Einen recht schönen Tag? Von mir aus, aber bitte mit Dativ!
Durch den Alltag rauscht immer lauter eine Flut an guten Wünschen. Darunter finden sich seltsam manierierte Formen.
„Für Sie“statt „Ihnen“, der bedrohte Fall wird durch eine Fügung mit Vorwort ersetzt.
Man entkommt den guten Wünschen nicht in dieser Zeit: Wirtinnen und Kassierer, Kellner und Gasableserinnen, Straßenzeitungsverkäufer und Schalterbeamte, Schnorrer und Schaffnerinnen, sie alle wünschen einem nicht nur einen guten Tag, sondern oft auch gleich einen erholsamen Abend, ein schönes Wochenende, angenehme Feiertage et cetera. Es ist eine wahre Segensflut. Und wahrscheinlich weil der einzelne Wünscher in dieser Flut nicht untergehen will, baut er seinen Wunsch aus, etwa zu einem ganzen Satz: „Ich wünsche Ihnen einen recht schönen Tag“, sagt er etwa, und man denkt sich: So viel Trinkgeld hab ich doch gar nicht gegeben! Die neueste Entwicklung ist noch bedenklicher, immer öfter hört man, auch in gut beleumundeten Restaurationen: „Einen schönen Tag noch für Sie.“
Das klingt erstens wirklich blöd, so als weise der Kellner einem nicht nur ein Achtel Weiß oder eine Melange zu, sondern auch einen schönen Tag, ohne Schlag hoffentlich; als serviere er ihn gleich auf den Tisch, womöglich zwischen den Aschenbecher und den fast genauso unnötigen Zuckerstreuer. Und dann fällt eines der beiden Gefäße der Sünde auf die Erde, zerbricht und wir haben die Bescherung. Eine schöne Bescherung. Geht aufs Haus.
Zweitens muss das alle Freunde des Dativs alarmieren: „Für Sie“statt „Ihnen“, der so liebliche wie bedrohte Fall wird durch eine Fügung mit Vorwort ersetzt. So geht das nicht! Man muss ihn retten, mehr denn je. Zum Beispiel mit einem dem servilen Geist entgegengeschleuderten Dativus ethicus: „Geh’n S’, hören S’ mir auf mit der ewigen Wünscherei!“Oder einem ge- nervten Dativus possessivus: „Lassen S’ das, mir tun die Ohren eh schon weh!“Einem arroganten Dativus commodi: „Wenn Sie mir was Gutes tun wollen, dann sagen Sie einfach leise Servus.“Einem ungehaltenen Dativus judicantis: „Mir ist der Tag schön genug, auch ohne dass Sie ihn mir schön wünschen. Lassen Sie mich in Frieden.“Wobei mir einfällt, dass „mir“auf Russisch so viel wie Frieden, aber auch wie Welt heißt. Den Weltfrieden übersetzt man am ehesten mit „miru mir“(das erste Wort ist ein Dativ), ihn kann man mir von mir aus wünschen.