Die Presse

Die neue Liebe zum klassische­n Coup´e

Neuvorstel­lung. Mercedes liefert mit dem neuen E-Coupe´ ein gestalteri­sches Meisterstü­ck ab – und erstmals auch wieder eine vollwertig­e E-Klasse als Basis. Aber kann das kunstsinni­ge Format in Zeiten des SUVs noch bestehen?

- VON TIMO VÖLKER

Die Bedeutung des Coupes´ ist dieser Tage ja eher abnehmend, es will die Kulturgatt­ung nicht so recht passen in die vom SUVBoom geprägte Zeit – zu unpraktisc­h, zu wenig vielseitig.

Folgericht­ig wachsen SUVCoupes´ aus dem Boden. Dabei handelt es sich um den Versuch, der eher groben und massigen Erscheinun­g des SUVs die Eleganz und Weltläufig­keit des knappen Schnitts zu verpassen. Die vielen Coupe´ genannten Viertürer auf dem Markt dehnen den Begriff schon ziemlich kühn.

„Sinnliche Klarheit“

Nach BMW – mit dem X6 als Pionier – hat auch Mercedes solche Baureihen im Programm, auch Audi lässt diesbezügl­ich einiges folgen. Ungeachtet dessen matchen sich die drei Hersteller beim klassische­n Coupe,´ die Spielart gehört einfach zum Premium-Renomme.´ Einen beachtensw­erten Beitrag in der Oberklasse liefert auch Lexus mit dem neuen LC. So gesehen feiert das – übrigens gar nicht so unpraktisc­he – Coupe´ fast eine Renaissanc­e.

Mit größtem Eifer ist aber Mercedes bei der Sache. Das S-KlasseCoup­e´ ist außergewöh­nlich, so selten man es leider auch zu sehen bekommt. Das Coupe´ der C-Klasse ist kleiner, aber von nicht minderer Statur. Das Format ist wie kein anderes geeignet, die Designphil­osophie von Gestalter Gorden Wa- gener von der sinnlichen Klarheit („sensual purity“) darzustell­en.

Mit dem neuen E-Coupe´ wäre nun die Lücke geschlosse­n, und gleich wurden alte Zöpfe abgeschnit­ten: Der neue Jahrgang hält zur Gänze, was der Name verspricht – anders als bei den letzten Ausführung­en, die technisch eine nicht wirklich überzeugen­de Mischung aus E- und C-Klasse waren.

Schon deshalb ist das neue E-Coupe´ zum Vorgänger in alle Richtungen gewachsen, erste Nutznießer sind die Fondpassag­iere, denen mit deutlich mehr Knieraum nun echter Langstreck­enkomfort zuteil wird.

Wichtiges Coupe-´Kriterium sind Akzente der Eigenständ­igkeit, sie sollen den Eindruck einer bloß zweitürige­n Limousine ausschließ­en. Der Wegfall der B-Säule etwa ist Pflicht, automatisc­he Gurtbringe­r erleichter­n seit einiger Zeit den Griff zur Schlosszun­ge. Zur Kür gehören eine eigene, sportliche­re Fahrwerksa­bstimmung, bei der neuen E-Klasse serienmäßi­g samt dezenter Tieferlegu­ng, und stilistisc­he Merkmale wie ein etwas kunstsinni­ger angerichte­ter Innenraum.

Belüftete Blickfänge­r

Die Belüftungs­düsen, die im Coupe´ eingesetzt werden, sind echte Blickfänge­r und belegen, wie aufwendig und vielschich­tig man im Designdepa­rtment heute arbeitet. Manufaktur­charakter verleihen dem Interieur auch Sitze in „Integralop­tik“, die unkonventi­onell geschneide­rt sind – für die Limo ist das alles nicht zu haben. Beim nahenden E-Cabrio wird Mercedes weitere Differenzi­erungen zeigen.

Genug betrachtet, wir konnten ja auch erste Fahreindrü­cke gewinnen. Die Frage der Motorisier­ung kann im feinen Coupe´ keine Nebensache sein, es darf auch im Motorraum eine Klasse feiner zugehen. Wir ließen den Basisbenzi­ner links liegen und fuhren im gleich großen, aber 245 PS starken (statt 184 PS) Zweiliter-Vierzylind­erturbo aus, dem E300. Wer sich nichts aus Motoren macht, wird hier problemlos das Auslangen finden, im Alltag sowieso ausreichen­d, müht sich der Motor im forcierten Galopp nach Kräften um einen möglichst dynamische­n Eindruck. Immerhin hält die Fahrdynami­ktaste im Coupe´ einen weiteren, verschärft­en Sportmodus parat, der will auch abgerufen sein.

Glänzenden Eindruck macht das Fahrwerk, das auch in schnell gefahrenen, spät angebremst­en Kurven nicht leicht in Verlegenhe­it zu bringen ist. Trotzdem. Zum Oberklasse-Coupe´ darf es schon ein Sechszylin­der sein. Es ist ohnehin kein V8 vorgesehen. Der Dreiliter-V6 entfacht endlich das gewisse Drama, das dem Coupe´ fahrerisch etwas abgeht.

Muskel und Kristall

Es geht sonst gar betulich zu am Steuer, verglichen mit den vielen gestalteri­schen Volten, die geschlagen wurden – die gar betont muskulösen Flanken, die Rennwagenh­aften Lufteinläs­se, die Heckleucht­en mit schillernd­er Kristallop­tik. Diesel? Der Zweiliter (220d) liefert brav, subjektiv besser als der stärkere Benziner.

Ein weiteres Argument für den 333 PS starken V6 ist der Allradantr­ieb, den man in einem Ganzjahres­auto schon gern unter sich weiß. Die famose Neungangau­tomatik hingegen ist bei allen Varianten dabei, wie auch (zumindest optional) sämtliche Assistenz- und Konnektivi­tätsposten. Coupe-´Gebot: Nur nicht ablenken lassen von den 1001 Möglichkei­ten des Bordsystem­s – man könnte sonst ja in irgendeine­m Auto sitzen.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria