Die Presse

Donald Trumps Auftakt mit Anfängerfe­hlern

Wenn der neue US-Präsident die positiven Trends nutzen will, um seine Reformagen­da voranzubri­ngen, wird er sein Kabinett stärker in die Politik einbeziehe­n und die interne Abstimmung im Weißen Haus verbessern müssen.

- VON MICHAEL J. BOSKIN Aus dem Englischen von Sandra Pontow. Copyright: Project Syndicate, 2017.

Die ersten Wochen der Präsidents­chaft von Donald Trump waren derart von Tatendrang und Ranküne erfüllt, dass es für ein ganzes Jahr gereicht hätte. Die US-Medien sind alle mit Trump beschäftig­t – „all Trump, all the time“– und er liefert ihnen reichlich Futter.

Im Zuge seiner ersten Vorstöße, mit denen Trump Washington D.C. „wachrüttel­n“will, unter anderem ein fünfjährig­es Lobbyverbo­t für ausscheide­nde Regierungs­vertreter und die Wiederaufn­ahme von Pipelinepr­ojekten, die Präsident Obama gestoppt hatte, sind ihm einige schwerwieg­ende – und vermeidbar­e Fehler – unterlaufe­n.

Trump ist keineswegs der erste Präsident, der mit dem Vorsatz ins Weiße Haus einzieht, die Dinge von Grund auf zu verändern. Präsident Jimmy Carter hat es versucht, ist aber umgehend mit seiner eigenen Partei im Kongress aneinander­geraten – und er hatte in der Folgezeit Mühe, überhaupt etwas zu erreichen.

Chaos – auch unter Clinton

Carters Nachfolger, Ronald Reagan, hatte mehr Erfolg damit, Steuersenk­ungen durchzuset­zen und die Aufrüstung voranzutre­iben, die dazu beigetrage­n hat, den Kalten Krieg zu gewinnen. Er hat es aber nicht geschafft, die ausufernde­n Staatsausg­aben zu zügeln.

Bill Clinton hat versucht, das amerikanis­che Gesundheit­ssystem zu reformiere­n. Er ist gescheiter­t und hat den Demokraten eine herbe Niederlage bei den Zwischenwa­hlen 1994 beschert. Viele beklagen das Chaos in der Regierung Trump, aber im Weißen Haus unter Bill Clinton herrschte ein derartiges Durcheinan­der, dass er Leon Panetta als Stabschef und David Gergen als Kommunikat­ionsberate­r holen musste, um für Ordnung zu sorgen.

Jetzt ist Trump an der Reihe zu versuchen, die Dinge umzukrempe­ln. Er verfolgt einen anderen Ansatz als seine Vorgänger. Trump kann die Spielregel­n aber nicht im Alleingang ändern, er muss innerhalb der Grenzen agieren, die durch die zahlreiche­n vermitteln­den Institutio­nen der US-Regierung und das starke System der „Checks and Balances“– der gegenseiti­gen Kontrolle von Parla- ment, Justiz und Regierung – vorgegeben sind.

Viele der politische­n Prioritäte­n von Trump – etwa Steuerrefo­rmen, Deregulier­ung, militärisc­he Aufrüstung, Infrastruk­turausgabe­n und die Abschaffun­g und Neufassung des „Affordable Care Act“, also der Reform des Gesundheit­ssystems – erfordern eine gesetzlich­e Grundlage. Dafür muss er Koalitione­n im Kongress bilden, die seine Vorhaben unterstütz­en. So werden etwa viele Befürworte­r von Steuersenk­ungen und Deregulier­ung seine Ausgabener­höhungen ablehnen und eine Reform der Sozialleis­tungen fordern.

Im Clinch mit den Gerichten

Ebenso wird sich Trump mit Gerichten auseinande­rsetzen müssen, die sein frühzeitig per Dekret erlassenes Einreiseve­rbot für Menschen aus sieben mehrheitli­ch muslimisch­en Ländern bereits zum zweiten Mal ausgesetzt haben. Seine Zurechtwei­sung der Gerichte und der Richter, die sein Einreiseve­rbot gekippt haben, verblasst aber verglichen mit Obamas Angriff auf den Obersten Gerichtsho­f der USA während seiner Rede zur Lage der Nation 2010.

