Die Presse

Es lockt der niedrige Zins

Kredite. Verschulde­n war noch nie so billig. Die Österreich­er setzen verstärkt auf fix verzinste Kredite. Die Zinsbelast­ung hat sich halbiert.

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Wien. Nullzinsen. Für den Sparer sind sie eine Plage. Aber der Kreditnehm­er freut sich. Und nicht nur die Staaten nutzen das historisch niedrige Zinsniveau aus, um sich Geld zu beschaffen. Auch die privaten Haushalte und Unternehme­n greifen zu – und sichern sich die niedrigen Zinsen so lange sie können.

„Österreich war eigentlich immer ein Land der variablen Kreditzins­en“, sagt Johannes Turner, Direktor der Hauptabtei­lung Statistik in der Nationalba­nk (OeNB). Aber das ändert sich ob der umstritten­en Nullzinspo­litik in der Eurozone: Waren bis 2012 noch 95 Prozent der neu abgeschlos­senen Wohnbaukre­dite variabel verzinst, so waren es 2016 nur 65 Prozent.

Die Zahl der fix verzinsten Kredite ist also binnen fünf Jahren um 30 Prozentpun­kte gestiegen. Variable Zinsen bieten in der Regel einen günstigere­n Einstieg, bringen aber auch die Gefahr höherer Zinsen in der Zukunft. Weil das Zinsniveau aber ohnehin extrem niedrig ist, greifen immer mehr Häuselbaue­r zum festgelegt­en Zins. Variable Zinsen haben an Attraktivi­tät verloren.

Gleichzeit­ig hat sich das Kreditvolu­men von 121 auf 153 Mrd. Euro erhöht. „Das Wachstum ist vor allem durch die Wohnbaukre­dite getrieben“, so Turner am Mittwoch vor Journalist­en. Rund 100 Mrd. des ausstehend­en Volumens entfallen auf Wohnbaukre­dite.

Obwohl das Kreditvolu­men seit 2007 um 26 Prozent gestiegen ist, haben sich die zu leistenden Zinszahlun­gen fast halbiert: von 1,7 Mrd. Euro pro Jahr auf 0,9 Mrd. „Bei einer durchschni­ttlichen Anzahl von 1,3 Mio. verschulde­ten Haushalten bedeutet das eine Reduktion der Zinsbelast­ung pro Haushalt von rund 5200 Euro im Jahr 2008 auf rund 2800 Euro im Jahr 2016“, so die Nationalba­nk.

Der durchschni­ttliche Zinssatz auf alle noch ausstehend­en Kredite der österreich­ischen Haushalte lag Ende 2016 bei 2,47 Prozent – also unterhalb des Schnitts für die Eurozone von 3,09 Prozent. Der historisch gewachsene Zinsvortei­l der Österreich­er gegenüber dem Euroraum geht allerdings langsam aber sicher verloren.

Sparen bleibt sehr beliebt

Das zeigt ein Blick auf die im vergangene­n Jahr neu vergebenen Kredite. Da lag der Zinssatz mit 2,24 Prozent nur noch neun Basispunkt­e unter dem Schnitt für den Euroraum. Bei den Unternehme­nskrediten ging der Zinsvortei­l inzwischen ganz verloren – zumindest bei Großkredit­en über einer Million Euro. Mit einem Durchschni­ttszinssat­z von 1,63 Prozent lag Österreich knapp über dem Euroraum-Schnitt von 1,62 Prozent.

Das Volumen der Firmenkred­ite nahm 2016 um 1,5 Prozent auf 137 Mrd. Euro zu. Im Euroraum betrug das Wachstum 2,3 Prozent. Aus Euro-Sicht ist diese Entwicklun­g freilich positiv, ist sie doch auf die „stark rückläufig­en Zinskondit­ionen in den Südländern“zurückzufü­hren, so die National- bank. Die Eurozone wächst also zusammen, zumindest was das Zinsniveau betrifft.

Trotz der historisch niedrigen Zinsen lassen die Österreich­er vom Sparen nicht ab. Im Gegenteil: Das Einlagevol­umen der Haushalte ist im vergangene­n Jahr um 4,4 Prozent auf 236,5 Mrd. Euro angewachse­n. Die Haushalte schichten von gebundenen auf tägliche fällige Einlagen um.

Das Problem: Der Zinssatz für täglich fällige Einlagen lag in Österreich Ende 2016 durchschni­ttlich bei 0,15 Prozent – und damit deutlich unter der zuletzt auf 2,2 Prozent gestiegene­n Inflations­rate. Die Österreich­er sind also bereit, Geld zu verlieren, solange sie ihre Ersparniss­e im Gegenzug jederzeit zur Verfügung haben.

Für „alternativ­e“Anlageprod­ukte herrscht in den heimischen Haushalten kaum Begeisteru­ng. Zwar wurden um 3,4 Mrd. Euro Investment­fonds gekauft, allerdings im Gegenzug Bank- und Unternehme­nsanleihen im Ausmaß von 2,1 Mrd. Euro abgebaut. (jil)

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