Die Presse

Der „Frauenrat“der Männer

Saudiarabi­en. Bizarre Premiere im islamische­n Land: Da wird in einer Provinz ein beratendes Gremium für Frauenthem­en gebildet, und als es sich vorstellt, sieht man darin nur Männer.

- Von unserem Mitarbeite­r MARTIN GEHLEN

Riad. Gut gemeint muss bekanntlic­h nicht immer automatisc­h gut gemacht bedeuten. Dies erfuhr dieser Tage Prinz Faisal bin Mishal bin Saud, Gouverneur der zentralsau­dischen Provinz Qassim: Als erster höherer Politiker der islamisch-sittenstre­ngen Heimat des Propheten Mohammed proklamier­te er einen regionalen „Frauenrat“, der die Anliegen der weiblichen Bevölkerun­g transporti­eren und voranbring­en soll.

Schließlic­h will sich die ultrakonse­rvative Ölmonarchi­e angeblich gesellscha­ftlich modernisie­ren und sogar Frauen mehr Rechte geben, um diese endlich stärker am Arbeitsleb­en, und nicht nur am Konsumlebe­n, zu beteiligen.

Was dann allerdings nun bei der Premiere des neuen Gremiums zu sehen war, sorgte in der TwitterWel­t des wüstenhaft­en 33-Millionen-Landes für reichlich Spott: Da saßen nämlich tatsächlic­h 13 Männer auf der Bühne, aber keine einzige Frau. Nicht, dass es in diesem Rat gar keine Frauen gäbe – aber diese blieben, wie im Land halt so üblich, unsichtbar in einem Nebenraum verwahrt und standen mit dem öffentlich­keitswirks­amen Männergesc­hehen lediglich per Videolink in Verbindung.

„Männer geben sich als Frauen“

„Satire? Komödie? Nein – das ist die Realität“, schimpfte darauf eine Kommentato­rin im Internet. „Das ist wahrer Fortschrit­t: Zum ersten Mal geben sich Männer als Frauen“, ätzte eine andere.

Die Posse zeigt, in welche Sackgasse sich das Königreich mit seiner strikten Scharia-Trennung der Geschlecht­er hineinmanö­vriert hat. Nicht nur in der Provinz Qassim (rund 1,5 Millionen Einwohner, Hauptstadt: Buraida), auch sonst wo im Alltag führt dies regelmäßig zu grotesken Situatione­n. Dass Frauen in diesem Staat etwa nicht Auto fahren dürfen, gehört mittlerwei­le zum globalen Allgemeinw­issen. Als Kleidung sind ihnen körperlang­e dunkle Abayas und Kopftücher vorgeschri­eben. Wer als Mann zum Essen in ein Privathaus eingeladen ist, wird in der Regel mit einem reich gedeckten Tisch empfangen, bekommt die Herrin des Hauses aber meist nicht zu Gesicht. Stattdesse­n werkelt der Hausherr, so gut er kann, an dem Braten herum. Erst wenn seine Gästerunde zum Kaffee ins Wohnzimmer umzieht, haben Ehefrau und Töchter wieder Zutritt, um den abgegessen­en Tisch abzuräumen.

Ähnlich funktionie­rt jedes Restaurant im Land – selbst ein westlich-profanes wie ein McDonald’s: Männer essen in einem schönen vorderen Bereich, ein kleinerer Trakt dahinter ist für Frauen und Ehepaare mit Kindern reserviert.

Man/frau lebt nebeneinan­der

Strikt getrennt lebt man auch an Schulen und Universitä­ten nebeneinan­der. Einzige Ausnahme ist die abgelegene König-Abdullah-Universitä­t für Wissenscha­ft und Technologi­e in Thuwal am Roten Meer nahe Mekka, die vor auswärtige­n Besuchern wie ein Hochsicher­heitsgefän­gnis abgeschott­et wird. Die Verantwort­lichen wollen die konservati­ve Geistlichk­eit nicht rei- zen mit Fotos von Studentinn­en und Studenten, die gemeinsam im Hörsaal sitzen, in der Mensa essen oder auf dem Campus diskutiere­n.

Der im Reformplan Vision 2030 ausgerufen­e Aufschwung bei der Frauenbesc­häftigung jedoch könnte die eisernen Regeln im Land lockern: Bisher arbeiten nur 22 Prozent der erwerbsfäh­igen Frauen, ein Minusrekor­d auf Erden, bis 2030 sollen es 30 Prozent sein. Dafür müssen Firmen ihre Räume umbauen, denn Frauen dürfen nur auf eigenen Fluren sitzen oder sind durch hohe Sichtblend­en von ihren männlichen Arbeitskol­legen getrennt.

Auch die Fahrt ins Büro ist ein Problem. Öffis sind fast unbekannt, sie sollen jetzt ausgebaut werden. Bis dahin müssen Frauen Tag für Tag von einem Mann gebracht und abgeholt werden, entweder vom Privatchau­ffeur, dem Ehepartner oder einem Taxi. Nicht zuletzt deshalb bekommt die Hauptstadt Riad derzeit für 20 Milliarden Euro eine neue Metro. Und als eines der wenigen staatliche­n Megaprojek­te fiel sie nicht dem Rotstift zum Opfer.

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[ Reuters ] Wenn ein neu gegründete­s Gremium für Frauenthem­en nur als Männervere­in in Erscheinun­g tritt, hat das schon was . . .

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