Wie Breitbart die Agenda setzte
Medien und Propaganda. Eine neue Studie zeigt, dass die rechtsautoritäre Website Breitbart News im US-Wahlkampf auch seriöse Medien auf Trumps Terrain zog.
Was macht das Internet mit unserer Debattenkultur? Die herkömmliche Antwort auf diese Frage ist fatalistisch: Facebook und Twitter sortieren uns mittels ausgeklügelter Formeln entlang unserer Vorlieben in streng voneinander abgeschottete digitale Silos. Dort gären wir in unserem eigenen Saft, stets von gleichgeformten Ansichten in unserer Haltung bekräftigt. Der Meinungsaustausch über die weltanschaulichen Schützengräben hinweg wird auf diese Weise technologisch verunmöglicht.
Doch eine Studie von Medienforschern der Harvard University und des Massachusetts Institute of Technology (MIT) stellt diese Erklärung anhand empirischer Daten infrage. Das Internet und die sozialen Medien, argumentieren Yochai Benkler, Robert Faris, Hal Roberts und Ethan Zuckerman in ihrer von der „Columbia Journalism Review“veröffentlichten Studie, haben die Anhänger von Donald Trump und Hillary Clinton während des jüngsten Präsidentschaftswahlkampfes nicht automatisch in voneinander abgeschottete, mehr oder weniger gleich große ideologische Blasen sortiert.
Vielmehr wurde die rechtsautoritäre Website Breitbart News zu einem derart starken Pol der extrem rechten Meinungsmache gegen Clinton, dass nach und nach auch seriöse Massenmedien wie die „New York Times“, die „Washington Post“oder CNN sich unverhältnismäßig stark den Themen zuwandten, die Breitbart vorgab. „Ein extrem rechtes Mediennetz rund um Breitbart entwickelte sich zu einem ausgeprägten und isolierten Mediensystem, das die sozialen Medien dafür nutzte, eine hyperparteiische Sicht der Welt zu übermitteln“, schreiben die Studienautoren. „Diese Pro-Trump- Mediensphäre scheint nicht nur erfolgreich die Agenda für die konservative Mediensphäre vorgegeben, sondern auch die breitere Medienagenda beeinflusst zu haben, vor allem hinsichtlich der Berichterstattung über Hillary Clinton.“
Politik und Kultur, nicht Technologie
Wie untersucht man so etwas? Benkler, Faris, Roberts und Zuckerman griffen auf mehr als 1,25 Millionen Nachrichtenartikel zu, die im Internet zwischen dem 1. April 2015 und dem Wahltag am 8. November 2016 verbreitet worden waren. Sie fragten sich: „Wenn eine Person einen Link von Breitbart teilt, ist er oder sie eher geneigt, auch einen Link von Fox News oder von der ,New York Times‘ zu teilen?“Mithilfe eines Computerprogramms untersuchten sie die Muster des Verlinkens von Nachrichtenartikeln auf Facebook und Twitter. So zeigte sich, dass rund um Breitbart rechts der Mitte ein mediales Ökosystem entstand, dem links der Mitte ein entsprechendes Gegenüber fehlte. Würde die eingangs skizzierte Theorie von der automatisierten Filterung unseres Medienkonsums durch die Algorithmen von Facebook und
wurde 2007 vom rechten Medienprovokateur Andrew Breitbart gegründet. Nach seinem Tod übernahm 2012 der frühere Marineoffizier und Investmentbanker Stephen K. Bannon die Führung. Er machte Breitbart zum Sprachrohr der rechtsautoritären Nationalisten, die die USA ständig von Weltverschwörern und Vaterlandsverrätern heimgesucht sehen. Mit Donald Trump fand Bannon einen Präsidentschaftskandidaten, der die Dinge ebenso sieht. Heute ist er Trumps strategischer Berater im Weißen Haus, Breitbarts Ex-Sicherheitsredakteur Sebastian Gorka ist AntiTerror-Experte im Nationalen Sicherheitsrat. Twitter stimmen, dann hätte es symmetrischerweise ein linkes Pendant geben müssen. Doch dem war nicht so.
Breitbarts Deutungsmacht während des Wahlkampfs war also menschengemacht. „Die vorrangige Erklärung für so eine asymmetrische Polarisierung ist eher Politik und Kultur als Technologie. Unterschiedliche interne politische Dynamiken in der Rechten und Linken haben zu unterschiedlichen Mustern in Wahrnehmung und Verwendung der Technologie geführt“, schreiben die Autoren. „Diese Muster können das Ergebnis einer koordinierten Kampagne sein, eine entstehende Eigenschaft dezentralisierten Verhaltens, oder beides.“
Die Forscher analysierten in einem zweiten Schritt die Inhalte dieser im Internet geteilten Artikel. Es zeigte sich: Mit fortlaufendem Wahlkampf begannen auch die etablierten Medien, immer mehr über Clintons E-Mails, die Clinton-Stiftung und illegale Einwanderung zu berichten – also Breitbarts Leibthemen. So wurde der gesamte mediale Diskurs auf Trumps Seite gezogen.
Es geht nicht um „Fake News“
Die Autoren betonen, dass dieses Phänomen nichts mit „Fake News“, also der freien Erfindung schriller Behauptungen, zu tun habe. „Viele der am öftesten geteilten Artikel können zutreffender als Desinformation verstanden werden: als der absichtliche Einbau wahrer oder teilweise wahrer Teilchen von Information in eine irreführende Botschaft.“Sie warnen: „Der Einsatz von Desinformation durch parteiische Medien ist nicht neu oder auf den rechten Flügel beschränkt, sehr wohl aber die Isolierung der parteiischen rechten Medien von traditionellen Medienquellen und die Vehemenz ihrer Angriffe auf den Journalismus im Gleichtakt mit einem gleichermaßen unverblümten Präsidenten.“