Die Presse

Jarosław allein zu Hause: Wie sich Polen in die Isolation manövriert

Die jetzige Regierung in Warschau entfernt sich immer weiter von den bisherigen außenpolit­ischen Leitlinien.

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B eata, Jarosław und Witold allein zu Hause: Seit einer Woche steht Polen in Europa ziemlich einsam da. Der Versuch, beim EU-Gipfel die Verlängeru­ng von Donald Tusk als EU-Ratspräsid­ent zu verhindern, endete in einer Blamage für die rechtsnati­onale Regierung in Warschau, Tusk wurde mit 27 gegen eine (polnische) Stimme wiedergewä­hlt. Und Dalia Grybauskai­te,˙ die Präsidenti­n von Polens östlichem Nachbarn Litauen, sprach aus, was die anderen 26 Staats- und Regierungs­chefs dachten: „Wir wollen uns doch nicht zur Geisel der polnischen Innenpolit­ik machen lassen.“

Besonders peinlich für Polens starken Mann Jarosław Kaczyn´ski: Selbst sein „best friend“in Europa, Ungarns Premier Viktor Orban,´ votierte für die Verlängeru­ng von Tusk, ebenso wie die Regierungs­chefs der Visegrad-´Partner Tschechien und Slowakei. Das zeigt auch: Die jetzige Regierung in Warschau ist offenbar dabei, einige der wichtigen seit 1989 verfolgten außenpolit­ischen Leitlinien Polens zu verlassen, und gerät so in die Isolation. Wurde früher die polnische Expertise in ost- und mitteleuro­päischen Fragen weithin hochgeschä­tzt, erntet die jetzige Warschauer Diplomatie eher verlegenes Räuspern, Kopfschütt­eln oder Hüstelhüst­el.

Die ostpolitis­che Doktrin der guten Nachbarsch­aft mit Litauen, Weißrussla­nd und der Ukraine wird ersetzt durch Forcierung des Polentums. Das kommt bei diesen Nachbarn mit polnischen Minderheit­en nicht so gut an. In der Märzausgab­e der Fachzeitsc­hrift „Internatio­nale Politik“beschreibt der slowakisch­e Experte Milan Nicˇ auch die vielen Bruchstell­en innerhalb der Visegrad-´4. Seiner Analyse zufolge stehen Tschechen und Slowaken der „konservati­ven Konterrevo­lution“, wie sie in Ungarn und Polen propagiert wird, skeptisch gegenüber, genauso wie der germanopho­ben Außenpolit­ik Warschaus. Alte historisch­e Ressentime­nts zwischen Slowaken und Ungarn wie auch zwischen Tschechen und Polen werden durch nationalis­tische Parolen erneut angefacht. Dazu kommt die Haltung zu Putins Russland, die selbst zwischen Kaczyn´ski und Orban,´ die in vielen Fragen an einem Strang ziehen, völlig konträr ist.

Möglicherw­eise funktionie­rt die Zusammenar­beit der vier zentraleur­opäischen Länder in manchen Bereichen auch weiterhin ganz gut. In den großen außenpolit­ischen Fragen aber driftet Visegrad´ immer weiter auseinande­r, die Ablehnung von Flüchtling­en einmal ausgenomme­n. Dabei wäre die enge Zusammenar­beit gut für die vier, gut für Mitteleuro­pa und gut für die ganze EU. I n der jüngsten Ausgabe von „ Osteuropa“beklagt auch der anerkannte polnische Soziologe Aleksander Smolar: „Die Regierung Kaczyn´ski ist ein provinziel­les Regime, das sich von Europa abwendet, nach dem sich die Polen seit Jahrhunder­ten gesehnt haben.“Und: „Die Polen mögen und akzeptiere­n die Welt und Europa – Kaczyn´ski ist es, der sie nicht kennt und nicht mag.“

Noch eine kleine Werbung in eigener Sache: Sechs Ausgaben hat es bisher vom historisch­en Magazin „Die Presse. Geschichte“gegeben. Haushistor­iker Günther Haller, der zum neuen Heft über Maria Theresia alle Texte beigesteue­rt hat, sagt, es sei das bisher beste dieser Reihe. Und wenn er das sagt, wiegt das schwer, denn Haller ist in der „Presse“die Inkarnatio­n des zurückhalt­enden und bescheiden­en Kollegen. Was besonders gefällt: Haller leuchtet nicht nur den Glanz dieser Kaiserin aus, sondern beschreibt etwa auch das Elend hinter diesem Glanz – und leistet so einen Beitrag zur notwendige­n Entmystifi­zierung historisch­er Lichtgesta­lten.

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VON BURKHARD BISCHOF

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