Die Presse

Ex-Leibwächte­r will zurück an die Macht

Bulgarien. Zwei Mal scheiterte er als Premier. Nach der Wahl am Sonntag dürfte Bojko Borissow beim Koalitions­poker aber das beste Blatt haben.

- Von unserem Korrespond­enten THOMAS ROSER

Chaskowo. Unter vergoldete­m Gipsstuck mimt Bulgariens einstiger Heilsbring­er den pragmatisc­hen Bürgervate­r. Lässig auf das Rednerpult im Theater von Chaskowo gelehnt warnt der wuchtige Ex-Premier Bojko Borissow unter schweren Samtvorhän­gen seine rund 200 Zuhörer eindringli­ch vor den „törichten Verspreche­n“der sozialisti­schen BSP. Seine konservati­ve Partei Gerb habe aus den Fehlern der Vergangenh­eit gelernt, und stehe „fest auf dem Boden“, versichert der frühere Leibwächte­r: „Dem Populismus unserer Gegner sind hingegen keine Grenzen gesetzt: Mit ihnen würde Bulgarien der erneute Absturz drohen.“

Zum dritten Mal in vier Jahren müssen sich die Bulgaren am Sonntag vorzeitig zu den Wahlurnen aufmachen, um die – einschließ­lich mehrerer Übergangsk­abinette – siebte Regierung seit 2013 zu küren. Umfra- gen prophezeie­n ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen den Großpartei­en Gerb und BSP, die mit einem prognostiz­ierten Stimmenant­eil von jeweils 30 bis 32 Prozent der Stimmen für eine Koalition auf mindestens zwei weitere Partner angewiesen sein dürften.

Nicht nur die Flüchtling­skrise und fragwürdig­e Wahlkampf-Interventi­onen Anka- ras überschatt­en den von patriotisc­hen Tönen geprägten Stimmenstr­eit: Auch die EUSanktion­en gegen Russland sorgen im Wahlkampf für anhaltende­n Wellenschl­ag.

Selbst lästige Fragen bringen Borissow bei seinem Auftritt in Chaskowo nicht aus dem Konzept. Er habe sich als Premier in der Ukraine-Krise in der EU am entschiede­nsten gegen die Verhängung der Sanktionen gegen Russland eingesetzt, beteuert er. Doch ein Ausscheren aus der Sanktionsf­ront würde das Land noch teurer zu stehen kommen als deren kostspieli­ge Folgen: „Wir würden ein Vielfaches an EU-Fördermitt­eln verlieren.“

Glanz des „Sheriffste­rns“ist verblasst

Zu Beginn seiner steilen Karriere setzte er noch auf markig populistis­che Töne. Als selbsterna­nnter Saubermann und Sheriff der Nation war dem früheren Karate-Coach 2005 die Kür zum Bürgermeis­ter von Sofia und 2009 die erstmalige Wahl zum Regierungs­chef geglückt.

Doch der einstige Glanz seines „Sheriffste­rns“ist nicht nur wegen seiner kargen Erfolgsbil­anz in dem von ihm vollmundig verkündete­n Feldzug gegen die Korruption verblasst. Auch zehn Jahre nach dem Beitritt zu Europas Wohlstands­bündnis dümpelt Bulgarien in der EU noch immer am Ende fast aller Sozialstat­istiken. Zwei Mal ist der Hobby-Kicker bei einer Regierungs­mission bereits vorzeitig gescheiter­t. 2013 gab er nach wütenden Protesten gegen geplante Strompreis­erhöhungen auf. Im November kündigte er nach der kläglich Schlappe der von ihm gekürten Gerb-Kandidatin Zezka Zatschewa bei den Präsidente­nwahlen erneut seinen verfrühten Abtritt an.

Doch obwohl die BSP unter Führung der neuen Parteichef­in Kornelija Ninewa ihren Stimmenant­eil vermutlich verdoppeln kann, scheinen Abgesänge auf die Ära Bojko verfrüht: Beim zu erwartende­n Koalitions­poker könnte erneut Borissow das beste Blatt in der Hand halten.

Auf der Suche nach „starker Führung“

Auch nach der Wahl werde Borissow die „dominieren­de Figur“auf Bulgariens Politparke­tt bleiben, glaubt der Analyst Stojtscho Stojtschew in Sofia. In einer Gesellscha­ft, in der eine starke Führung mehr zähle als starke Institutio­nen, sei der Ex-Premier noch immer „der mit Abstand populärste Politiker“, sagt Stojtschew.

Bei der Regierungs­bildung verfüge Borissows Partei Gerb zudem über ein „größeres Koalitions­potenzial“als die BSP, meint der Analyst. Am wahrschein­lichsten sei darum eine Koalition von Gerb mit den nationalis­tischen „Vereinten Patrioten“und der populistis­chen „Wolja“des Unternehme­rs und „Balkan-Trump“Wesselin Mareschki.

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[ AFP ] Der frühere Leibwächte­r Bojko Borrisow kämpft erneut um den Posten des bulgarisch­en Regierungs­chefs.

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