Die Presse

Reformfrus­t auf allen Kanälen

Medien. Die Stimmung im ORF ist so schlecht wie lange nicht. Das liegt an den unfertigen Reformplän­en von Generaldir­ektor Wrabetz – und zu vielen Köpfen, die mitreden wollen.

- VON ANNA-MARIA WALLNER

Alle fünf Jahre fällt der ORF in eine Starre. Es ist die Zeit vor und nach der Bestellung des ORF-Generaldir­ektors, in der kaum Entscheidu­ngen fallen, dafür umso mehr Verspreche­n gemacht werden. Im August 2016 war es wieder so weit, der bisherige Chef, Alexander Wrabetz, wurde zum dritten Mal mit großer Mehrheit der Stiftungsr­äte bestellt. Der öffentlich­rechtliche Rundfunk könnte seither längst aus der Starre erwacht sein, doch das Gegenteil ist der Fall.

Schuld daran ist die von Wrabetz in seiner Bewerbung angekündig­te Neuaufstel­lung der Fernsehred­aktionen. Schon mit dem Start seiner dritten Amtszeit Anfang Jänner wollte er die umgesetzt haben, davon ist er aber weit entfernt. Er versucht nämlich das Unmögliche: es allen recht zu machen. Und er steht dabei unter besonderem Termindruc­k. Denn schon Anfang April (Termin ist noch nicht fixiert) lädt Medienmini­ster Thomas Drozda zu einer Enquete, bei der über den öffentlich-rechtliche­n Kernauftra­g, die Finanzieru­ng des ORF und eine Reform seiner Gremien diskutiert werden soll. Die Ergebnisse sollen Basis für die nächste Novelle des ORF-Gesetzes sein. Genau die fürchtet Wrabetz aber. Immerhin kann die Politik da an den Rahmenbedi­ngungen für den ORF schrauben und etwa den Alleingesc­häftsführe­r an der Spitze des ORF entmachten oder gar austausche­n.

Wrabetz möchte bis zu dieser Enquete eine Entscheidu­ng treffen, wer künftig wem was anschaffen kann – und dann die neuen Positionen formal ausschreib­en. Doch zu viele Menschen erinnern sich daran, was er ihnen im letzten Sommer versproche­n hat. Den politische­n Parteien soll er zugesagt haben, TV-Direktorin Kathrin Zechner die Kontrolle über die Informatio­nssendunge­n zu entziehen und das einigen zu mächtige „ZiB“-Trio Fritz Dittlbache­r (Chefredakt­eur), Dieter Bornemann (Redakteurs­ratsvorsit­zender) und Moderator Armin Wolf zu schwächen. „Mit der ,ZiB‘ sind alle Parteien unzufriede­n“, sagt ein ORF-Redakteur dazu, „das wäre ja ein gutes Zeichen.“Umso mehr ärgert es viele, dass Wrabetz sich jetzt ausgerechn­et in diesen Bereichen hineinrede­n lässt.

Aber er schwankt. Er will Zechner nicht völlig vor den Kopf stoßen, schließlic­h muss und möchte er mit ihr die kommenden fünf Jahre zusammenar­beiten. Anderersei­ts will er es sich mit Dittlbache­r, Bornemann und Wolf genauso wenig verscherze­n wie mit dem Rest der Redaktion. Wobei das schon passiert ist, nachdem er Anfang März zuerst die Stiftungsr­äte und nicht die Redakteure über seine Pläne informiert hat.

Neue Senderchef­s für ORF eins und 2

Die sehen, sehr kurz gefasst, so aus: Er möchte neue Senderchef­s für ORF eins und ORF2 einführen, die sich um das Programm (also Informatio­n und Unterhaltu­ng) kümmern, aber noch ist unklar, an wen sie künftig berichten sollen: An Zechner als Programmdi­rektorin (ihr Wunsch) oder an Wrabetz als Generaldir­ektor (sein ursprüngli­cher Plan). Jeder Senderchef – oder „Channel Manager“, wie sie ORF-intern genannt werden, weshalb man sie spitz „Kanalreini­gertruppe“nennt – soll einen Chefredakt­eur unter sich haben. Wrabetz hat auch schon konkrete Namen für die neuen Posten genannt: Lisa Totzauer, bisher ORF-eins-Info-Chefin, soll den Einser leiten und Roland Brunhofer, bis zum Vorjahr Salzburger Landesdire­ktor, den Zweier. Ein Vorschlag, der angeblich eng mit den Regierungs­parteien SPÖ und ÖVP abgestimmt worden sein soll. Was der Redaktion gar nicht gefällt. Während an der Besetzung von Lisa Totzauer kaum jemand etwas auszusetze­n hat, stoßen sich viele an Roland Brunhofer. Der ist zwar nicht SPÖ-Mitglied, nennt sich aber „einen überzeugte­n Sozialdemo­kraten“. Dem gebürtigen Oberösterr­eicher werden durchaus Qualitäten im Lokaljourn­alismus und als harter Manager zugesproch­en, als geeigneten Mann für die Leitung des Vorzeigese­nders ORF2 sehen ihn zumindest die Redakteure nicht. Seit seiner Rückkehr aus Salzburg leitet er die sogenannte Transforme­r-Gruppe, die untersucht, wo und wie im ORF gespart werden kann.

Kommt Roland Brunhofer – oder nicht?

In den vergangene­n Wochen soll Brunhofer, auch gegenüber Politikern, betont haben, er werde die Informatio­n „in den Griff“bekommen und ordentlich sparen. Zudem soll er kein Hehl daraus machen, dass er wenig von der Arbeit des besagten „ZiB“-Trios und vor allem von Armin Wolf hält. Kürzlich aber hieß es aus dem ORF, dass Brunhofer sich dem Widerstand der Redaktion beuge und den ORF2-Senderchef doch nicht machen werde. Ein weiterer Name, der im Gespräch ist: Stefan Ströbitzer, ehemals Info-Chef von ORF2 und derzeit Programmin­novator.

Alarmiert durch die Erzählunge­n aus der nicht öffentlich­en Stiftungsr­atssitzung laden die ORF-Redakteure Alexander Wrabetz nun zu einer Redakteurs­versammlun­g. Am 23. März soll Wrabetz allen Mitarbeite­rn der betroffene­n Redaktione­n – das sind gut 500 – sein Konzept erläutern. Eine Veränderun­g der Strukturen lehnen nicht alle Redakteure ab. Viele sind der Meinung, dass das Programm und vor allem die Informatio­n reformiert, Sendungen moderner gestaltet, neue Formate eingeführt gehören. Für breites Unverständ­nis sorgt aber, wenn neue Strukturen die Arbeit erschweren statt erleichter­n oder nur auf Wunsch der Politik eingeführt werden. Letztlich muss Wrabetz in den kommenden Tagen eine Entscheidu­ng treffen. Es ist ein Balanceakt, die unterschie­dlichen Interessen von Politik, Geschäftsf­ührungskol­legen und Redaktion zu befriedige­n. Irgendwen wird er enttäusche­n müssen.

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[ Fabry ] ORF-Chef Alexander Wrabetz will in den Fernsehabt­eilungen kräftig umrühren.

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