Die neue Liebe zum klassischen Coup´e
Neuvorstellung. Mercedes liefert mit dem neuen E-Coupe´ ein gestalterisches Meisterstück ab – und erstmals auch wieder eine vollwertige E-Klasse als Basis. Aber kann das kunstsinnige Format in Zeiten des SUVs noch bestehen?
Die Bedeutung des Coupes´ ist dieser Tage ja eher abnehmend, es will die Kulturgattung nicht so recht passen in die vom SUVBoom geprägte Zeit – zu unpraktisch, zu wenig vielseitig.
Folgerichtig wachsen SUVCoupes´ aus dem Boden. Dabei handelt es sich um den Versuch, der eher groben und massigen Erscheinung des SUVs die Eleganz und Weltläufigkeit des knappen Schnitts zu verpassen. Die vielen Coupe´ genannten Viertürer auf dem Markt dehnen den Begriff schon ziemlich kühn.
„Sinnliche Klarheit“
Nach BMW – mit dem X6 als Pionier – hat auch Mercedes solche Baureihen im Programm, auch Audi lässt diesbezüglich einiges folgen. Ungeachtet dessen matchen sich die drei Hersteller beim klassischen Coupe,´ die Spielart gehört einfach zum Premium-Renomme.´ Einen beachtenswerten Beitrag in der Oberklasse liefert auch Lexus mit dem neuen LC. So gesehen feiert das – übrigens gar nicht so unpraktische – Coupe´ fast eine Renaissance.
Mit größtem Eifer ist aber Mercedes bei der Sache. Das S-KlasseCoupe´ ist außergewöhnlich, so selten man es leider auch zu sehen bekommt. Das Coupe´ der C-Klasse ist kleiner, aber von nicht minderer Statur. Das Format ist wie kein anderes geeignet, die Designphilosophie von Gestalter Gorden Wa- gener von der sinnlichen Klarheit („sensual purity“) darzustellen.
Mit dem neuen E-Coupe´ wäre nun die Lücke geschlossen, und gleich wurden alte Zöpfe abgeschnitten: Der neue Jahrgang hält zur Gänze, was der Name verspricht – anders als bei den letzten Ausführungen, die technisch eine nicht wirklich überzeugende Mischung aus E- und C-Klasse waren.
Schon deshalb ist das neue E-Coupe´ zum Vorgänger in alle Richtungen gewachsen, erste Nutznießer sind die Fondpassagiere, denen mit deutlich mehr Knieraum nun echter Langstreckenkomfort zuteil wird.
Wichtiges Coupe-´Kriterium sind Akzente der Eigenständigkeit, sie sollen den Eindruck einer bloß zweitürigen Limousine ausschließen. Der Wegfall der B-Säule etwa ist Pflicht, automatische Gurtbringer erleichtern seit einiger Zeit den Griff zur Schlosszunge. Zur Kür gehören eine eigene, sportlichere Fahrwerksabstimmung, bei der neuen E-Klasse serienmäßig samt dezenter Tieferlegung, und stilistische Merkmale wie ein etwas kunstsinniger angerichteter Innenraum.
Belüftete Blickfänger
Die Belüftungsdüsen, die im Coupe´ eingesetzt werden, sind echte Blickfänger und belegen, wie aufwendig und vielschichtig man im Designdepartment heute arbeitet. Manufakturcharakter verleihen dem Interieur auch Sitze in „Integraloptik“, die unkonventionell geschneidert sind – für die Limo ist das alles nicht zu haben. Beim nahenden E-Cabrio wird Mercedes weitere Differenzierungen zeigen.
Genug betrachtet, wir konnten ja auch erste Fahreindrücke gewinnen. Die Frage der Motorisierung kann im feinen Coupe´ keine Nebensache sein, es darf auch im Motorraum eine Klasse feiner zugehen. Wir ließen den Basisbenziner links liegen und fuhren im gleich großen, aber 245 PS starken (statt 184 PS) Zweiliter-Vierzylinderturbo aus, dem E300. Wer sich nichts aus Motoren macht, wird hier problemlos das Auslangen finden, im Alltag sowieso ausreichend, müht sich der Motor im forcierten Galopp nach Kräften um einen möglichst dynamischen Eindruck. Immerhin hält die Fahrdynamiktaste im Coupe´ einen weiteren, verschärften Sportmodus parat, der will auch abgerufen sein.
Glänzenden Eindruck macht das Fahrwerk, das auch in schnell gefahrenen, spät angebremsten Kurven nicht leicht in Verlegenheit zu bringen ist. Trotzdem. Zum Oberklasse-Coupe´ darf es schon ein Sechszylinder sein. Es ist ohnehin kein V8 vorgesehen. Der Dreiliter-V6 entfacht endlich das gewisse Drama, das dem Coupe´ fahrerisch etwas abgeht.
Muskel und Kristall
Es geht sonst gar betulich zu am Steuer, verglichen mit den vielen gestalterischen Volten, die geschlagen wurden – die gar betont muskulösen Flanken, die Rennwagenhaften Lufteinlässe, die Heckleuchten mit schillernder Kristalloptik. Diesel? Der Zweiliter (220d) liefert brav, subjektiv besser als der stärkere Benziner.
Ein weiteres Argument für den 333 PS starken V6 ist der Allradantrieb, den man in einem Ganzjahresauto schon gern unter sich weiß. Die famose Neungangautomatik hingegen ist bei allen Varianten dabei, wie auch (zumindest optional) sämtliche Assistenz- und Konnektivitätsposten. Coupe-´Gebot: Nur nicht ablenken lassen von den 1001 Möglichkeiten des Bordsystems – man könnte sonst ja in irgendeinem Auto sitzen.