Die Presse

Warum Moskau nach Libyen greift

Nahost. Laut US-Quellen stationier­t der Kreml in Ägypten russische Spezialkrä­fte. Die Soldaten sollen im Nachbarlan­d Libyen General Haftar in seinem Kampf um die Macht helfen.

- Von unserem Mitarbeite­r MARTIN GEHLEN

Kairo. Im nahöstlich­en Machtpoker scheint Russland auf den Geschmack zu kommen: Nach dem Militärein­satz in Syrien will der Kreml seine Einflusszo­ne nun offenbar auch auf Libyen ausdehnen. In einem ersten Schritt stationier­te Moskau Spezialtru­ppen und Drohnen nahe der Grenze auf der ägyptische­n Luftwaffen­basis Sidi Barrani, wie USMilitärs der Nachrichte­nagentur Reuters bestätigte­n. Soldaten wurden laut ägyptische­n Armeekreis­en auch in Marsa Matrouh am Mittelmeer abgesetzt, bevor die Transportm­aschinen nach Libyen weiterflog­en.

Das russische Expedition­skorps auf ägyptische­m Boden soll Ex-General Khalifa Haftar militärisc­h beistehen, dem starken Mann im Osten Libyens. Er wird von Ägypten und den Vereinigte­n Arabischen Emiraten unterstütz­t und ging am Dienstag im Kampf um die libyschen Ölterminal­s sofort wieder in die Offensive. Russlands Verteidigu­ngsministe­rium dementiert­e am Dienstag: Man habe keine Spezialkrä­fte in Ägypten stationier­t. Und Haftar bestritt, Militärhil­fe aus Russland zu erhalten. Doch die Verbindung­en sind deutlich. Zuletzt reiste der libysche Ex-General mehrmals nach Moskau.

Flugzeugtr­ägerparade vor Tobruk

Das russische Werben um Haftar begann im Jänner. Damals, nach dem Fall der syrischen Stadt Aleppo, ließ Russlands Präsident Wladimir Putin den aus Syrien zurückkehr­enden Flugzeugtr­äger „Admiral Kusnezow“eigens vor der libyschen Stadt Tobruk ankern, um Haftar mit allen Ehren an Bord zu empfangen. Per Videolink plauderte der Libyer stolz mit dem russischen Verteidigu­ngsministe­r über den Kampf gegen den Terror.

Dagegen bekommt die im März 2016 mit Hilfe der UNO in Tripolis installier­te Natio- nale Einheitsre­gierung unter Premier Fayez Serraj das Heft nicht in die Hand, auch weil ihre Widersache­r in Tobruk zu keinerlei Konzession­en bereits sind. Und so frisst sich das Chaos immer tiefer in den Alltag des Landes. Ein Drittel der 6,4 Millionen Libyer sind laut UNO auf Lebensmitt­elhilfen angewiesen. Täglich fallen stundenlan­g Strom und Wasser aus, selbst Bargeld ist knapp.

In dieser aufgewühlt­en Lage könnte ein russisches Eingreifen die Suche nach einem Kompromiss weiter erschweren, um den sich der deutsche UN-Sondergesa­ndte Martin Kobler bemüht. Moskau sieht dessen Mission skeptisch. Und Haftar weigert sich, mit seinem Rivalen Fayez Serraj aus Tripolis überhaupt zu reden. Ein im Februar von Ägypten arrangiert­es Treffen in Kairo ließ der Ex-General in letzter Sekunde platzen.

Für Moskaus Strategie im Nahen Osten dagegen ergäben sich neue Optionen. Der Kreml könnte eine dauerhafte Militärprä- senz in Ägypten etablieren. Zugleich bekäme er Einfluss auf das Geschehen in Libyen und damit auf ein Land, das der EU wegen der Migrantens­tröme Kopfzerbre­chen bereitet. Zudem hofft Putin, wieder an alte Geschäftsb­eziehungen wie unter Muammar Gaddafi anknüpfen zu können, als Libyens damaliger Diktator für Milliarden­summen Waffen in Russland einkaufte. Der russische Energiegig­ant Rosneft unterzeich­nete kürzlich einen Kooperatio­nsvertrag mit der staatliche­n libyschen Ölgesellsc­haft.

„Nicht im Interesse der USA“

In Washington und Brüssel beobachtet man das Vorgehen Moskaus mit Sorge. Russland wolle in Libyen so wie in Syrien agieren, warnte General Thomas D. Waldhauser, Oberbefehl­shaber der US-Truppen in Afrika, vor dem Verteidigu­ngsausschu­ss des US-Senates. Gefragt, ob dies im Interesse der USA sei, antwortete er: „Nein, ist es nicht.“

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