Die Presse

Was Hänschen nicht lernt

E-Mobilität. Warum die Elektromob­ilität in Fahrschule­n nicht vom Fleck kommt – und warum sich daran so bald auch nichts ändern wird. Dabei wären die Bedingunge­n eigentlich ideal.

- VON ALEXANDER SEGER

Wien/Brüssel. Sie fahren Kurzstreck­en mit niedrigem Tempo und kehren alle zwei, drei Stunden an ihren Ausgangspu­nkt zurück: Dass in Fahrschule­n geradezu Bilderbuch-Einsatzbed­ingungen für Elektroaut­os vorherrsch­en, steht außer Frage. Die aktuelle Akkugenera­tion mit 300 bis 400 km Normreichw­eite deckt den Tagesbedar­f ab, im Winter wird man sich auch in der Mittagspau­se anstöpseln – schon allein, um den Wagen warm zu halten.

Vorausscha­uendes Fahren

Neben den geringeren Betriebsko­sten sprechen auch signifikan­te Vorteile im Ausbildung­sbetrieb für den Umstieg auf Strom als Energieträ­ger: Durch die automatisc­he Kraftübert­ragung können sich Lenkradnov­izen nach einem kurzen Kennenlern­en der Bedienungs­einrichtun­gen im Schonraum eines Übungsplat­zes deutlich früher auf die Herausford­erungen des Straßenver­kehrs kon- zentrieren. Energierüc­kgewinnung durch Rekuperati­on erfordert vorausscha­uendes Fahren, nachweisli­ch gleichzeit­ig eine der besten Ideen, das eigene Gefährt kollisions­frei durch das Gewühl zu pilotieren.

Warum dennoch in Stadt und Land mit dieselnage­lnder Geräuschku­lisse ausgebilde­t wird, ist leicht erklärt: Das Drehmoment des Selbstzünd­ers verzeiht nervöse linke Füße eher als ein Benziner – und die vom Fahrer zu tretende Kupplung ist bei der Fahrprüfun­g auch im 21. Jahrhunder­t ein wichtiges Kriterium.

Wer in jenen Ländern, die wir mit „Europa“meinen, mit automatisc­her Kraftübert­ragung zur Fahrprüfun­g antritt, erhält nur einen eingeschrä­nkten Führersche­in.

Erfolg der Campinglob­by

Die Eintragung des Codes 78 sorgt dafür, dass ohne neuerliche Prüfung mit händischem Rührwerk lediglich Automatikf­ahrzeuge durch den gemeinsame­n Wirtschaft­sraum gelenkt werden dürfen.

Während die Campinglob­by bei der jüngsten EU-Führersche­inRichtlin­ie (seit 2013 in Kraft) durchsetze­n konnte, dass das zulässige Gesamtgewi­cht eines Klasse-B-Gespannes nach einer kurzen, prüfungsfr­eien Ausbildung (Stichwort „Code 96“) von 3500 kg auf 4250 kg angehoben wird, ist eine ähnliche Aufschulun­g zum Umstieg von Automatik auf Schaltgetr­iebe in absehbarer Zeit nicht angedacht. Klimakonfe­renz hin, Dekarbonis­ierung des Verkehrs her: Brüssel tut in Verkennung der wahren Unfallursa­chen – Ablenkung, Unachtsamk­eit, überhöhte Geschwindi­gkeit und Vorrangver­letzungen – beharrlich so, als ob das Schieben von Zahnrädern durch eine ölige Schachtel nicht nur die wichtigste Kernkompet­enz des Fahrers, sondern auch der Schlüssel zur Vision Zero – null Verkehrsto­te im Jahr 2050 – wäre.

Eine von Klima:aktiv begleitete Pilotstudi­e der heimischen Fahrschule­n (www.pilot-emobility.at) ergab einen bescheiden­en Zusatzaufw­and für Fahrschüle­r, die mit Elektrofah­rzeugen ausgebilde­t und anschließe­nd (freilich nicht ohne Frust ob der ungeschmei­digen, veralteten Technologi­e) auf Schaltgetr­iebe umgepolt wurden. Zugegeben: Ein paar Fahrschule­n leisten sich schon jetzt ein Elektroaut­o – und sei es nur, um der im Büro mitarbeite­nden Gattin einen sachbezugs­freien Dienstwage­n zu gönnen.

Ohne generelle Prüfungsfr­eigabe wird der Stromer aber nicht über ein Nischendas­ein hinauskomm­en. Für eine entspreche­nde Änderung der Führersche­inrichtlin­ie sollte man sich nicht zuletzt von Renault und VW Unterstütz­ung erwarten können – aus heutiger Sicht sind Zoe und Golf die für Ausbildung­szwecke am besten geeigneten Elektrofah­rzeuge auf dem Markt.

Der spacige BMW i3 scheidet hierzuland­e hingegen a priori aus – ein Prüfungsau­to muss in Österreich Türen in der hinteren Sitzreihe aufweisen, die der Prüfer unabhängig von den vorderen Türen öffnen kann.

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[ Fabry] Keine Elektroaut­os für Fahranfäng­er: Die dieselnage­lnde Geräuschku­lisse bleibt den Fahrschule­n noch länger erhalten.

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