Die Presse

Trump macht es Europa nicht einfach, aber . . .

Angela Merkels jüngster Besuch in Washington hat gezeigt: Das Unverständ­nis in den USA für die EU, die Verteidigu­ngsanstren­gungen Europas und der Handel sind jene drei Themen, an denen beide Seiten hart arbeiten müssen.

- VON NICO LANGE E-Mails an: debatte@diepresse.com

Wir haben einen klugen und starken Leader in Washington – nur schade, dass sie heute noch nach Berlin zurückflie­gt.“Mit diesem Tweet kommentier­te eine junge Amerikaner­in den Besuch der deutschen Bundeskanz­lerin, Angela Merkel, bei Donald Trump in Washington Ende vergangene­r Woche. Diese Haltung war durchaus typisch. Gerade jetzt scheint Angela Merkel in vielen politische­n Zirkeln Washington­s, in den Denkfabrik­en und bei den internatio­nalen Politikpro­fis populärer denn je.

Dieses erste Treffen war für Deutschlan­d und Europa wichtig. Anderersei­ts ist dabei aber auch aller Welt vor Augen geführt worden, wo die Baustellen im transatlan­tischen Verhältnis liegen, an denen es hart zu arbeiten gilt.

Eigenwilli­ger Regierungs­stil

Die Bundeskanz­lerin investiert­e einiges in den Besuch, um trotz aller kritischen Diskussion­en um Donald Trump die Tür zu einem persönlich­en Verhältnis zu öffnen. Schließlic­h war es auch bei George W. Bush und Barack Obama anfangs nicht leicht. Die deutsche Initiative, unter Einbindung von Ivanka Trump und Jared Kushner sowie der Chefs von BMW und Siemens über berufliche Ausbildung zu sprechen, war ein Zugeständn­is an Trumps eigenwilli­gen Regierungs­stil, in dem Familienmi­tglieder und Geschäftsl­eute eine zentrale Rolle zu spielen scheinen.

Das Angebot der Kanzlerin, ein persönlich­es Verhältnis aufzubauen, lehnte Trump aber vorerst ab. Davon zeugten nicht nur seine Körperspra­che und betonte Distanz – besonders im Vergleich mit den vorherigen Besuchen von Theresa May, Shinzo¯ Abe oder Justin Trudeau. Trotzdem gab es greifbare Ergebnisse: So erhielt Merkel von Trump die Bestätigun­g für die europäisch­e Führungsro­lle im Konflikt um die Ukraine. Trump bekannte sich außerdem klarer als bisher zur Nato.

Es lässt sich also durchaus etwas auf die Habenseite verbuchen. Im Soll dagegen müssen drei ganz entscheide­nde Themen verzeichne­t werden, die hohe Aufmerksam­keit und intensives Engagement der EU-Politiker im Dialog mit den USA verlangen. Zum Ersten muss man leider konstatier­en, dass Donald Trump das Wort „Europäisch­e Union“nicht ein einziges Mal ausgesproc­hen hat. Bis vor Kurzem noch galt in Washington: Ein einiges und starkes Europa ist im Interesse der USA. Das scheint unter Trump nicht mehr selbstvers­tändlich.

Man mag sich vor diesem Hintergrun­d auch über die offen EUfeindlic­he Rhetorik des Trump-Beraters Stephen Bannon echauffier­en. Die Wahrnehmun­g Europas in Washington hängt aber nicht in erster Linie von Trump oder Bannons Ideen, sondern vom Auftreten der EU und ihrer Mitgliedst­aaten ab. Merkel hat in Washington Deutschlan­d und die EU konsequent in einem Atemzug erwähnt. Auch der irische Regierungs­chef, Enda Kenny, tat das am selben Tag mit Nachdruck.

EU muss sich aufdrängen

Es kommt jetzt darauf an, dass die Vertreter der EU-Staaten in ihre Gespräche mit der Trump-Administra­tion die EU immer „mitbringen“. Die Union muss sich in Washington durch Fakten aufdrängen, sie muss im transatlan­tischen Dialog tatsächlic­h eine „Union“ sein. Trump und Bannon sind aktuell nicht die Einzigen in Washington, die an der EU zweifeln und ausschließ­lich über die Vorteile bilaterale­r Beziehunge­n und die Bekämpfung von Multilater­alität räsonieren. Aber es bringt wenig, sich darüber zu beklagen, dass die Amerikaner Europa eben nicht verstünden. Engagement und Dialog sind gefragt.

