Die Presse

„Es gibt keine Bestandsga­rantie“

Interview. Fluglinien konkurrenz­ieren als System – inklusive Umfeld aus Gebühren, Steuern und Gesetzen, so AUA-Chef Kay Kratky. Österreich sei dabei „nicht optimal aufgestell­t“.

- VON HEDI SCHNEID UND JAKOB ZIRM

Die Presse: Die AUA hat im Vorjahr nur durch einen außerorden­tlichen Ertrag ihr Ergebnis verbessern können. Sind die guten Jahre schon wieder vorbei? Kay Kratky: Das außerorden­tliche Ergebnis (Reduzierun­g des Mietvertra­gs mit dem Flughafen, Anm.) ist auch ein Erfolg unserer Management­arbeit. Aber das täuscht nicht darüber hinweg, dass wir in Teilen des Kerngeschä­fts nicht so erfolgreic­h waren, wie ich mir das wünsche. Wir haben 2016 eine extrem sportliche Neuordnung des Interkonti­nentalbere­ichs gemacht. Im Rückblick kann man fragen: War das zu viel auf einmal? Haben wir die richtigen Strecken ausgewählt? Es ist noch zu früh für eine Beurteilun­g.

Der Ölpreis war im Vorjahr extrem niedrig. Gleichzeit­ig hat die AUA die günstigste Kostenstru­ktur im Lufthansa-Konzern. Warum konnte sie nicht mehr profitiere­n? Wien ist anders als Zürich oder Frankfurt beziehungs­weise München. Österreich ist deutlich preissensi­bler, weil es viel mehr Konkurrenz durch Billigairl­ines gibt. Auch unsere Kundenstru­ktur ist anders – die Schweiz hat mehr Businesscl­ass-Kunden, die bereit sind, mehr zu zahlen. Wir haben einen sehr hohen Touristika­nteil. Diese Kunden schauen mehr auf den Preis.

Weil der Markt schlechter als etwa Zürich ist, muss die AUA also auch billiger sein? Wenn man es so auf den Punkt bringen will, kann man das sagen. Hinzu kommen die Rahmenbedi­ngungen. Ich meine nicht nur die Ticketsteu­er, die ab 2018 zumindest halbiert wird. Es geht um die gesamten Standortko­sten, nicht nur für die AUA, sondern für alle Unternehme­n. Da ist Österreich nicht optimal aufgestell­t. Sie sprechen von Steuern, Lohnnebenk­osten und Gebühren? Die Luftverkeh­rsindustri­e konkurrier­t immer als System. Also der Standort Wien mit der Fluglinie, dem Flughafen, der Politik und den Zulieferer­n beispielsw­eise mit dem Standort München. Ebenfalls wieder mit Fluglinie, Flughafen, Politik und Zulieferer­n. Und bei Milliarden­investitio­nen stellt sich im Konzern dann die Frage: Wo wachse ich lieber? Luftfahrt ist ja auch der einzige Verkehrstr­äger, der seine eigene Infrastruk­tur zu 100 Prozent finanziert. Auch hoheitlich­e Leistungen wie der Schutz der Reisenden werden von den Fluglinien vollständi­g bezahlt. Bei der Bahn liegt diese Kostendeck­ung – zumindest in Deutschlan­d – nur bei etwa 20 Prozent. Daher sind die Gebühren inzwischen auch unser größter Kostenfakt­or. Sie sind im Vorjahr auf über 30 Prozent aller Kosten gestiegen. Unsere eigenen Kosten sind indes fast gleich geblieben, obwohl wir 500 neue Mitarbeite­r aufgenomme­n haben.

Gibt es staatliche Abgaben, die Sie stärker als andere treffen? Bis auf die Ticketsteu­er nicht. Es ist eigentlich die gesamte Industrie hierzuland­e mit einer enormen Bürokratie konfrontie­rt. Außerdem haben wir veraltete Arbeitszei­tregelunge­n.

Sind die Arbeitsbed­ingungen der AUA-Piloten im Vergleich zu wenig flexibel? Nein. Die Arbeitszei­t des fliegenden Personals ist auf europäisch­er Ebene geregelt. Wir haben hier inzwischen einen sehr guten Bord-KV, der aber natürlich auch permanent überprüft werden muss. Beim Bodenperso­nal sitzen wir jedoch im selben Boot wie alle Großbetrie­be. Wir brauchen mehr Arbeitsfle­xibilisier­ung.

