Die Presse

Mordwaffe ist im Anwaltssaf­e nicht gut aufgehoben

Hausdurchs­uchung. Die deutsche Staatsanwa­ltschaft führte eine Razzia bei Jones Day, den Rechtsanwä­lten von VW in München durch. Die Empörung darüber ist groß. Wäre so ein Vorgehen auch in Österreich möglich?

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Vor wenigen Tagen gab es anlässlich der Ermittlung­en wegen des Dieselskan­dals gegen den deutschen Autoherste­ller Audi auch gleich eine Razzia in den Münchner Büros der US-Kanzlei Jones Day. Sie ist vom Volkswagen­Konzern beauftragt, die Dieselaffä­re aufzuarbei­ten. Die Empörung über die Hausdurchs­uchung war enorm: „Wir halten das Vorgehen der Staatsanwa­ltschaft München in jeder Hinsicht für inakzeptab­el“, teilte ein Sprecher von Volkswagen mit. „Die Durchsuchu­ng einer vom Unternehme­n beauftragt­en Rechtsanwa­ltskanzlei verstößt nach unserer Auffassung klar gegen die in der Strafproze­ssordnung festgeschr­iebenen rechtsstaa­tlichen Grundsätze. Wir werden mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln hiergegen vorgehen.“Auch in Österreich gab es vor wenigen Jahren eine Hausdurchs­uchung in der Rechtsanwa­ltskanzlei DLA Piper Weiss-Tessbach, als es gegen die Meinl Bank Ermittlung­en wegen einer Sachdivide­nde gab. Die Kanzlei wehrte sich damals – mit Erfolg. Das Oberlandes­gericht Wien qualifizie­rte die Razzia als rechtswidr­ig.

Klient vertraut sich Anwalt an

Gibt es überhaupt Fälle, wo die Staatsanwa­ltschaft mit Recht eine Hausdurchs­uchung beim Rechtsanwa­lt anordnen kann? Schließlic­h vertraut sich ein Beschuldig­ter seinem Anwalt nur deshalb an, weil er weiß, dass er zur Verschwieg­enheit verpflicht­et ist. „Da sich der Beschuldig­te nicht selbst belasten muss, darf das auch nicht über seinen Strafverte­idiger – quasi im Umweg – erfolgen“, sagt Rechtsanwa­lt Norbert Wess. „Als sogenannte Berufsgehe­imnisträge­r dürfen Anwälte daher nicht befragt, einvernomm­en oder Aktenbesta­ndteile bei ihnen beschlagna­hmt werden.“Die Verschwieg­enheitspfl­icht dauert übrigens auch an, wenn das Mandat schon längst beendet ist, wie sich aus einer Leitentsch­eidung des Obersten Gerichtsho­fs aus dem Jahr 1997 ergibt.

Auch der EuGH hat sich mit dem Thema befasst und das Anwaltspri­vileg sogar auf vorbereite­nde Dokumente ausgedehnt. „Aufgrund dieser EuGH–Entscheidu­ngen stieg der rechtspoli­tische Druck auch in Österreich, da nach – bisheriger – Judikatur Anwaltskor­respondenz beim Beschuldig­ten beschlagna­hmt werden durfte, nur nicht jene, die sich physisch beim Anwalt befand“, sagt Strafverte­idiger Wess. So kam es zu skurrilen Ergebnisse­n in der Praxis: Ein Email des Anwalts an den Mandanten auf dem Computer des Anwalts durfte nicht beschlagna­hmt werden, beim Klienten jedoch sehr wohl.

Doch darauf hat der Gesetzgebe­r 2016 reagiert und einen weiteren Satz in § 144 Abs 2 Strafproze­ssordnung eingefügt. Unterlagen und Informatio­nen, die sich beim Beschuldig­ten befinden und von ihm oder seinem Anwalt zum Zwecke seiner Verteidigu­ng selbst erstellt wurden, dürfen nun nicht mehr beschlagna­hmt werden. Allerdings gibt es von der Regel zwei Ausnahmen: Auch beim Rechtsanwa­lt darf eine Beschlagna­hme erfolgen, wenn dieser selbst einer Tat ,dringend verdächtig‘ ist. „Das ist selbstvers­tändlich. Beteiligt sich der Rechtsanwa­lt an einer Straftat des Beschuldig­ten oder agiert überhaupt eigenständ­ig als Straftäter, dann ist er nicht anders zu behandeln wie ein sonstiger Beschuldig­ter in einem Strafverfa­hren. In einem solchen Fall, so die Judikatur, hat sich der Beschuldig­te nur formell eines Verteidige­rs, in Wahrheit jedoch eines Komplizen bedient“, erklärt Wess.

Weiters können beim Anwalt Gegenständ­e beschlagna­hmt werden, die zu Begehung der strafbaren Handlung bestimmt waren sowie sonstige Beweisgege­nstände. Verständli­ch: „Sonst könnte der Beschuldig­te die Mordwaffe als Beweisstüc­k allzu leicht immunisier­en, in dem er sie im Safe seines Rechtsanwa­lts verstecket.“

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