Richtige Zahlen, falsche Rückschlüsse
Von Selbstzweck und gar von „Willkür“kann bei der Verwirklichung der Infrastrukturprojekte der ÖBB keine Rede sein.
In seiner „Bilanz“-Kolumne unter dem Titel „Falsche Prognosen, echte Milliarden“(17. 3.) führt Josef Urschitz viele richtige Zahlen an, zieht jedoch völlig falsche Schlüsse. Richtig ist, dass der Ausbau der Bahn in Österreich seit einigen Jahren auf Hochtouren läuft. Richtig ist auch, dass die neuen Strecken, die Modernisierung der Bahnhöfe und die Tunnelprojekte Steuergeld kosten. Falsch ist hingegen, so zu tun, als wäre das ein Spezifikum der Eisenbahn.
So ist das eben mit allen Infrastrukturinvestitionen: Sie kosten zuerst Geld, das eine Volkswirtschaft in den folgenden Jahrzehnten wieder erwirtschaftet. Deshalb investieren ja auch alle entwickelten Staaten in Infrastrukturprojekte. Hinzu kommen umweltpolitische Überlegungen, wie die Verpflichtungen, Klimaschutzziele zu erreichen, ebenso wie Überlegungen der fairen Anteilnahme aller Mitglieder in unserer Gesellschaft, was entscheidend mit leistbarer Mobilität zu tun hat.
Das alles kann man natürlich vom Tisch wischen und Infrastrukturinvestitionen – vor allem jene in die Bahn – generell infrage stellen, wie Herr Urschitz das tut. Man kann dafür auch widersprüchliche Prognosen heranziehen, um seine Argumente zu untermauern, wie das Herr Urschitz tut. Zu einer Versachlichung der Debatte trägt das aber sicher nicht bei.
Veraltetes Streckennetz
Fakt ist, dass die ÖBB die angesprochenen Infrastrukturprojekte nicht zum Selbstzweck realisiert. Und auch von „Willkür“kann keine Rede sein: Der heimische Bahnausbau basiert auf dem von der Bundesregierung beschlossenen Gesamtverkehrsplan mit dem Bahn-Zielnetz 2025. Die Politik hat nämlich entschieden, dass wir unser Streckennetz, das zu über 70 Prozent aus der Zeit der Monarchie stammt, endlich wettbewerbsfähig machen müssen.
Dass die Regierung damit richtig lag und dass der Ausbau der Bahn wirkt, zeigt ein Blick auf die Entwicklung der Fahrgastzahlen: Allein 2016 haben um vier Millionen mehr Kundinnen und Kunden die Bahn genutzt. Das Gleiche gilt für den Güterverkehr auf der Schiene, dessen Anteil am Gesamtaufkommen in Österreich seit Jahren – trotz aller Unkenrufe – stabil bei über 30 Prozent liegt. Ein europäischer Spitzenwert.
Ausbau der Südstrecke
Deshalb bauen wir nun an der Südstrecke. Denn, was auf der Weststrecke funktioniert hat, wird auch hier klappen – schließlich wohnen gleich viele Menschen zwischen Wien, Graz und Klagenfurt wie zwischen Wien, Linz und Salzburg. Ab 2026 ist die Bahn in den Süden konkurrenzfähig. Dann geht’s in zwei Stunden 40 Minuten von Wien nach Klagenfurt statt heute in rund vier Stunden; und in 45 Minuten von Klagenfurt nach Graz.
Man kann den begonnenen Ausbau der Südstrecke natürlich infrage stellen, weil im Abschnitt zwischen Klagenfurt und Villach kein Ausbau vorgesehen ist, wie das Herr Urschitz tut. „Dann kann man ja gleich alles lassen, wie es ist“, so die These. Das sehen wir nicht so: Fakt ist, dass zwischen Klagenfurt und Villach für die nächsten Jahre genügend Kapazitäten vorhanden sind. Heute fahren hier 175 Züge, davon 80 Güterzüge. 2026 werden es 220 Züge sein, vor allem mehr Personenzüge, sprich S-Bahnen und Railjets. Aktuell wäre ein Ausbau dieses Streckenabschnitts dem Steuerzahler daher nicht zumutbar.
Infrastrukturprojekte der Bahn haben eine Vorbereitungszeit von 25 bis 30 Jahren und werden für rund 150 Jahre errichtet. Daher ist es weder möglich noch sinnvoll, mit einzelnen Projekten auf jede „Wirtschaftsdelle“zu reagieren, sie – wie einen Lichtschalter – einmal auf „An“und dann auf „Aus“zu stellen. Ein solch sprunghaftes Verhalten würde von Herrn Urschitz sicher kritisiert werden. Und zwar völlig zu Recht.