Millionendesaster im Burgenland
Spekulation. Aus unglücklichen Zinswetten des Landes Burgenland ist bisher ein Schaden von fast 50 Millionen Euro entstanden. Statt auszusteigen, sind die Burgenländer dabei, den Verlust zu maximieren.
Vielleicht sollte man die Idee, Ländern mehr finanzielle Souveränität zu geben, doch noch einmal überdenken.
Wenn Gemeinden und Länder spekulieren, dann ist das im Normalfall ein Jackpot für die beteiligten Banken. Von Salzburg über Linz bis St. Pölten: Der Schaden, den Zinswetten der öffentlichen Hand den Steuerzahlern beschert haben, summiert sich bereits auf einen hohen dreistelligen Millionenbetrag.
Auch das Burgenland kann da nicht zurückstehen: Dort beläuft sich der Schaden aus insgesamt sechs Zinstauschgeschäften des Landes mit vier Banken (Bawag, Bank Austria, RLB NÖ-Wien und Hypo Alpe Adria/Heta Asset Resolution) bereits auf gut 50 Millionen Euro. Und er wird noch deutlich steigen, denn das Land hat mehrere Ausstiegszeitpunkte aus den bis 2033 laufenden unlukrativen Geschäften, die derzeit Verluste von bis zu acht Millionen Euro pro Jahr bringen, versäumt. Die nächste Möglichkeit ergibt sich erst 2024.
Die Geschäfte datieren aus den wilden Nullerjahren, als sich überall in Österreich Regionalkaiser unter dem Titel „Absicherungsgeschäfte für Landeskredite“in die große Welt der Finanzspekulation aufgemacht haben. Solche Absicherungsgeschäfte in Form von Zinstauschgeschäften (Swaps) sind in der Wirtschaft nicht unüblich und auch sinnvoll – wenn man sie richtig macht.
Das kann man von den sechs Burgenland-Swaps aber beim besten Willen nicht behaupten. Diese 2003 und 2004 auf 30 Jahre abgeschlossenen Geschäfte sehen vor, dass das Land den beteiligten Banken für ein fiktives Portfolio von 150 Millionen Euro zwischen 5,1 und 5,9 Prozent Fixzinsen bezahlt. Und im Gegenzug Zinsen in Höhe des Sechsmonats-Euribor bzw. des Sechsmonats-USD-Libor gutgeschrieben bekommt. Letzteres ist übrigens ein sicheres Zeichen dafür, dass es sich nicht um Absicherung, sondern um reine Spekulation handelt. Denn abgesichert wird normalerweise in der Währung des Kredits. Und das Land Burgenland hat keine Dollarschulden.
Wie auch immer: Ein solches Geschäft schließt man ab, wenn man von stark steigenden Zinsen ausgeht. Das genaue Gegenteil war aber der Fall: Die entsprechenden Zinssätze liegen jetzt bei minus 0,24 Prozent (Euribor) und 1,4 Prozent (USD-Libor). Fast sechs Prozent bezahlen und im Gegenzug minus 0,24 bis 1,4 Prozent bekommen – das sieht nicht nach gutem Tausch aus.
Konkret beziffert hat der burgenländische Landesrechnungshof die Verluste aus den Swaps bis 2014: Im Ende 2016 veröffentlichten Prüfbericht zum Landesrechnungsabschluss 2014 heißt es, dass dem Land aus diesen Geschäften von 2005 bis 2014 ein Gesamtschaden von 43,6 Millionen Euro er- wachsen sei. Wobei der Schaden durch die sinkenden Zinsen stark steigt: 2012 brachten die Swaps 5,7 Millionen Euro Verlust, 2014 schon 7,2 Millionen. Jetzt dürfte man irgendwo nahe acht Millionen Euro liegen.
Solche Geschäfte, technisch gesehen Wetten auf eine bestimmte Zinsentwicklung, sind in der Wirtschaft wie gesagt nicht unüblich. Was Marktakteure von Landes- und Gemeindepolitikern in der Regel unterscheidet: Erstere steigen rigoros aus, wenn sie sehen, dass der Markt gegen sie läuft. Letztere tun das nicht. Wohl in der Erwartung, dass sie zum Ablauf der Verlustgeschäfte ohnehin nicht mehr im Amt sind. Und damit erst die Nachfolger die Multimillionenverluste erklären müssen.
Ein vorzeitiger Ausstieg wäre durchaus möglich gewesen, Vertragsklauseln sehen die Auflösungsmöglichkeit alle zehn Jahre vor. Zuletzt wäre das im Jahr 2014 der Fall gewesen. Außerdem können die Verträge sofort gekündigt werden, wenn das Rating des jeweiligen Vertragspartners unter einen bestimmten Wert fällt. Das war während der bisherigen Laufzeit vorübergehend bei der Bawag und jedenfalls bei der Hypo/Heta der Fall. Ein unterjähriger Ausstieg ist dagegen nicht möglich, weil der Marktwert des fiktiven Portfolios, auf das die Zinswetten abge- schlossen wurden, in der Zwischenzeit stark negativ ist. 2014 schwankte dieses Verlustpotenzial zwischen 65,5 und 97,3 Mio. Euro.
Kurz zusammengefasst: Wie bei anderen Zinsspekulationen von Ländern und Gemeinden auch hat es die burgenländische Landesregierung geschafft, den Spekulationsschaden durch mangelndes Finanzmanagement zu maximieren.
Das Finanzmanagement scheint aber auch in anderen Bereichen, nun ja, noch Verbesserungspotenzial zu haben. Im zitierten Rechnungshof-Bericht zum Landesabschluss wird auch eine Genussrechtseinlage des Landes bei der Landesholding BVOG durchleuchtet, deren Ziel die Vergabe von Krediten der Holding an das Land und an Landesbeteiligungen war. Die Holding vergab damit insgesamt 13 Kredite – und prüfte die Bonität der Kreditnehmer erst Monate nach (!) der Kreditvergabe. Dass bei einem 100-Millionen-Euro-Kredit eine Person als Kreditnehmer sowie als Kreditgeber unterzeichnet hat, wundert da schon nicht mehr.
Der Landesrechnungshof nennt diese Vorgangsweise „nicht marktüblich“. Man könnte auch meinen: Vielleicht sollte man die Idee, Ländern mehr finanzielle Souveränität zu geben, doch noch einmal überdenken . . .