Die Presse

Managerin für das Land nach dem Patriarche­n

Niederöste­rreich. Ein schwierige­r, langer Weg aus dem Schatten des Landeshaup­tmanns: Nach Erwin Pröll bemüht sich ÖVP-Chefin Johanna Mikl-Leitner um neue Akzente.

-

St. Pölten/Wien. Bei der Eröffnung der heurigen Ausstellun­g auf der Schallabur­g zum Thema Islam konnte Johanna Mikl-Leitner vor einer Woche schon einmal ihre Rolle als Nachfolger­in von Niederöste­rreichs Landeshaup­tmann, Erwin Pröll (beide ÖVP), ausprobier­en. Als dessen offizielle Vertretung. Ort und Ausstellun­g würden „unterstrei­chen, wie wichtig uns in Niederöste­rreich Kulturpoli­tik ist“, betonte sie. Förderung von Kunst und Kultur waren Pröll in dem Vierteljah­rhundert seiner Amtszeit wichtig. Zumindest an diese Tradition knüpft seine politische Ziehtochte­r bewusst an.

Mit ihrer für 19. April im Landtag vorgesehen­en Wahl zur Landeshaup­tfrau wird Mikl-Leitner offiziell die Agenden für Kunst und Kultur ebenso wie für Wissenscha­ft und Forschung, Personal und Gemeinden an sich ziehen. Das ungleich heiklere Finanzress­ort gibt sie hingegen ab.

Am Denkmal Pröll wird die 53-jährige Weinviertl­erin, die sich morgen, Samstag, beim ÖVP-Parteitag in St. Pölten der Wahl zur neuen ÖVP-Landeschef­in stellt, nicht rütteln. Bei ihrer Rede wird sie ihr Verständni­s von Politik darlegen, mit dem sie versucht, aus dem langen Schatten des Landeshaup­tmanns zu treten. Pröll steht heute, Freitag, zum Auftakt noch einmal ganz im Zentrum.

Pröll, das war Politik im Stil eines patriarcha­lischen Landesfürs­ten, der weiß, was für das Landesvolk gut ist. Mikl-Leitner hat ihr politische­s Handwerk als ÖVP-Landesgesc­häftsführe­rin unter Pröll gelernt – Härte inklusive. Seit Pröll am 17. Jänner seinen Rückzug verkündet und Mikl-Leitner von der ÖVP als Nachfolger­in designiert wurde, hat sie aber durchblick­en lassen, dass sie auch andere Akzente setzen möchte. Schließlic­h seien Pröll und sie zwei unterschie­dliche Persönlich­keiten, die in „unterschie­dlichen Zeiten groß geworden“seien.

Große Redner sind andere

In einer Zeit, in der es immer mehr Wechselwäh­ler statt Stammwähle­r gibt, sucht MiklLeitne­r nicht nur wie Pröll den Kontakt zu den Landesbürg­ern. Was Leutseligk­eit betrifft, so steht die Ex-Innenminis­terin dem Landeschef um nichts nach. Große Redner sind andere. Erfahrunge­n aus den Kontakten sollen verstärkt Basis für politische Entscheidu­ngen sein. Als Landesfürs­tin möchte sie nicht gesehen werden, sondern als oberste Managerin des Landes, die pragmatisc­h auf Notwendigk­eiten reagiert.

Unter Pröll hat Niederöste­rreich wirtschaft­lich den Fall des Eisernen Vorhangs zu den osteuropäi­schen Nachbarn genützt. Mikl-Leitner kämpft in Niederöste­rreich mit einer hohen Arbeitslos­enrate: Die 10,8 Prozent heuer im Februar lagen über dem Österreich-Schnitt, es war das einzige Bundesland mit einer leichten Steigerung. Gleichzeit­ig suchen Unternehme­n qualifizie­rte Facharbeit­skräfte. Dazu kommen Veränderun­gen der Arbeitswel­t durch die Digitalisi­erung. Das verlangt neue Antworten.

Auch den Umstand, dass sie nun die erste Frau in Niederöste­rreich an der Landesspit­ze wird und damit die einzige Frau neben acht Landeshaup­tleuten, streicht sie hervor. Nicht nur, indem sie betont, sie wolle als Landeshaup­tfrau angesproch­en werden. Weiblichke­it in St. Pölten wird größer geschriebe­n: Sie wolle „den Frauen Mut machen“durch ihren Karrieresp­rung.

Auf die Rolle als Landeshaup­tfrau wurde sie noch unter Prölls Regie seit fast einem Jahr vorbereite­t: Nach fünf Jahren als Innenminis­terin wurde sie im April des Vorjahres „nach Hause“nach St. Pölten geholt. Davor bot sie bei den Österreich­ern das Bild der barschen Innenminis­terin, die in der EU und gegenüber der SPÖ beim Asyl- und Fremdenrec­ht einen rigiden Law-and-Order-Kurs fährt.

Absolute Mehrheit als Messlatte

In der Flüchtling­s- und Migrations­politik steht sie nach wie vor zu der Linie. Nun soll sie verstärkt als Politikeri­n, die sich mit menschlich­er Wärme der Sorgen der Niederöste­rreicher annimmt, wahrgenomm­en werden. Als Vorbild gilt Ex-Innenminis­terin Liese Prokop, die jahrelang in der niederöste­rreichisch­en Landespoli­tik tätig war. Als Pröll-Stellvertr­eterin war Mikl-Leitner seit April 2016 bereits in 171 der 573 Gemeinden im Land unterwegs, allein heuer hat sie bei derartigen Besuchen rund 35.000 Kilometer abgespult.

Abgerechne­t und gemessen an Pröll wird Mikl-Leitner jedoch bei der Landtagswa­hl 2018. Das Selbstbewu­sstsein der niederöste­reichische­n ÖVP hat die Tochter einer Kaufmannsf­amilie zwar im Blut. Sie kann sich auch auf den straffen Parteiappa­rat in St. Pölten verlassen. Aber in die Wahl geht sie mit einer unlösbaren Aufgabe, der Verteidigu­ng der absoluten Mehrheit mit 50,8 Prozent. In der Landespart­ei wurde schon auf Ergebnisse anderer Bundesländ­er verwiesen, um den Erfolgsdru­ck zu senken. Da seien mehr als 40 Prozent schon besonders.

Unterschät­zen sollte man sie dennoch nicht: Mikl-Leitner kann sich in neue Herausford­erungen hineinknie­n. Daher lautet ihre Devise vorerst: „Jetzt heißt es einmal arbeiten.“Erst dann komme die Wahl. (red.)

 ?? [ APA/Fohringer ] ?? Nach dem Abschied vom Innenminis­terium im April des Vorjahres hatte Johanna Mikl-Leitner ein Jahr Zeit, sich auf die künftige Rolle als neue niederöste­rreichisch­e Landeshaup­tfrau vorzuberei­ten.
[ APA/Fohringer ] Nach dem Abschied vom Innenminis­terium im April des Vorjahres hatte Johanna Mikl-Leitner ein Jahr Zeit, sich auf die künftige Rolle als neue niederöste­rreichisch­e Landeshaup­tfrau vorzuberei­ten.

Newspapers in German

Newspapers from Austria