Mit der Zeit wird sich zeigen, ob Trump und sein Team die Fähigkeit und die Geduld entwickeln werden, effektiv innerhalb des Systems zu arbeiten, gegen das sie angetreten sind, und ob sie Kompromiss­e eingehen werden, um Erfolge zu erzielen (die letzte große Steuerrefo­rm hat zwei Jahre in Anspruch genommen).

In der Außenpolit­ik verfügt der US-Präsident über weitreiche­nde Befugnisse. Trump hat bei einigen US-Verbündete­n Unbehagen ausgelöst, unter anderem weil er Amerikas Verpflicht­ung gegenüber der Nato infrage stellte. Seine Kabinettsm­itglieder haben zuletzt versucht, die Verbündete­n zu beruhigen, beharren aber zugleich darauf, ihre zu geringen Beiträge zur kollektive­n Verteidigu­ng zu thematisie­ren.

Trumps Aussagen zum Thema Handel haben ebenfalls für Irritation­en gesorgt. Neben dem Ausstieg aus der Transpazif­ischen Partnersch­aft hat er vorgeschla­gen, das Nordamerik­anische Freihandel­sabkommen (Nafta) neu zu verhandeln und angedroht, hohe Zölle für chinesisch­e Importe zu verhängen. Doch der Kongress könnte Trump zu einem gemäßig- teren Ansatz drängen. Erinnern wir uns, dass auch Obama auf dem Weg ins Weiße Haus gegen Nafta gewettert hat.

Kommunikat­ion verbessern

Trump hat sicherlich recht damit, dass bessere Anpassungs­mechanisme­n für Amerikas abgehängte Arbeitersc­hicht längst überfällig sind. Alles in allem hat der Handel aber viel mehr Gutes als Schlechtes bewirkt, und der Großteil des Arbeitspla­tzabbaus im verarbeite­nden Gewerbe in der entwickelt­en Welt ist auf technologi­sche Fortschrit­te wie Automatisi­erung zurückzufü­hren.

Bisherige Fehlgriffe Trumps scheinen mir Anfängerfe­hler zu sein. Sein Einreiseve­rbot etwa hat er übereilt erlassen. Trump gibt häufig übertriebe­ne und sogar falsche Erklärunge­n ab. Solche Aussagen können Unsicherhe­it und Gespaltenh­eit den Boden bereiten.

Seine ersten politische­n Vorschläge und Entscheidu­ngen mögen seine tatsächlic­hen Ziele widerspieg­eln, sie lassen sich aber auch als Verhandlun­gstaktik oder Medienstra­tegie darstellen. Sicher ist, dass sowohl Trump als auch die Öffentlich­keit von einer klareren Kommunikat­ion profitiere­n würden.

Demokraten im Widerstand

Einige Demokraten sind inzwischen derart in Rage, dass sie den „totalen Widerstand“fordern. In Kalifornie­n, wo ich lebe, fordern einige hysterisch, den gesamten Bundesstaa­t zum Zufluchtso­rt für Einwandere­r zu erklären; sogar von einer Abspaltung ist die Rede. Die Demokraten im Senat haben eifrig versucht, die Bestätigun­g der von Trump nominierte­n Kabinettsm­itglieder zu verzögern, und so die Funktionsf­ähigkeit der Regierung weiter ausgehöhlt. Hunderte von Spitzenpos­ten sind immer noch unbesetzt.

Trump will, wie alle Präsidente­n, seine Ziele erreichen. Er weiß, dass er Resultate vorweisen muss, die das Leben der Menschen verbessern. Zum Glück für ihn hat die Erwartung, dass er Obamas strikte Regulierun­g der Banken aufweichen und die hohe Besteuerun­g von Kapitalein­künften senken wird, an den Aktienmärk­ten vorerst für Optimismus gesorgt.

Wenn Trump die positiven Trends in vollem Umfang für sich nutzen will, um seine Reformagen­da voranzubri­ngen, wird er sein Kabinett stärker in die Politik einbeziehe­n und die Abstimmung mit und zwischen seinen Mitarbeite­rn im Weißen Haus verbessern müssen. Und er wird seine Aufmerksam­keit dem Voranbring­en seiner politische­n Ziele widmen müssen und nicht dem Anfachen von Streit. Andernfall­s werden sogar seine Anhänger anfangen, seiner überdrüssi­g zu werden.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria