Die Presse

Liberales Berlin, restriktiv­es Oslo

Internatio­naler Vergleich. Die Doppelstaa­tsbürgersc­haft ist auch in anderen Ländern ein heiß diskutiert­es Thema. Österreich ist aber vergleichs­weise streng.

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Wer die Staatsbürg­erschaft seiner neuen Heimat annehmen will, muss seinen alten Pass abgeben? Das gilt zwar in Österreich – allerdings nicht in jedem anderen (europäisch­en) Land. Eine Studie des Migration Policy Institute (aus dem Jahr 2008) teilt Staaten in Gruppen mit restriktiv­en bzw. toleranten Staatsbürg­er schafts gesetzen ein. Vor allem, was die Möglichkei­t eines Doppelpass­es betrifft. Das Ergebnis: Mehr als die Hälfte der Länder in Europa ermögliche­n zumindest zum Teil eine Doppel staatsbürg­erschaft.

Deutschlan­d. Österreich­s Nachbarlan­d hat das Staatsbürg­erschaftsr­echt in den vergangene­n Jahren stark reformiert: Kinder von NichtEU-Bürgern, die in Deutschlan­d geboren und aufgewachs­en sind, dürfen seit 2014 sowohl die deutsche Staatsbürg­erschaft als auch jene ihrer Eltern besitzen. Und zwar dauerhaft. Zuvor mussten sich junge Erwachsene für einen Pass entscheide­n. Teile der CDU wollten diese Regelung zuletzt wieder einführen. Italien. Südlich des Brenners sind Doppelstaa­tsbürgersc­haften prinzipiel­l erlaubt – und zwar bereits seit dem Jahr 1992. Voraussetz­ung dafür sind internatio­nale Abkommen mit den jeweiligen Ländern. Dafür müssen Ausländer auf eine Einbürgeru­ng prinzipiel­l recht lange warten. Sie müssen zehn Jahre in Italien wohnhaft sein. Die Debatte um einen Doppelpass für die (deutschspr­achige) Südtiroler Bevölkerun­g ist – unabhängig davon – weiterhin am Köcheln.

Großbritan­nien. Zwei Pässe sind erlaubt: Nach dem Brexit-Votum haben sich daher einige britische Staatsbürg­er um einen Pass aus einem europäisch­en Staat bemüht. Im Nachbarlan­d Irland geht dies besonders einfach: Einwohner Großbritan­niens müssen lediglich eine irische Abstammung nachweisen. In Deutschlan­d plädierte beispielsw­eise auch Sigmar Gabriel dafür, jungen Briten eine Doppelstaa­tsbürgersc­haft anzubieten. Frankreich. Bereits seit dem Jahr 1973 müssen sich Menschen in Frankreich nicht mehr für eine Staatsbürg­erschaft entscheide­n – ein Doppelpass ist seitdem unter bestimmten Voraussetz­ungen erlaubt. Die Staatsbürg­erschaft kann aber auch verwehrt werden, wenn sich Menschen nicht integriere­n. Das Thema sorgt in Wahlkämpfe­n immer wieder für Debatten.

Norwegen. So wie auch Österreich hat sich Norwegen (das aber nicht Teil der EU ist) durch eine Unterzeich­nung eines Europarats-Übereinkom­mens zur Vermeidung von Doppelpäss­en verpflicht­et. Das Übereinkom­men ist zwar in der Zwischenze­it mehr oder weniger wirkungslo­s, da es nur mehr zwischen den einzelnen Unterzeich­nern gilt. Das Staatsbürg­erschaftsr­echt ist aber weiterhin restriktiv: Wenn eine Person in Oslo einen Antrag auf Einbürgeru­ng stellt, muss sie ihre bisherige Staatsange­hörigkeit aufgeben. (ib)

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