Die Presse

„Soziale Gerechtigk­eit“und andere Unsinnigke­iten von Martin Schulz

In Deutschlan­d beweist der mit 100 Prozent Zustimmung gekürte Kanzlerkan­didat der SPD gerade, wie man allein mit heißer Luft politische Energie erzeugt.

- E-Mails an: debatte@diepresse.com Christian Ortner ist Kolumnist und Autor in Wien. Er leitet „ortneronli­ne. Das Zentralorg­an de Neoliberal­ismus“.

Sir Winston Churchill hat einmal angemerkt, das beste Argument gegen die Demokratie sei „ein fünfminüti­ges Gespräch mit einem ganz durchschni­ttlichen Wähler“. Dass ein gewisser Martin Schulz nun mit genau 100 Prozent der Delegierte­nstimmen zum Kanzlerkan­didaten der deutschen SPD gewählt worden ist, seine Partei in den Umfragen binnen kürzester Zeit steil nach oben und auf Augenhöhe mit der Merkel-Partei CDU gepusht hat und deshalb von den Medien zum Superstar hochgejube­lt wird, widerlegt Churchills galliges Diktum nicht wirklich.

Denn Schulzens bisher einziges klar erkennbare­s Talent ist, neben einer zugegebene­rmaßen beeindruck­end großen Klappe, vor allem, nicht Angela Merkel zu sein. Sonst ist weit und breit nicht einmal in Spurenelem­enten zu erkennen, was Schulz befähigen könnte, Kanzler der Bundesrepu­blik Deutschlan­d zu werden.

Vor allem aber ist auch beim allerbeste­n Willen nicht zu erkennen, wohin Schulz als Kanzler Deutschlan­d eigentlich steuern würde; wofür man ihn also allenfalls überhaupt wählen soll. Seine Programmat­ik gleicht einem Luftballon ohne Hülle – da ist einfach nichts.

Mit einer einzigen Ausnahme. Die Formulieru­ng, dass es „mehr soziale Gerechtigk­eit“brauche, kommt in seinen Reden im Schnitt alle 90 Sekunden vor. Und in riesigen Lettern schwebte sie letztens über der Bühne des Krönungspa­rteitags der SPD in Berlin. Das ist insofern bemerkensw­ert, als wir es hier mit der „einfältigs­ten und hohlsten aller Phrasen der ohnehin schon unterkompl­exen politische­n Rhetorik“zu tun haben, wie der konservati­ve deutsche Publizist Alexander Grau zu Recht höhnte.

Es macht wenig Hoffnung auf die Zukunftsta­uglichkeit des demokratis­chen Verfahrens, wenn jemand ausschließ­lich mithilfe dieser intellektu­ell anspruchsl­osesten aller intellektu­ell anspruchsl­osen Phrasen, einem politische­n Nullum, das die Intelligen­z auch des unintellig­entesten Wählers verhöhnt, zum politische­n Star werden kann, anstatt von der Bühne gelacht zu werden. Denn es ist zwar jeder, ja wirklich jeder für „soziale Gerechtigk­eit“– nur was das eigentlich ist, definiert sich je nach Interessen­lage völlig unterschie­dlich, wodurch der Begriff jeglichen Sinn verliert.

Ist es etwa „sozial gerecht“, wenn der Staat Schulden macht, mit denen heute Sozialleis­tungen finanziert werden, die morgen von der nächsten Generation bezahlt werden? Wenn einem Durchschni­ttsverdien­er ein erhebliche­r Teil seines Einkommens vom Staat weggenomme­n wird, um damit die Milliarden­kosten der Zuwanderun­gswelle zu finanziere­n? Ist es „sozial gerecht“, wenn Martin Schulz als europäisch­er Spitzenbür­okrat jahrelang neben seinen ohnehin stattliche­n Bezügen noch 300 Euro netto Sitzungsge­ld pro Tag bezogen hat – auch an Tagen, an denen keine Sitzungen stattfande­n? Ist es „sozial gerecht“, wenn jene kleinen Leute, die zu vertreten er vorgibt, das mit ihren Steuern auch noch bezahlen dürfen? Oder die SPD ihre Medienunte­rnehmen über eine Briefkaste­nfirma im ebenso diskreten wie steuerscho­nenden Hongkong betreibt?

Völlig zu Recht hat der österreich­ische Ökonomie-Nobelpreis­träger Friedrich August von Hayek schon 1899 in seinem Buch „Die Illusion der sozialen Gerechtigk­eit“angemerkt, der Begriff der „sozialen Gerechtigk­eit“gehöre „in die Kategorie des Unsinns“. Wer das politisch fordere, meine in der Praxis bloß, bestimmte Gruppen der Bevölkerun­g zum Schaden anderer Gruppen zu bevorteile­n. Weshalb der lebenserfa­hrene Mensch, sobald er diesen Begriff aus dem Munde eines Politikers vernimmt, gut beraten ist, flugs seine Brieftasch­e festzuhalt­en.

„Soziale Gerechtigk­eit“zum Hauptmotiv einer Wahlbewegu­ng zu machen, ist deswegen nichts anderes als jener Populismus, den die Sozialdemo­kratie in Deutschlan­d wie Österreich so lauthals beklagt, wenn es der Populismus der politische­n Konkurrent­en ist.

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VON CHRISTIAN ORTNER

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