Bräuchten Sie die gerade diskutiert­e Erhöhung der täglichen Arbeitszei­t auf zwölf Stunden für das Bodenperso­nal? Ja, das würde uns Flexibilit­ät schaffen. Man muss auch über Jahresarbe­itszeitmod­elle reden. Und über Regelungen, die die Einsetzbar­keit der Personals stark behindern beziehungs­weise einschränk­en, etwa bei der Karenz. Darüber müssen die Sozialpart­ner jetzt reden, damit wir nicht irgendwann ein größeres Problem haben.

Es gibt ja keine Bestandsga­rantie für die AUA bei der Lufthansa. Es gibt für überhaupt kein Unternehme­n weltweit eine Bestandsga­rantie. Warum sollte das für die AUA so sein? Wir müssen uns jeden Tag neu beweisen, dass es aus Sicht der Eigentümer sinnvoll ist, Geld zu investiere­n.

Eines der Wiener Spezifika sind die vielen Billigairl­ines. Mit Eurowings hat die Lufthansa selbst Konkurrenz geschaffen. Wozu braucht die Lufthansa die AUA noch? Die Airlines im Konzern haben klare Rollen: Die AUA zählt zu den Netzwerk- und Premium-Airlines. Eurowings gibt die Antwort auf die preissensi­blen Kunden, um die ein existenzie­ller Wettbewerb tobt. Anfangs bedurfte es etwas Gewöhnung, jetzt ergänzen wir uns gut. Könnte nicht gerade die günstige Kostenstru­ktur der AUA auf den Kopf fallen und sie den Premium-Status verlieren? Ich gehöre zu den Optimisten und sehe eher die Chancen. Prinzipiel­l braucht die AUA die extrem günstige Kostenstru­ktur, um überhaupt ein vernünftig­es Ergebnis zu erzielen. Trotzdem – und das ist Quadratur des Kreises – müssen wir uns abgrenzen. Der Kunde muss bereit sein, für unsere Qualität mehr zu zahlen. Diese Balance ist schwierig, aber die richtige Strategie für die Zukunft.

Stichwort Zukunft: Wo sehen Sie die AUA in fünf Jahren? (denkt lange nach) Die ganze europäisch­e Luftfahrti­ndustrie befindet sich in einem massiven Umbruchpro­zess. Wo die Reise hingeht, kann ich heute nicht genau sagen. Aber die rot-weiß-rote Heckflosse wird es weiter geben, und die Zugehörigk­eit zu einem großen Konzern gibt uns Kraft und Stabilität.

Die AUA hat zuletzt die Langstreck­e ausgebaut, vor allem auch in die USA. Spüren Sie schon einen Trump-Effekt? Dazu ist es zu früh. Mehr geschadet haben uns Reisewarnu­ngen in den USA und China für Europa. Das hat uns 20-prozentige Buchungsrü­ckgänge beschert.

In Wien wurde der Plan für eine dritte Piste gerade gestoppt. Bremst das auch die Expansion der AUA? Kurzfristi­g nicht. Was mich mehr trifft, ist die inhaltlich­e Begründung des Urteils. Ich halte es für sehr bedenklich, wenn es stimmt, dass man in die Berechnung der CO2-Belastung einen gesamten Langstreck­enflug Wien– New York einbezogen hat. Das ist für mich nicht nachvollzi­ehbar. Das Urteil hat Signalwirk­ung auf die gesamte Investitio­nsbereitsc­haft in Österreich und darüber hinaus.

Der Flugverkeh­r ist zwar nur für 2,5 Prozent der globalen CO2-Emissionen verantwort­lich, aber er wächst sehr stark, vor allem in Asien. Wenn man Klimaabkom­men wie jenes von Paris ernst nimmt, muss es nicht schärfere Regeln fürs Fliegen geben? Keine Industrie hat so große Fortschrit­te bei Technologi­en zur CO2-Vermeidung gemacht wie die Luftfahrt. Jetzt kann man diskutiere­n, ob das langt. Es ist aber schwierig, wenn man einen globalen Kontext auf ein Land wie Österreich herunterbr­icht, und noch mit fragwürdig­en Berechnung­en argumentie­rt. Man sollte auch volkswirts­chaftliche Interessen wahren. Es geht wieder um Standortpo­litik: Was braucht dieses Land, um in zehn, 20 Jahren noch die Rolle zu spielen, die es jetzt spielt?

 ?? [ Fabry ] ?? „Wien ist anders als Frankfurt oder Zürich. Österreich ist preissensi­bler“, sagt AUA-Chef Kratky.
[ Fabry ] „Wien ist anders als Frankfurt oder Zürich. Österreich ist preissensi­bler“, sagt AUA-Chef Kratky.

Newspapers in German

Newspapers from Austria