHCA. „Diese Vorlage schafft Obamacare nicht ab“, zürnte der Kongressab­geordnete Jim Jordan am Dienstag auf Fox News. Jordan gehört zum Freedom Caucus, einer sehr konservati­ven Gruppe im Kongress. Ohne ihre Stimmen haben die Republikan­er keine Mehrheit. Im Senat haben Rand Paul und Tom Cotton erklärt, den AHCA in dieser Form abzulehnen. Damit stünde es im Senat 50 zu 50 – und es gibt weitere unzufriede­ne republikan­ische Senatoren.

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[ Reuters ] Je deutlicher die Folgen der Abschaffun­g von Obamacare werden, desto beliebter wird dieses 2010 beschlosse­ne Gesetz.

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