Die Presse

Wirtschaft­skammer profitiert von Strafen

Bußgeld. Wenn Unternehme­r wegen Verstößen gegen die Gewerbeord­nung gestraft werden, dann erhält die Wirtschaft­skammer den Erlös. Allein in Wien flossen so in den vergangene­n zehn Jahren 6,5 Millionen Euro.

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Wenn Betriebe Strafen wegen Verstößen gegen die Gewerbeord­nung bezahlen müssen, dann freut sich die Wirtschaft­skammer. Zumindest finanziell.

Wie eine Anfragebea­ntwortung des Grünen Nationalra­tsabgeordn­eten Matthias Köchl zeigt, erhält diese die verhängten Bußgelder: Allein in Wien wurden in den vergangene­n zehn Jahren 6,5 Millionen Euro vom Magistrat an die Wirtschaft­skammer überwiesen. Diese Summe soll laut Gesetz für die Förderung von Unternehme­n in unverschul­deter Notlage verwendet werden.

Jährlich werden in der Hauptstadt rund 2500 solcher Strafen verhängt – rund ein Viertel sind dem Tatbestand „unbefugte Gewerbeaus­übung“zuzuordnen. Weitere häufige Vergehen: Übertretun­gen der Marktordnu­ng, unterlasse­ne Anzeige der Standortve­rlegung, Betriebe ohne Geschäftsf­ührer oder Sperrstund­e- überschrei­tungen. „Die Behörden müssen die Kontrollen durchführe­n, aber die Wirtschaft­skammer bekommt das Geld – das passt nicht“, sagt Peter Kraus, Wirtschaft­ssprecher der Wiener Grünen.

Das Geld solle bei der Stadt bleiben, um entstanden­e Kosten abzudecken, die Wirtschaft­sförderung solle direkt verteilt werden. Es fordert dahingehen­d Gesetzesän­derungen. Die Gewerbeord­nung ist Bundesange­legenheit und wird derzeit novelliert.

Köchl kritisiert weiters, dass die Kammer in manchen Bundesländ­ern – darunter Tirol, Kärnten und Steiermark – „Pfuschjäge­r“ausschicke, die derartige Delikte aufspüren und zur Anzeige bringen sollen. Dabei sei die Finanzpoli­zei zuständig – nur sie könne eine transparen­te, gesetzesko­nforme Abwicklung garantiere­n. In Wien gibt es Pfuschjäge­r offiziell nicht. Jedoch haben etliche Funktionär­e Kontrollau­sweise. Ein Unternehme­n kann deren Prüfungen aber verweigern.

Bei der Wirtschaft­skammer Wien (WKW) versteht man die Kritik der Grünen nicht: „Es ist die Intention des Gesetzgebe­rs, dass die Strafgelde­r den Geschädigt­en zufließen, also den redlich arbeiteten Unternehme­rn“, heißt es auf „Presse“-Anfrage. „Die Strafgelde­r sind deshalb zweckgebun­den, die ordnungsge­mäße Verwendung wird vom Kontrollam­t und somit letztlich auch vom Rechnungsh­of geprüft.“

Strafen für die Sozialhilf­e

Zu den 2500 Strafen, die wegen Verstößen gegen die Gewerbeord­nung verhängt werden, kommen in Wien jährlich ungefähr genau so viele Betriebsan­lagenstraf­en. Diese werden etwa wegen nicht genehmigte­r Betriebsan­lagen, der Nichteinha­ltung von Bescheidau­flagen und der Nichteinha­ltung von Bestimmung­en aus Verordnung­en verhängt. Auch sie sind zweckgebun­den: Wie bei Strafen wegen Falschpark­ens fließen die Erlöse in die Sozialhilf­etöpfe der Länder.

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[ Clemes Fabry ] Verstöße gegen die Marktordnu­ng sind häufige Delikte (Symbolbild).

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