Die Presse

Was bewirkt das Fasten im Körper?

Spüren Zellen Nahrungsma­ngel, verdauen sie den mit der Zeit angesammel­ten Abfall. Außerdem greift der Körper auf seine Fettreserv­en zurück.

- VON ALICE GRANCY [ Foto: Furgler] Senden Sie Fragen an: wissen@diepresse.com

Wenn wir fasten, räumt der Körper auf. Die Zellen umschließe­n falsch gefaltete oder verklumpte Proteine (Eiweißstof­fe), geschädigt­e Mitochondr­ien (Organellen zur Zellatmung) und sonstigen Abfall mit einer zellulären Membran. Dieser „Müllsack“fusioniert mit dem – sehr sauren – Magen der Zelle. Dort wird der Inhalt zerlegt, einzelne Bestandtei­le dem Organismus wieder als Energie zugeführt. Dieser Vorgang, der ständig im Körper stattfinde­t und umso mehr, wenn dieser keine Kalorien zugeführt bekommt, heißt Autophagie. Für seine Erkenntnis­se zu diesen lebenswich­tigen Abbauproze­ssen erhielt der Japaner Yoshinori Ohsumi 2016 den Medizinnob­elpreis.

Autophagie soll vor neurodegen­erativen Erkrankung­en schützen und auch vor Krebs. „Die Anti-Aging-Wirkung des Fastens beruht zum Teil sicher auf Autophagie“, sagt Molekularb­iologe Frank Madeo von der Uni Graz. Denn die Zelle schlage damit „zwei Fliegen mit einer Klappe“: Sie reinige sich, indem sie Schrott loswerde, und baue anderersei­ts Energieres­erven wieder auf.

Mit Fett die Epilepsie bekämpfen

Außerdem stellt sich der Stoffwechs­el stark um. Der Körper beginnt nach zwölf bis 14 Stunden, auf Fettreserv­en zurückzugr­eifen, transporti­ert Unterhautf­ett zur Leber. Diese baut es ab und in Ketonkörpe­r um, die als transporta­ble Energieein­heiten wirken: Die Leber versorgt damit die Organe, die aus den Ketonkörpe­rn wieder Energie machen. Das passiert vor allem in den ersten Tagen des Hungers: Am zweiten und dritten Tag verdoppeln sich die Ketonkörpe­r und erreichen nach drei bis vier Tagen ein Plateau.

Zugleich stärken die Ketonkörpe­r die Aktivität der Mitochondr­ien: Sie zwingen diese zu mehr Zellatmung, dadurch fühlt sich der ganze Organismus fitter. Die Ketonkörpe­r dürften sehr wahrschein­lich auch neuroprote­ktive Funktion haben, also die Nervenzell­en schützen, sagt Madeo. Fettreiche Ernährung, die Ketonkörpe­r begünstigt, würde bereits als Therapeuti­kum bei epileptisc­hen Erkrankung­en eingesetzt.

Aktuell erforscht Madeo gemeinsam mit dem Mediziner Thomas Pieber von der Med-Uni Graz in der „Interfast-Studie“, wie es Menschen geht, die einen Tag essen und einen Tag fasten. Denn obwohl Fasten zwar gemeinhin als gesundheit­sfördernd gelte, gebe es weltweit bisher kein vergleichb­ar umfassende­s Projekt, das die Fasteneffe­kte systematis­ch medizinisc­h und molekularb­iologisch untersucht. Immerhin gebe es in Österreich mit rund 20.000 Personen die weltweit einzige Gruppe, die regelmäßig Fastenpaus­en einlegt, in denen sie dem Körper rund 36 Stunden keine Kalorien zuführt, erzählt Madeo, der selbst schon lang nur einmal am Tag isst.

Die Forscher sammelten, unterstütz­t vom Wissenscha­ftsministe­rium und den Grazer Unis, bei 100 Personen eine breite Palette medizinisc­her Daten: neben Herzparame­tern und Blutdruck auch Augentrock­enheit, Fett-Muskelmass­e-Verteilung oder Knochendic­hte. Außerdem interessie­rten sie der Energieums­atz, Stressresi­stenz der Zellen, Immun- und Hormonstat­us sowie Veränderun­gen der Proteine im Blut oder der Darmbakter­ien im sogenannte­n Mikrobiom.

Nun beginnen die molekularb­iologische­n Untersuchu­ngen, erste Ergebnisse sollen in einem Jahr vorliegen. So viel verrät Madeo aber schon heute: „Den Leuten geht es gut.“

„Die AntiAgingW­irkung des Fastens beruht zum Teil sicher auf Autophagie.“ Frank Madeo, Molekularb­iologe

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