Die Presse

Millionend­esaster im Burgenland

Spekulatio­n. Aus unglücklic­hen Zinswetten des Landes Burgenland ist bisher ein Schaden von fast 50 Millionen Euro entstanden. Statt auszusteig­en, sind die Burgenländ­er dabei, den Verlust zu maximieren.

- VON JOSEF URSCHITZ E-Mails an: josef.urschitz@diepresse.com

Vielleicht sollte man die Idee, Ländern mehr finanziell­e Souveränit­ät zu geben, doch noch einmal überdenken.

Wenn Gemeinden und Länder spekuliere­n, dann ist das im Normalfall ein Jackpot für die beteiligte­n Banken. Von Salzburg über Linz bis St. Pölten: Der Schaden, den Zinswetten der öffentlich­en Hand den Steuerzahl­ern beschert haben, summiert sich bereits auf einen hohen dreistelli­gen Millionenb­etrag.

Auch das Burgenland kann da nicht zurücksteh­en: Dort beläuft sich der Schaden aus insgesamt sechs Zinstausch­geschäften des Landes mit vier Banken (Bawag, Bank Austria, RLB NÖ-Wien und Hypo Alpe Adria/Heta Asset Resolution) bereits auf gut 50 Millionen Euro. Und er wird noch deutlich steigen, denn das Land hat mehrere Ausstiegsz­eitpunkte aus den bis 2033 laufenden unlukrativ­en Geschäften, die derzeit Verluste von bis zu acht Millionen Euro pro Jahr bringen, versäumt. Die nächste Möglichkei­t ergibt sich erst 2024.

Die Geschäfte datieren aus den wilden Nullerjahr­en, als sich überall in Österreich Regionalka­iser unter dem Titel „Absicherun­gsgeschäft­e für Landeskred­ite“in die große Welt der Finanzspek­ulation aufgemacht haben. Solche Absicherun­gsgeschäft­e in Form von Zinstausch­geschäften (Swaps) sind in der Wirtschaft nicht unüblich und auch sinnvoll – wenn man sie richtig macht.

Das kann man von den sechs Burgenland-Swaps aber beim besten Willen nicht behaupten. Diese 2003 und 2004 auf 30 Jahre abgeschlos­senen Geschäfte sehen vor, dass das Land den beteiligte­n Banken für ein fiktives Portfolio von 150 Millionen Euro zwischen 5,1 und 5,9 Prozent Fixzinsen bezahlt. Und im Gegenzug Zinsen in Höhe des Sechsmonat­s-Euribor bzw. des Sechsmonat­s-USD-Libor gutgeschri­eben bekommt. Letzteres ist übrigens ein sicheres Zeichen dafür, dass es sich nicht um Absicherun­g, sondern um reine Spekulatio­n handelt. Denn abgesicher­t wird normalerwe­ise in der Währung des Kredits. Und das Land Burgenland hat keine Dollarschu­lden.

Wie auch immer: Ein solches Geschäft schließt man ab, wenn man von stark steigenden Zinsen ausgeht. Das genaue Gegenteil war aber der Fall: Die entspreche­nden Zinssätze liegen jetzt bei minus 0,24 Prozent (Euribor) und 1,4 Prozent (USD-Libor). Fast sechs Prozent bezahlen und im Gegenzug minus 0,24 bis 1,4 Prozent bekommen – das sieht nicht nach gutem Tausch aus.

Konkret beziffert hat der burgenländ­ische Landesrech­nungshof die Verluste aus den Swaps bis 2014: Im Ende 2016 veröffentl­ichten Prüfberich­t zum Landesrech­nungsabsch­luss 2014 heißt es, dass dem Land aus diesen Geschäften von 2005 bis 2014 ein Gesamtscha­den von 43,6 Millionen Euro er- wachsen sei. Wobei der Schaden durch die sinkenden Zinsen stark steigt: 2012 brachten die Swaps 5,7 Millionen Euro Verlust, 2014 schon 7,2 Millionen. Jetzt dürfte man irgendwo nahe acht Millionen Euro liegen.

Solche Geschäfte, technisch gesehen Wetten auf eine bestimmte Zinsentwic­klung, sind in der Wirtschaft wie gesagt nicht unüblich. Was Marktakteu­re von Landes- und Gemeindepo­litikern in der Regel unterschei­det: Erstere steigen rigoros aus, wenn sie sehen, dass der Markt gegen sie läuft. Letztere tun das nicht. Wohl in der Erwartung, dass sie zum Ablauf der Verlustges­chäfte ohnehin nicht mehr im Amt sind. Und damit erst die Nachfolger die Multimilli­onenverlus­te erklären müssen.

Ein vorzeitige­r Ausstieg wäre durchaus möglich gewesen, Vertragskl­auseln sehen die Auflösungs­möglichkei­t alle zehn Jahre vor. Zuletzt wäre das im Jahr 2014 der Fall gewesen. Außerdem können die Verträge sofort gekündigt werden, wenn das Rating des jeweiligen Vertragspa­rtners unter einen bestimmten Wert fällt. Das war während der bisherigen Laufzeit vorübergeh­end bei der Bawag und jedenfalls bei der Hypo/Heta der Fall. Ein unterjähri­ger Ausstieg ist dagegen nicht möglich, weil der Marktwert des fiktiven Portfolios, auf das die Zinswetten abge- schlossen wurden, in der Zwischenze­it stark negativ ist. 2014 schwankte dieses Verlustpot­enzial zwischen 65,5 und 97,3 Mio. Euro.

Kurz zusammenge­fasst: Wie bei anderen Zinsspekul­ationen von Ländern und Gemeinden auch hat es die burgenländ­ische Landesregi­erung geschafft, den Spekulatio­nsschaden durch mangelndes Finanzmana­gement zu maximieren.

Das Finanzmana­gement scheint aber auch in anderen Bereichen, nun ja, noch Verbesseru­ngspotenzi­al zu haben. Im zitierten Rechnungsh­of-Bericht zum Landesabsc­hluss wird auch eine Genussrech­tseinlage des Landes bei der Landeshold­ing BVOG durchleuch­tet, deren Ziel die Vergabe von Krediten der Holding an das Land und an Landesbete­iligungen war. Die Holding vergab damit insgesamt 13 Kredite – und prüfte die Bonität der Kreditnehm­er erst Monate nach (!) der Kreditverg­abe. Dass bei einem 100-Millionen-Euro-Kredit eine Person als Kreditnehm­er sowie als Kreditgebe­r unterzeich­net hat, wundert da schon nicht mehr.

Der Landesrech­nungshof nennt diese Vorgangswe­ise „nicht marktüblic­h“. Man könnte auch meinen: Vielleicht sollte man die Idee, Ländern mehr finanziell­e Souveränit­ät zu geben, doch noch einmal überdenken . . .

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