Diese Faust hat keine Kraft
Serie. Mit Marvel-Produktionen traf Netflix bislang ins Schwarze. „Iron Fist“ist die erste Enttäuschung. Dabei hätte die Serie den Hype um die „Defenders“entfachen sollen.
Nach drei vor allem atmosphärisch, aber auch narrativ äußerst befriedigenden Marvel-Produktionen des Streamingdienst-Riesen Netflix („Daredevil“, „Jessica Jones“und „Luke Cage“) wird nun ein weiterer Superheld der Binge-Gemeinde vorgestellt: „Iron Fist“. Die Story der eisernen Faust kurz erzählt: Als Zehnjähriger stürzt Danny Rand gemeinsam mit seiner Mutter und seinem Vater, einem wohlhabenden New Yorker Unternehmer, in einem Privatflugzeug im Himalaya ab. Alle drei werden für tot erklärt. Als Danny (Finn Jones) 15 Jahre später wieder in der westlichen Zivilisation auftaucht, hat sich vieles verändert. Den Rand-Konzern leiten mittlerweile seine Freunde aus Kindertagen, die Geschwister Ward (Tom Pelphrey) und Joy Meachum (Jessica Stroup). Anfangs können sie es nicht glauben, dass der barfüßige Hippie tatsächlich Danny ist. Doch das ändert sich. Und das, obwohl seine Geschichte verwunderlich klingt: Danny soll Jahre in einem Kloster im mysteriösen Ort K’un-Lun verbracht haben, wo er von Mönchen Kung-Fu erlernte und dazu auserwählt wurde, den Ort zu beschützen . . .
Eigentlich sollte die vierte Zusammenarbeit von Netflix und Marvel den Hype für die Ensemble-Serie „The Defenders“(Start: Sommer 2017) entfachen. Doch „Iron Fist“, ein Teil des Serienquartetts, enttäuscht auf vielen Linien, auf fast allen.
Schwacher Held, dünne Story
Das beginnt mit dem Helden: Dem Briten Finn Jones, bekannt aus „Game of Thrones“, gelingt es nicht, die Serie zu tragen – vor allem im Vergleich mit den bisherigen charismatischen Protagonisten (Krysten Ritter als Jessica Jones, Charlie Cox als Matt Murdock/ Daredevil und Mike Colter als Luke Cage) wirkt er beängstigend blass. Man nimmt ihm den Kämpfer, der mit der Kanalisierung seines Chi eine Wunderwaffe, eine eiserne Faust, bilden kann, nicht ab. Netflix musste Whitewashing-Vorwürfe über sich ergehen lassen (obwohl Iron Fist in den Comicbüchern ein „Weißer“ist). Fans argumentierten via Social Media, dass ein „Nichtkaukasier“eine bessere, weil progressivere Wahl gewesen wäre. Jessica Henwick, Britin mit singapurisch-chinesischen Wurzeln, spielt die Dojo-Leiterin Coleen Wing hingegen mit Verve. Sie stiehlt Jones die Show. Rosario Dawson, als kämpferische Krankenschwester Claire Temple, ist wie bei den bisherigen Marvel-Serien im Cast. Und das ist gut so.
Aber Comicverfilmungen brauchen nicht nur Helden, sondern auch Antagonisten. Bislang gelang dies Netflix gut, etwa mit dem formidablen Vincent D’Onofrio als Kingpin in der ersten „Daredevil“-Staffel. In diesem Fall fehlt ein eindeutiger Gegenpart.
Die Story selbst kann das nicht gutmachen, sie wird nicht gerade kreativ erzählt, kommt sehr langsam, wenn überhaupt, ins Rollen. Aus den 13 Episoden hätte man zehn machen können. Die ersten Folgen wirken mehr wie ein zähes Familiendrama a` la „Dynasty – Der Denver Clan“, bei dem primär die Herrschaftsverhältnisse im Konzern tonangebend sind. In der zweiten Hälfte wird es lebendiger, aber gleichzeitig auch konfuser.
Das gilt auch für den mysteriösen Ort K’un-Lun, der ist eigentlich ein zentraler Schauplatz und wird Dutzende Male erwähnt. Zu sehen ist der magische Ort – und wie aus einem Buben ein großer Kung-FuKämpfer wurde – kaum. Die wenigen kurzen Rückblicke wirken zudem verkitscht.
Ob nun Daredevil in Hell’s Kitchen oder Luke Cage in Harlem, die grätzlspezifische Atmosphäre, in die man hineinkippt, ist ein Trumpf der Marvel-Serien. „Iron Fist“schafft dies bei Weitem nicht. Die damit zusammenhängende Musik gefällt, die Verschmelzung von Auditivem und Visuellem, wie es „Luke Cage“vormachte, misslingt.
Und obwohl der Hype um die „Defenders“-Serie einen Dämpfer erhalten hat, darf man sich freuen. Nicht nur weil Rosario Dawson wieder dabei ist, sondern auch, weil Showrunner Douglas Petrie („Buffy“, „Daredevil“– Staffel 1) wohl für Biss sorgen wird.