Heißer Kampf um kalte Progression
Hintergrund. Kommende Woche soll es eine Einigung zur Abschaffung der kalten Progression geben. Sagt die Koalition offiziell. Hinter den Kulissen brodelt es freilich zwischen SPÖ und ÖVP nach dem jüngsten Vorschlag von Finanzminister Schelling.
Hinter den Kulissen brodelt es zwischen SPÖ und ÖVP wegen des neuen Vorschlags von Finanzminister Schelling zur kalten Progression.
Wien. Es sind solche Zeilen, aus denen Koalitionsstreits werden: „Der Bundesminister für Finanzen hat die neuen Grenzbeträge durch Verordnung (. . .) festzulegen.“Mit diesem Satz will Hans Jörg Schelling (ÖVP) die Möglichkeit an sich reißen, alle sechs Steuerstufen an die Inflation anzupassen und damit die kalte Progression für alle Steuerzahler abzuschaffen. Im Arbeitsprogramm der Regierung, auf das man sich Ende Jänner verständigt hatte, steht das anders: Nur die ersten zwei Stufen (bis 18.000 Euro brutto pro Jahr) werden nach einer kumulierten Inflation von fünf Prozent angepasst. „Über die weiteren Entlastungsmaßnahmen (in den anderen Steuerstufen, Anm.) entscheidet die Politik.“
Die SPÖ will mit diesem Passus sicherstellen, dass nur die un- teren Einkommensbezieher automatisch entlastet werden, weil sie auch stärker von der Inflation betroffen seien. Dass die ÖVP, die auch die höheren Einkommen entlasten wollte, dem zugestimmt hatte, war eine der Überraschungen des Koalitionsprogramms 2.0.
Offenbar will Schelling nun das damalige Nachgeben mit einem entsprechenden Gesetzentwurf korrigieren. Sein Vorhaben kommentiert man in der SPÖ offiziell entspannt. „Das ist seine Position. Für uns gilt, was im Regierungsprogramm neu steht. Kommende Woche finden dazu Gespräche statt, dann wird man sehen“, heißt es im Büro von Kanzleramtsminister Thomas Drozda. Der Minister zeigt sich jedenfalls sehr zuversichtlich: Er glaube, dass „wir nächste Woche zu einem Ergebnis kommen können“, erklärte er am Dienstag im Ministerrat.
Hinter den Kulissen brodelt es freilich bei der SPÖ. Der SchellingEntwurf sei „eine Provokation“. „Man hat darüber verhandelt, man hat sich geeinigt, und jetzt legt er einen Entwurf vor, von dem er weiß, dass er für uns so nicht annehmbar ist“, meinte ein hochrangiger SPÖ-Mitarbeiter.
„Sache des Nationalrats“
Es wäre einzigartig, würde der Finanzminister über eine Steuermaßnahme einfach allein per Verordnung entscheiden. „Das ist Sache des Nationalrats, deshalb wird ja im Pakt ausdrücklich ,die Politik‘ erwähnt.“Ein anderer SPÖ-Mitarbeiter ärgert sich: „Darüber jetzt wieder zu debattieren kostet Zeit und Energie und ist einfach nur mühsam.“
Im Büro von Hans Jörg Schelling reagiert man offiziell ebenfalls nüchtern: „Das ist unser Vor- schlag, der genau der Vereinbarung der Koalition entspricht“, sagt eine Sprecherin. „Darüber wird jetzt verhandelt werden.“
In der ÖVP macht man freilich klar, dass es um mehr geht: „Die kalte Progression ist kein Umverteilungsinstrument.“Alle Steuerzahler müssten gleich behandelt werden. „Derzeit ist die kalte Progression ein jährliches Geschenk des Steuerzahlers an den Staat, und damit soll es vorbei sein – für alle und nicht nur für die in den ersten beiden Stufen.“
Zwar werden durch die Anpassung der ersten beiden Steuerstufen an die Inflation auch die Bezieher höherer Einkommen entlastet. Allerdings um maximal 227,50 Euro im Jahr, wie die Agenda Austria für die „Presse“errechnet hat.
Die SPÖ wiederum spricht von einer Umverteilung von unten nach oben durch das Schelling- Vorhaben. Sie legt Berechnungen vor, wonach ein Mindestpensionist nach diesem Modell nichts erhalte, ein Sektionschef mit monatlich 10.500 Euro aber 600 Euro pro Jahr und ein Topmanager mit 94.000 Euro sogar 3100 Euro im Jahr.
Wie ein Kompromiss in der Frage aussehen könnte, weiß derzeit niemand. Man steht wieder dort, wo man vor zwei Jahren mit der Diskussion begonnen hat. Nur das Zeitvorhaben ist klar: Die Vereinbarung soll im April durch den Ministerrat.