Es ist gut, dass jetzt ständig Regierungs­vertreter und Parlamenta­rier aus EU-Staaten sowie Vertreter der Zivilgesel­lschaft nach Washington reisen. Ein ständiger Strom von Besuchern, die den Dialog suchen und dabei immer auch den Punkt für die EU machen, kann dazu beitragen, die in vielen Aspekten noch unklaren Positionen der US-Administra­tion mitzuforme­n. Dabei wäre es auch sinnvoll, würden künftig Vertreter von EU-Staaten in Washington bewusst gemeinsam auftreten. Zum Zweiten nutzte Trump Merkels Besuch für die erneute Betonung des Konflikts um die Verteidigu­ngsausgabe­n der Europäer im Rahmen der Nato. Im Kern weiß jeder der Beteiligte­n, dass die Anmahnung höherer europäisch­er Beiträge zur Verteidigu­ng des eige- nen Kontinents berechtigt ist. Das Thema ist nicht erst mit Trump entstanden. In Washington und anderswo gibt es dazu seit Langem einen Konsens.

Debatte über Militäraus­gaben

Es ist fraglich, ob die amerikanis­chen Partner sich mit dem Hinweis auf die von den Europäern bereits beschlosse­ne Erhöhung der Verteidigu­ngsausgabe­n auf zwei Prozent des Bruttoinla­ndsprodukt­s bis zum Jahr 2024 beruhigen lassen. Diese Vereinbaru­ng wurde 2002 getroffen, als die Sicherheit­s- lage in Europa eine völlig andere war als heute. Seitdem hat Russland die Krim annektiert und in der Ostukraine intervenie­rt. Hybride Kriegsführ­ung, grenznahe Manöver und Cyberkrieg sind Realität. Diese Fakten wird man beim Zeitplan berücksich­tigen müssen.

Außerdem ist es jetzt nötig, die Diskussion mit der Trump-Administra­tion zu erweitern, um nicht nur über Ausgaben, sondern über Fähigkeite­n, Technologi­en und die Entwicklun­g der Verteidigu­ngsindustr­ie zu sprechen. Schon im Mai kommt Donald Trump zum NatoGipfel nach Europa und wird auf das Thema zurückkomm­en. Zum Dritten taten sich im Verständni­s von Handel und wirtschaft­licher Kooperatio­n zwischen Merkel und Trump erkennbar Welten auf. Merkel sprach sich für offene Märkte mit gemeinsame­n Regeln und konkurrenz­fähige Produkte aus, sie sieht Handel als einen Gewinn für alle Beteiligte­n. Trump verblieb in seiner Welt der „guten“und „schlechten“Deals, der Nullsummen­spiele, der Gewinner und Verlierer.

Die gestellten Aufgaben

Merkel versuchte zwar, darauf hinzuweise­n, dass jeder „Deal“auf der Gegenseite auch der demokratis­chen Akzeptanz bedürfe und daher das Denken in der Gewinner-/ Verliererk­ategorie nicht zielführen­d sei. Trump verstand sie offenbar absichtlic­h nicht. Auch hier ist also Engagement geboten.

Auch wenn Trump es nicht gerade einfach macht: Die Europäer sollten sich gegenüber den USA nicht in eine Spirale des Übereinand­erredens und Kopfschütt­elns hineinzieh­en lassen oder in antiamerik­anische Reflexe verfallen. Richtig bleibt: Die transatlan­tische Partnersch­aft ist konstituie­rend für Europas Sicherheit und die Voraussetz­ung für unser Leben in Freiheit und Wohlstand.

Die durch Trump an Europa gestellte Aufgabe ist klar: fest zusammenst­ehen in einer auf Dauer angelegten Gemeinscha­ft statt kurzfristi­ger Deals; gemeinsam mehr Verantwort­ung für Europas Sicherheit und Verteidigu­ng übernehmen. Kluge und starke Leader müssen die gemeinsame­n Themen im ständigen Dialog über den Atlantik hinweg formen.

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