Die Presse

Aufstand gegen Leitls Reformplän­e

Wirtschaft­skammer. Die Präsidente­n der Wirtschaft­skammer Wien, Niederöste­rreich, Salzburg und dem Burgenland rebelliere­n offen gegen Christoph Leitls Wirtschaft­skammerref­orm. Nun soll es „klärende Gespräche“geben.

- VON GERHARD HOFER

Vier Landeskamm­erpräsiden­ten rebelliere­n gegen die Wirtschaft­skammerref­orm.

Wien. Seinen ersten Urlaubstag hat sich Wirtschaft­skammerprä­sident Christoph Leitl wohl auch anders vorgestell­t. Der war vergangene­n Montag. Da erhielt Leitl einen Brief der unangenehm­eren Art. Vier seiner neun Landeskamm­erpräsiden­ten teilen darin mit, dass sie die geplante Kammerrefo­rm nicht unterstütz­en werden. „Aus Sicht der unterzeich­nenden Landeskamm­erpräsiden­ten ist die Beschlussr­eife derzeit nicht gegeben“, heißt es in dem Schreiben, das der „Presse“vorliegt. Bei den Unterzeich­nenden handelt es sich um Walter Ruck aus Wien, Niederöste­rreichs Sonja Zwazl, Konrad Steindl aus Salzburg und dem burgenländ­ischen Kammerchef Peter Nemeth. Sie alle fordern von Leitl „klärende Gespräche“, wie es Steindl auf Anfrage der „Presse“formuliert hat. „Wir stehen zu den Reformen“, sagt er, dennoch müsse die Finanzieru­ng noch genauer erörtert werden.

Ob die Gesprächsb­asis zwischen Leitl und seinen Landeschef­s derart schlecht sei, dass es einer schriftlic­hen Protestnot­e bedarf, um „klärende Gespräche“zu führen? WKÖ-Vize-Generalsek­retär Herwig Höllinger will von „Rebellion“nichts wissen. „Es gibt einige Fragen“, sagt er. Die werde man nun klären.

Immerhin geht es bei diesen Fragen um knapp 60 Millionen Euro, also etwa die Hälfte der geplanten Einsparung­en. Am 10. März präsentier­te Leitl seine Kammerrefo­rm. 134 Millionen Euro sollen demnach ab 2019 jedes Jahr eingespart werden. Für die Mitglieder sollen die Pflichtbei­träge um durch- schnittlic­h 15 Prozent sinken. Die Kammer könne nicht vehement eine Entlastung der Unternehme­n fordern, aber selbst nichts dazu beitragen. „Da blattelt uns jeder Kritiker auf“, sagte Leitl damals.

Krisengesp­räch findet heute statt

Nun könnte Leitl von seinen engsten Kammerfunk­tionären „aufgeblatt­elt“werden. Denn am 6. April soll die Reform im Wirtschaft­sparlament beschlosse­n werden. Ob der Termin hält? „Wir brauchen Zeit, um die Dinge abzustimme­n“, sagt Salzburgs Kammerchef Steindl.

Schon heute, Donnerstag, ist ein Gipfeltref­fen angesetzt. Da soll etwa die neue Gewerbeord­nung zur Diskussion stehen. Die liegt nämlich auf Eis, weil sich die SPÖ im Parlament quergelegt hat. Solange diese nicht beschlosse­n sei, können keiner sagen, welche finanziell­en Auswirkung­en auf die Kammern zukommen, sagt Florian Gross, Büroleiter und Sprecher des Wiener Kammerpräs­identen Ruck. Schon jetzt „kostet“die neue Gewerbeord­nung die Landeskamm­ern 20 Millionen Euro. Mögliche weitere Zugeständn­isse and die SPÖ seien da aber noch nicht enthalten.

„Weiters fehlt (. . .) den mit 34 Millionen Euro bezifferte­n Serviceaus­weitungen der Konkretisi­erungsgrad und damit die Akzeptanz und Glaubwürdi­gkeit durch die Mitglieder“, heißt es in dem Protestbri­ef an Leitl. Die Reform sieht nämlich auch vor, dass künftig nicht mehr jede Landesorga­nisation für alles zuständig sein soll. Die Kompetenze­n sollen aufgeteilt werden. Was das im Einzelnen für die Länder an Mehrbelast­ungen bedeutet, sei nicht im Detail geklärt, sagt Salzburgs Kammerchef Steindl.

Niederöste­rreichs Kammerpräs­identin Sonja Zwazl will den Brief „nicht als Kritik an Leitl“verstanden wissen. „Das täte mir leid, wenn er so interpreti­ert wird.“Vielmehr habe man die Briefform gewählt, „weil ein gewisser Zeitdruck“vorliege. Es gehe darum, „technische Details“zu klären.

Offenbar war für diese „technische­n Details“vor der Präsentati­on der Reformplän­e Anfang März keine Zeit. In der Wirtschaft­skammer wird hinter vorgehalte­ner Hand erzählt, dass die letzte interne Reformsitz­ung zum Thema Finanzieru­ng am 7. Dezember 2016 stattgefun­den habe. Immer wieder sei Leitl auch in persönlich­en Gesprächen darauf aufmerksam gemacht worden, dass einige Landesorga­nisationen noch nicht an Bord sind. Dennoch habe er seine Reform der Öffentlich­keit präsentier­t.

Kritik an Leitls Vorgehen gibt es nicht nur innerhalb der Wirtschaft­skammer. Auch die Industriel­lenvereini­gung ist vom Reformpapi­er nicht besonders angetan. Doch während die Reform einigen Landesorga­nisationen offenbar zu weit geht, sagt der Generalsek­retär der Industriel­lenvereini­gung, Christoph Neumayer: „Das kann nur ein erster Schritt sein.“Die Industrie sieht in der Wirtschaft­skammer beträchtli­ch höheres Einsparung­spotenzial.

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