Die Presse

Fauler Apfel. Eine Wienerin schildert ihre Erlebnisse als Apple-Mitarbeite­rin. ..............

Undercover. Nicht immer sind die, von denen man es erwartet, auch wirklich die besten Arbeitgebe­r. Die Wienerin Daniela Kickl schrieb ihre Erlebnisse im irischen Servicecen­ter von Apple in einem – naturgemäß subjektive­n – Tagebuch nieder.

- VON ANDREA LEHKY

Stay hungry, stay foolish!“Steve Jobs berühmte Abschiedsr­ede aus dem Jahr 2005 inspiriert bis heute. So auch die Wiener SAP-Beraterin Daniela Kickl. Sie mochte Jobs und die kreative Genialität seiner Produkte. Grund genug, sich für das Apple Servicecen­ter im irischen Hollyhill zu bewerben und samt Familie dorthin zu übersiedel­n.

Ihre Erlebnisse ab Mitte 2014 schrieb sie sich im heute erscheinen­den Buch „Apple intern“von der Seele. Wie wenig von ihrem Enthusiasm­us übrig ist, lässt die interne Bezeichnun­g für Hollyhill erahnen: „Hollyhell“.

Ernüchteru­ng

Mit ihrer Vorerfahru­ng sah sich Kickl als Managerin, als Projektlei­terin oder Programmie­rerin. Umso enttäuscht­er war sie, der untersten Ebene der Telefonber­ater („technical advisors“) für iPhones und iOSGeräte zugeteilt zu werden. Die Einschulun­g: straff und wohlorgani­siert. „Es gibt Arbeit, und es gibt dein Lebenswerk“, priesen die Instruktor­en. Die Neulinge waren beeindruck­t.

Anfangs saßen je 200 Berater in wabenartig­en Einheiten („cubicals“) zusammen. Freunde durften nicht nebeneinan­der arbeiten, das war „nicht vorgesehen“. Ebenso wenig wie von Platz zu Platz zu gehen, was sich auf der Waage bemerkbar machte: Alle legten rasch Gewicht zu. Für Toilettenp­ausen standen exakt acht Minuten pro Tag zur Verfügung. Die beste Lösung: einfach weniger trinken.

Die Arbeit selbst war ein rigides System von Vorgaben und Regeln. Jede (auch unverschul­dete oder kundenbedi­ngte) Abweichung hatte einen sofortigen „incident“, einen Vermerk in der Personalak­te, zur Folge. Den bekam man schon, wenn man eine Mail mit „Herzliche Grüße aus Irland“anstelle der verlangten „Mit freundlich­en Grüßen“enden ließ.

Die Neulinge erkannten rasch, dass ihre Senior Manager sie rund um die Uhr überwachte­n. Nur die Kennzahlen zählten, die sie in mannigfalt­igen Meetings präsentier­t bekamen. Wie die Zahlen zustande kamen, blieb ein wohlgehüte­tes Geheimnis. Kickl, die bald als aufmüpfig galt, hat wenige freundlich­e Worte für die Seniors übrig. Sie bezeichnet sie als „mikromanag­ende Komparsen, keine Führungskr­äfte“.

Den Ausgleich für die menschenve­rachtende Umgebung holten sich die Telefonber­ater untereinan­der: Sie umarmten, drückten und streichelt­en einander bei jeder Gelegenhei­t. Nach ein paar Monaten transferie­rte das Management die Wienerin ungefragt in eine andere Abteilung. Die Aufgabe war schwierige­rer und verantwort­ungsvoller­er. Mehr Geld gab es nicht. Begründung: „Business needs.“

Parallel wurden die Waben abgeschaff­t und zur „chicken factory“umgebaut: pro Block 500 Mitarbeite­r eng zusammenge­pfercht, hinter einer Trennwand die nächste 500er-Einheit. Immer wieder „verschwand­en“einzelne der insge- samt 5000 Telefonber­ater. Die Selbstmord­rate in „Hollyhell“sei sechsmal so hoch wie jene in gesamt Irland, schreibt Kickl: „Wenn ein Chicken von der Stange fällt, ersetzen sie es einfach.“Am liebsten durch Roboter, „wenn es ihnen nur gelänge, sie zu programmie­ren“.

Zusammenbr­uch

Obwohl sie aufgeforde­rt wurde, sich als Back-up ihres Teammanage­rs zu bewerben, bekam sie die Stelle nicht: Zu nachdrückl­ich hatte sie um Urlaub für die Weihnachts­aufführung ihres Sohnes ersucht. Als sie auch an sich die ersten Burnout-Symptome feststellt­e, schrieb sie ein Konzept, in das sie viele Verbesseru­ngen packte. Sie schickte es allen Managern bis hinauf zu CEO Tim Cook. Wenig überrasche­nd bekam sie eine Absage.

Im Juni 2015 zeigte eine Mitarbeite­rumfrage desaströse Ergebnisse: ein Jahr durchschni­ttliche Bleibedaue­r, weniger als 30 Prozent Zufriedenh­eit. Als Konsequenz wurde das Management getauscht – das System aber blieb unveränder­t.

Neo-Autorin Kickl hatte vergangene Woche ihren letzten Arbeitstag bei Apple. An den Mythos glaubt sie nicht mehr. „Wir meinten, mit den Geräten auch Kreativitä­t und Erfinderge­ist zu kaufen“, schließt sie ihr Tagebuch. Das sei ein Irrtum: Es zählten nur Zahlen, Zahlen und nochmals Zahlen.

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[ Pixabay ] Nur die Zahlen zählen: Der interne Name für das Apple-Servicecen­ter in Hollyhill ist Hollyhell.
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