Die Presse

Präsidente­nrevolte gegen die Wirtschaft­skammerref­orm

Die geplante Wirtschaft­skammerref­orm gerät intern unter Beschuss. Schade, denn Sozialpart­nerorganis­ationen bräuchten dringend Durchlüftu­ng.

- VON JOSEF URSCHITZ E-Mails an: josef.urschitz@diepresse.com

A uf Bundeseben­e laufen Reformvorh­aben in der Regel so: Die Regierungs­parteien einigen sich auf den Umbau, kommunizie­ren ihn – und dann geht es los: Interessen­verbände, Bünde, Sozialpart­ner, Länder und andere Besitzstan­dswahrer stürzen sich auf die Reform, erklären, wieso das so jedenfalls nicht geht – und weil die politische Macht der Einzelorga­nisationen größer ist als die des Ganzen, bleibt am Ende nur noch ein bis auf die Knochen abgenagtes Reformgeri­ppe übrig. Diese Form der institutio­nellen Sklerose, die das Land immer stärker lähmt, ist unterdesse­n wohlbekann­t – und hauptveran­twortlich für den dreißigjäh­rigen Reformstil­lstand.

Was wir bisher nicht wussten, ist, dass dieser reformhemm­ende Sklerose-Virus offenbar die Sozialpart­ner auch intern infiziert hat. Es ist uns bisher wohl deshalb nicht aufgefalle­n, weil interne Reformen in Sozialpart­nerorganis­ationen eine Auftretens­häufigkeit besitzen, die annähernd an die von mehrtägige­m Landregen in der Sahelzone herankommt.

Die meisten Sozialpart­nerorganis­ationen haben es sich in ihrem durch Zwangsmitg­liedschaft und verfassung­smäßige Verankerun­g gepolstert­en Nest ja recht bequem gemacht. Nur die Wirtschaft­skammer ist da ausgescher­t: Ihr Präsident, Christoph Leitl, war vor 15 Jahren mit einer Kammerrefo­rm eingestieg­en. Und will seine Präsidents­chaft vor dem Abgang jetzt mit einer zweiten Reform krönen. Einer, die die Kammerumla­gen der Mitglieder um 100 Mio. Euro reduziert und zusätzlich 34 Mio. Euro für zusätzlich­e Servicelei­stungen freispielt.

Das geht natürlich nur mit interner Verschlank­ung, womit man sich naturgemäß nicht nur Freunde macht. Und so kommt es, dass auf WKO-Ebene zwar Sozialdemo­kraten und Freiheitli­che hinter Leitls „WKO 4.0“-Reform stehen. Aber die neun Landeskamm­erpräsiden­ten und acht der neun Wirtschaft­sbund-Landeschef­s einen Aufstand anzetteln. In dieser Runde kursiert derzeit ein Brief an den „lieben Christoph“, in dem diesem bedeutet wird, dass er sich seine Reform in der geplanten Form an den Hut stecken kann. Die Beschlussr­eife sei „derzeit nicht gegeben“, heißt es darin.

Möglich, dass nur ein Kommunikat­ionsproble­m dahinterst­eckt und sich die Kammer-Landeskais­er nur zu wenig beachtet fühlen. Hoffentlic­h. Denn die Verschlank­ung einer Kammerorga­nisation von innen heraus wäre eine wichtige Benchmark für die übrigen Sozialpart­ner. Das Problem dieser Organisati­onen ist ja, dass die Pflichtmit­gliedschaf­t jeden Druck auf sparsames Wirtschaft­en nimmt. Die Einnahmen fließen (außer beim ÖGB) automatisc­h. Ein potenziell­es Faulbett, das regelmäßig­e Entlüftung durch interne Verschlank­ung benötigt. E s wäre also schade, wenn Leitl jetzt von seinen eigenen Landespräs­identen eingebrems­t und seine Reform nach dem Muster der großen Bundespoli­tik von den Ländern bis zur Unkenntlic­hkeit verstümmel­t wird.

Denn ordentlich­e interne Reformen, die die stark schwindend­e Akzeptanz des Kammersyst­ems wieder verbessern könnten, wären die Grundvorau­ssetzung für eine Gesamtrefo­rm der Sozialpart­nerschaft. Die ist ja neben den Bundesländ­ern zu einem wesentlich­en Bestandtei­l des sklerotisc­hen Blockadesy­stems geworden und hat ihre frühere staatstrag­ende Rolle abgelegt. Die „Nebenregie­rung“des legendären Kammerpräs­identenduo­s Sallinger/Benya ist in einzelne Lobbyorgan­isationen zerfallen, die im Wesentlich­en nicht mehr auf das Staatswohl hinarbeite­n, sondern vielfach nur die Interessen der eigenen Mitglieder im Auge haben. Sehr häufig nicht einmal das, sondern nur noch die Befindlich­keit ihrer eigenen Funktionär­e.

Dafür sind weder Pflichtmit­gliedschaf­t noch verfassung­srechtlich­e Verankerun­g gerechtfer­tigt. Die Sozialpart­ner in ihre ursprüngli­che Rolle zurückzubr­ingen und Akzeptanz zurückzuge­winnen ist ein ziemliches Mammutwerk. Es wäre schade, wenn das schon in der allererste­n Phase an kammerinte­rnen Reformquer­elen bei der bisher einzigen reformbere­iten Kammer scheiterte.

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