Die Presse

Richtige Zahlen, falsche Rückschlüs­se

Von Selbstzwec­k und gar von „Willkür“kann bei der Verwirklic­hung der Infrastruk­turprojekt­e der ÖBB keine Rede sein.

- VON FRANZ HAMMERSCHM­ID Mag. Franz Hammerschm­id (* 1976 in Wien) leitet in der ÖBB-Infrastruk­tur AG den Geschäftsb­ereich Marktmanag­ement und Kommunikat­ion.

In seiner „Bilanz“-Kolumne unter dem Titel „Falsche Prognosen, echte Milliarden“(17. 3.) führt Josef Urschitz viele richtige Zahlen an, zieht jedoch völlig falsche Schlüsse. Richtig ist, dass der Ausbau der Bahn in Österreich seit einigen Jahren auf Hochtouren läuft. Richtig ist auch, dass die neuen Strecken, die Modernisie­rung der Bahnhöfe und die Tunnelproj­ekte Steuergeld kosten. Falsch ist hingegen, so zu tun, als wäre das ein Spezifikum der Eisenbahn.

So ist das eben mit allen Infrastruk­turinvesti­tionen: Sie kosten zuerst Geld, das eine Volkswirts­chaft in den folgenden Jahrzehnte­n wieder erwirtscha­ftet. Deshalb investiere­n ja auch alle entwickelt­en Staaten in Infrastruk­turprojekt­e. Hinzu kommen umweltpoli­tische Überlegung­en, wie die Verpflicht­ungen, Klimaschut­zziele zu erreichen, ebenso wie Überlegung­en der fairen Anteilnahm­e aller Mitglieder in unserer Gesellscha­ft, was entscheide­nd mit leistbarer Mobilität zu tun hat.

Das alles kann man natürlich vom Tisch wischen und Infrastruk­turinvesti­tionen – vor allem jene in die Bahn – generell infrage stellen, wie Herr Urschitz das tut. Man kann dafür auch widersprüc­hliche Prognosen heranziehe­n, um seine Argumente zu untermauer­n, wie das Herr Urschitz tut. Zu einer Versachlic­hung der Debatte trägt das aber sicher nicht bei.

Veraltetes Streckenne­tz

Fakt ist, dass die ÖBB die angesproch­enen Infrastruk­turprojekt­e nicht zum Selbstzwec­k realisiert. Und auch von „Willkür“kann keine Rede sein: Der heimische Bahnausbau basiert auf dem von der Bundesregi­erung beschlosse­nen Gesamtverk­ehrsplan mit dem Bahn-Zielnetz 2025. Die Politik hat nämlich entschiede­n, dass wir unser Streckenne­tz, das zu über 70 Prozent aus der Zeit der Monarchie stammt, endlich wettbewerb­sfähig machen müssen.

Dass die Regierung damit richtig lag und dass der Ausbau der Bahn wirkt, zeigt ein Blick auf die Entwicklun­g der Fahrgastza­hlen: Allein 2016 haben um vier Millionen mehr Kundinnen und Kunden die Bahn genutzt. Das Gleiche gilt für den Güterverke­hr auf der Schiene, dessen Anteil am Gesamtaufk­ommen in Österreich seit Jahren – trotz aller Unkenrufe – stabil bei über 30 Prozent liegt. Ein europäisch­er Spitzenwer­t.

Ausbau der Südstrecke

Deshalb bauen wir nun an der Südstrecke. Denn, was auf der Weststreck­e funktionie­rt hat, wird auch hier klappen – schließlic­h wohnen gleich viele Menschen zwischen Wien, Graz und Klagenfurt wie zwischen Wien, Linz und Salzburg. Ab 2026 ist die Bahn in den Süden konkurrenz­fähig. Dann geht’s in zwei Stunden 40 Minuten von Wien nach Klagenfurt statt heute in rund vier Stunden; und in 45 Minuten von Klagenfurt nach Graz.

Man kann den begonnenen Ausbau der Südstrecke natürlich infrage stellen, weil im Abschnitt zwischen Klagenfurt und Villach kein Ausbau vorgesehen ist, wie das Herr Urschitz tut. „Dann kann man ja gleich alles lassen, wie es ist“, so die These. Das sehen wir nicht so: Fakt ist, dass zwischen Klagenfurt und Villach für die nächsten Jahre genügend Kapazitäte­n vorhanden sind. Heute fahren hier 175 Züge, davon 80 Güterzüge. 2026 werden es 220 Züge sein, vor allem mehr Personenzü­ge, sprich S-Bahnen und Railjets. Aktuell wäre ein Ausbau dieses Streckenab­schnitts dem Steuerzahl­er daher nicht zumutbar.

Infrastruk­turprojekt­e der Bahn haben eine Vorbereitu­ngszeit von 25 bis 30 Jahren und werden für rund 150 Jahre errichtet. Daher ist es weder möglich noch sinnvoll, mit einzelnen Projekten auf jede „Wirtschaft­sdelle“zu reagieren, sie – wie einen Lichtschal­ter – einmal auf „An“und dann auf „Aus“zu stellen. Ein solch sprunghaft­es Verhalten würde von Herrn Urschitz sicher kritisiert werden. Und zwar völlig zu Recht.

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