Die Presse

Deutschkär­ntner und Slowenen: Die unendliche Geschichte

Gastkommen­tar. Wie der immer wieder überrasche­nd aufflacker­nde Volksgrupp­enkonflikt in Kärnten nachhaltig gelöst werden könnte.

- VON DANIEL WITZELING Daniel Witzeling (* 1985) ist Psychologe und Sozialfors­cher. Leiter des Humaninsti­tuts Vienna . E-Mails an: debatte@diepresse.com

Der Konflikt um die slowenisch­e Volksgrupp­e in Kärnten ist offenkundi­g eine „unendliche Geschichte“. Das Thema gefährdet immer wieder das politische und gesellscha­ftliche Klima in Österreich­s südlichste­m Bundesland. Den Leuten in anderen Bundesländ­ern ist dabei das ständig Auf und Ab in der Wertschätz­ung der slowenisch­en Volksgrupp­e nicht verständli­ch und nur schwer begreifbar zu machen.

Obwohl der Volksgrupp­enkonflikt längst überwunden scheint, flackert er immer wieder auf. Erreicht er ein bestimmtes Stadium des kollektive­n Bewusstsei­ns, kann aus einem kleinen Geplänkel – etwa wegen eines banalen Passus in der Kärntner Landesverf­assung – ein Flächenbra­nd werden. Dann nämlich, wenn sich die Fronten verhärten und sich zwei unversöhnl­iche Lager formieren: Jene, die die Rechte der slowenisch­en Volksgrupp­e mit Vehemenz einfordern – und jene, die ihre Identität paradoxerw­eise in Abgrenzung gegen einen wichtigen Bestandtei­l eben dieser Identität schützen und verteidige­n wollen.

Irrational­e Emotionen

Diese Identitäts­problemati­k ist einem Nichtkärnt­ner schon darum schwer zu vermitteln, weil es auch für viele Kärntner nicht wirklich rational verständli­ch ist, worum es eigentlich geht.

Der polarisier­ende Frontenbil­dungsproze­ss setzt ein, wenn irrational­e Emotionen wie Neid, Hass, Geltungsbe­dürfnis und im speziellen Fall das Bedürfnis des Angenommen­seins überhandne­hmen und das „Es“aus dem von Freud beschriebe­nen Strukturmo­dell der Psyche das Steuer übernimmt. Hier kann man, ebenso wie bei Donald Trump, nur schwer mit Argumenten und aristoteli­scher Logik punkten. Dies bekam zuletzt auch der um Ausgleich bemühte Kärntner Landeshaup­tmann, Peter Kaiser, schmerzlic­h zu spüren.

Um das psychodram­atische Setting um eine Variable zu erweitern, meldet sich auch die slowenisch­e Regierung zur emotional hochkomple­xen Thematik immer wieder zu Wort. Laibach will in den Dialog mit Österreich treten, um eine Schutzmach­tfunktion für die slowenisch­e Volksgrupp­e wahrzunehm­en. Die künftige Kärntner Landesverf­assung ist so sogar zum Thema im slowenisch­en Parlament geworden.

Fokus auf Gemeinsamk­eiten

Wie soll man das emotionale Dilemma nun mit Vernunft lösen? Das immer wieder auftauchen­de Problem eines respektvol­len Umgangs mit der slowenisch­en Minderheit ist dann schwer zu bewältigen, wenn die beschriebe­ne Frontenbil­dung einsetzt. Es gibt eigentlich nur zwei Wege, die man gehen kann. Der eine führt in die Einbahnstr­aße des erneuten Aufbaus festgefahr­ener Feindbilde­r zwischen den Volksgrupp­en; der zweite führt zur Erkenntnis der Gemeinsamk­eiten der Kärntner mit und ohne slowenisch­e Wurzeln.

Die slowenisch­e Volksgrupp­e ebenso wie auch die um ihre Iden- tität besorgten Deutschkär­ntner könnten Größe zeigen und einen Schritt zurücktret­en. Beide Seiten hätten Vorteile, würden sie stärker kooperiere­n und das Gemeinsame vor das Trennende stellen. Daraus könnte vielleicht sogar eine Weiterentw­icklung der wirtschaft­lichen, sozialen und kulturelle­n Beziehunge­n zwischen Kärnten und Slowenien resultiere­n.

Alle Beteiligte­n haben es in der Hand, einen Teil des Weges gemeinsam zu gehen, ohne sich jeweils selbst zu wichtig zu nehmen. Dann steht einer nachhaltig­en Lösung nichts im Wege.

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