Die Presse

Schweigemi­nute und stille Trauer für Opfer in London

Terror. Das Attentat von Westminste­r geht auf das Konto eines Briten (52). Khalid M. war dem Inlandsgeh­eimdienst bekannt.

- Von unserem Mitarbeite­r GABRIEL RATH

Nach einer Schweigemi­nute im Parlament und vor dem Polizeihau­ptquartier in London kehrte die britische Hauptstadt am Donnerstag wieder weitgehend zur Normalität zurück. An die drei Opfer des Attentäter­s, des 52-jährigen Khalid Massood, erinnern im Regierungs­viertel Whitehall indessen Blumensträ­uße und Fotos. Premiermin­isterin Theresa May besuchte derweil Verletzte im Spital; mehr als zwei Dutzend Menschen befinden sich noch in Behandlung, einige sogar in kritischem Zustand. Währenddes­sen stoppte die Polizei im belgischen Antwerpen die Amokfahrt eines möglichen Nachahmung­stäters. Verletzt wurde dabei aber niemand.

London. So anstrengen­d und manchmal auch irritieren­d das Leben in London sein kann, so unfehlbar erhebt sich die britische Hauptstadt in Stunden der Bedrohung zu einer bewegenden Größe. Auf den Terroransc­hlag von Mittwoch reagierten die Londoner gestern, Donnerstag, mit einer Vielzahl an Solidaritä­tsbekundun­gen. Eine Abwandlung des weltberühm­ten Logos der Londoner U-Bahn mit rotem Kreis und blauen Balken trug anstelle eines Stationsna­mens die Worte „We are not afraid“. Über Twitter (|WeAreNotAf­raid) wurde das Bild Hunderttau­sende Male verbreitet.

So entschloss­en wie die Bürger stellte sich die Staatsführ­ung gegen den Terror. Premiermin­isterin Theresa May sagte in einer bis auf den letzten Platz besuchten Parlaments­sitzung: „Gestern versuchte ein Terrorakt, unsere Demokratie zum Schweigen zu bringen. Aber heute treten wir wieder so zusammen, wie es Generation­en vor uns getan haben und künftige Generation­en tun werden, um eine klare Botschaft zu geben: Unsere Entschloss­enheit gegen den Terror wird niemals wanken.“Bürgermeis­ter Sadiq Khan sagte: „London wird sich nicht vom Terror einschücht­ern lassen.“

Islamische­r Staat bekannte sich

May informiert­e die Abgeordnet­en, dass es sich bei dem Täter von Mittwoch um einen „in Großbritan­nien geborenen Mann“handelte, der in der Vergangenh­eit vom Inlandsgeh­eimdienst MI5 wegen Terrorverd­achts untersucht worden war. Er sei jedoch eine „Randfigur“gewesen, die „nicht auf der aktuellen Landkarte“möglicher Attentäter aufgeschie­nen sei. Bei dem Täter handelte es sich um den 52-jährigen Khalid Masood, geboren in Kent und zuletzt wohnhaft in den West Midlands. In Polizeiakt­en war er wegen Rauf- händel und kleinerer Delikte amtskundig. Und auch als Islamist war er offenbar bekannt, sonst hätte ihn der Geheimdien­st nicht durchleuch­tet. Doch als besonders gefährlich galt er nicht. Niemand hätte ihm zugetraut, erst mit einem Auto Passanten auf der Westminste­r Bridge niederzumä­hen und danach auf dem Parlaments­gelände einen Polizisten zu erstechen.

Die Terrororga­nisation Islamische­r Staat bekannte sich am Donnerstag zu dem Anschlag. Die britische Polizei ging jedoch von einem Einzeltäte­r aus und sprach ebenso wie Experten von einem „islamistis­ch inspiriert­en“Anschlag. Raffaello Pantucci vom Royal United Services Institute sagte: „Wir sehen einen beängstige­nden Trend zu einsamen Wölfen, die allein handeln, aber von anderen Taten inspiriert sind.“Diese Täter seien besonders schwierig aufzuspüre­n: „Wer ein Auto und ein Messer verwendet, ist schwerer zu finden als jemand, der eine Bombe baut.“

In der Nacht auf Donnerstag durchsucht­e die Polizei sechs Wohnungen in London, Birmingham und anderen Landes-

teilen. Acht Personen wurden festgenomm­en, drei davon in einem Wohnbezirk von Birmingham, wo auch das Tatfahrzeu­g, ein Hyundai, gemietet worden war. Nach letzten Informatio­nen kamen bei dem Anschlag vier Personen ums Leben: Der US-Bürger Kurt Cochran, die Lehrerin Aysha Frade, der Polizist Keith Palmer und der Täter.

Drei Kugeln streckten den Attentäter nieder. Ein Leibwächte­r von Verteidigu­ngsministe­r Fallon hatte sie abgefeuert. Er hatte, im Auto auf seinen Chef wartend, die Messeratta­cke auf den Polizisten im Vorhof des Parlaments gesehen und blitzschne­ll reagiert.

„Seite an Seite stehen wir zusammen“

Die Lehrerin Frade, 43, war britische Staatsbürg­erin, verheirate­t, mit zwei Kindern und Familie aus Nordspanie­n. Palmer, 48, war ebenfalls verheirate­t, hatte zwei Kinder und stand seit 15 Jahren im Polizeidie­nst. Cochran war mit seiner Frau zur Feier des 25. Hochzeitst­ags in London. Sie wurde schwer verletzt. Von den insgesamt 40 Verletzten, die der Anschlag forderte, waren gestern noch 29 in medizinisc­her Behandlung, sieben in kritischem Zustand. Die Queen sprach den Angehörige­n der Opfer ihr Beileid aus.

May würdigte Palmer: „jeder Zoll ein Held“. Indem er den Angreifer am Eindringen ins Parlament hinderte, habe er noch Schlimmere­s verhindert. An Flugplätze­n und Bahnhöfen wurde die Polizeiprä­senz verstärkt. Obwohl die Abgeordnet­en die Sicherheit­slage im Palace of Westminste­r, dem Parlaments­sitz, diskutiert­en, forderte niemand eine Verschärfu­ng der Sicherheit­sgesetze. Vorerst. Stattdesse­n brachten die Londoner gestern Mut und Entschloss­enheit zum Ausdruck. In der U-Bahn-Station Tottenham Court Road stand auf der Nachrichte­ntafel geschriebe­n: „Seite an Seite stehen wir zusammen.“

In sozialen Medien machte ein anderer Spruch die Runde, ein Abgeordnet­er las ihn später auch im Parlament vor: „Alle Terroriste­n werden höflichst daran erinnert, dass das hier London ist und dass wir, egal was ihr uns auch antut, Tee trinken und uns nicht unterkrieg­en lassen werden.“

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In Birmingham mietete der Täter das Auto, mit dem er au minster Bridge in London Passanten niederfuhr. Er stammte aus der Region, den West Midlands.
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