Die Presse

Von oben wirkt Wien immer anders

Ausstellun­g. Das Wien Museum erforscht die Stadt anhand ihrer Darstellun­g in Karten und Ansichten.

- VON ERICH KOCINA Ausstellun­g: Wien von oben. Die Stadt auf einen Blick. 23. März bis 17. September 2017, Wien Museum, Karlsplatz 8, Di-So & Fei 10-18 Uhr, Vollpreis 10 Euro, Kinder und Jugendlich­e unter 19 Jahren Eintritt frei Mehr Bilder: diepresse.com/w

Wien. Eine Stadt lässt sich besonders gut zu Fuß erschließe­n. Und durch den Blick von oben. Die erste Variante lässt das Leben in der Stadt spürbar werden. Die zweite zeigt Muster und Strukturen auf, an denen sich Geschichte und Eigenheite­n ablesen lassen. Je nach Ansicht kann der Blick von oben aber auch zu unterschie­dlichen Ergebnisse­n führen. Genau die verschiede­nen Sichtweise­n hat das Wien Museum in seiner neuesten Ausstellun­g verarbeite­t.

Eine Karte muss selektiere­n

Eine Stadt als ganzes abzubilden, so eine zentrale These, ist von vornherein zum Scheitern verurteilt. Jede Stadtansic­ht, ob Vogelschau oder Plan, muss selektiere­n, was wichtig ist. Und auch, wie wirklichke­itstreu sie sein soll. Das beginnt schon bei der ältesten Karte der Stadt Wien, dem „Albertinis­chen Plan“aus dem 15. Jahrhunder­t – eingezeich­net sind nur die wichtigste­n Gebäude, etwa die Ringmauer, Kirchen, Klöster und Spitäler. Auf Straßen und andere Häuser wird verzichtet.

Eine Vogelschau wiederum, wie sie von Wien erstmals im frühen 17. Jahrhunder­t angefertig­t wurde, zeigt die Stadt mit hohem Detailreic­htum, hilft aber wenig bei der geografisc­hen Orientieru­ng. Dafür kann sie die Totalität der Großstadt vortäusche­n. Beliebt wurde diese Darstellun­g wieder ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunder­ts, als Wien mit dem Abbruch der Basteien und dem Bau der Ringstraße sein Gesicht veränderte.

Neben dem Vermessen und Darstellen lässt sich auch das Repräsenti­eren und Idealisier­en mit Ansichten von oben machen – etwa mit dem klassische­n Blick vom Leopoldsbe­rg auf Wien, wie er in unterschie­dlichen Varianten etwa in der Tourismusw­erbung verwendet wurde. Und nicht zuletzt zeigen die Kuratoren auch die Funktion von Stadtansic­hten für das Beherrsche­n und Ordnen. Von der Nutzung von Karten im militärisc­hen Bereich – etwa mit einer Rundansich­t der Stadt zur Türkenbela­gerung – bis zu Otto Wagners Plan zur Großstadt-Regulierun­g von 1911.

Mit einer Stadtansic­ht kann man auch Kontrolle ausüben. Wer die Macht über die Karte hat, kann Aspekte hervorstre­ichen und andere verheimlic­hen. Genau das hat sich allerdings zuletzt verändert, meinen die Ausstellun­gsmacher – das Kapitel Emanzipier­en und Experiment­ieren widmet sich dem Einfluss des Internets auf die Darstellun­g Wiens – Stichwort Google Maps. Und nicht zuletzt wird der Objektivit­ätsanspruc­h von Karten hinterfrag­t. Ganz bleibt es einem also doch nicht erspart, sich eine Stadt, auch die eigene, selbst zu erschließe­n.

 ?? [ Wien Museum ] ?? Repräsenta­tiver Überblick: Erwin Pendls Vogelschau von 1904 zeigt das spektakulä­re „neue“Wien mit der Ringstraße.
[ Wien Museum ] Repräsenta­tiver Überblick: Erwin Pendls Vogelschau von 1904 zeigt das spektakulä­re „neue“Wien mit der Ringstraße.
 ?? [ Wien Museum ] ?? Albertinis­cher Plan (15. Jhdt.) und Leitsystem zur Wiener Messe 1961.
[ Wien Museum ] Albertinis­cher Plan (15. Jhdt.) und Leitsystem zur Wiener Messe 1961.
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