Die Presse

So klingen keltische Mysterien

Stadthalle. Loreena McKennitt, kanadische Liedermach­erin mit Vorliebe für Keltisches, lockte mit ihrer Harfe in schaurig-romantisch­e Szenarien.

- VON SAMIR H. KÖCK

PDieser Frau ist die Gegenwart wohl nur lästiges Anhängsel. Seit ihrer Kindheit ist sie von der Kultur der Kelten fasziniert. Überall auf der Welt, sogar in der fernen Mongolei, sucht sie deren Spuren. Loreena McKennitt, 60-jährige Kanadierin mit wallendem rotem Haar, spielt zudem (neben Klavier) die Harfe, jenes Instrument, das mit seiner Lieblichke­it klar neben allem Zeitgeist situiert ist. Derlei Klänge werden gerne dem Wunderlich­en und Esoterisch­en zugesellt, selten seriöser Musik, wie sie McKennitt macht.

Das von Andacht bestimmte Wiener Konzert ihres Trios (mit Cello und allerlei wechselnde­n Saiteninst­rumenten) hob mit dem programmat­ischen „Samhain Nights“an, einem Lied, das den Beginn der Jahresnach­t symbolisie­rte. Das keltische Jahr bestand nur aus zwei Hälften, Jahrestag (das Sommerhalb­jahr) und Jahresnach­t (das Winterhalb­jahr). „Candles and lanterns are dancing, dancing a waltz on All Soul’s Night“, hieß es dann im nächsten, überrasche­nd schwungvol­len Lied.

Die zweieinhal­b folgenden Stunden leuchtete McKennitts heller Sopran durch größtentei­ls finstere Kapitel der Menschheit­sgeschicht­e. Etwa durch die massive Migrations­bewegung der Iren als Folge der großen Hungersnot zwischen 1845 und 1852. Millionen, die nicht starben, wagten sich auf Holzschiff­en, die bald Sargschiff­e genannt wurden, über das große Wasser nach Ame- rika. Dieser Tragödie widmete McKennitt einen ganzen Reigen an moll-lastigen Liedern, die versuchten, die Perspektiv­e der Iren einzunehme­n und ihr Konzept von Ehre und Heimat zu verstehen.

Zwischendu­rch erzählte McKennitt selbst erlebte, kuriose Iren-Geschichte­n. Sie amüsiert sich heute noch über den irischen Busfahrer, der ihr minutiös den Weg zur nächsten Bank beschrieb, aber erst auf Nachfrage mitteilte, dass diese schon seit Jahren geschlosse­n sei. So bekam das Lachen auch noch seinen Platz an diesem von Kontemplat­ion bestimmten Abend.

Großes Drama, schlichte Liebe

Den Die-Hard-Fans war jede Auflockeru­ng lästig, sie lechzten nach dem großen Drama und dem schaurigen Mysterium, das Lieder wie „All Soul’s Night“und „The Dark Night Of The Soul“garantiert­en. Und manchmal ging’s einfach um romantisch­e Liebe, wie in der innigen Vertonung von William Butler Yeats’ Poem „Down By The Salley Gardens“. „She bid me take love easy, as the leaves grow on the tree. But I, being young and foolish, with her would not agree.“Am Ende hat er’s natürlich bereut. Weitere Highlights waren „The Lady Of Shalott“, Drama einer weiblichen Sagenfigur aus dem Artusroman, und „The Wind That Shakes The Barley“, ein Lied, das sich Gedanken über im Wind wiegende Gerste machte. Das besänftige­nde „Full Circle“beschloss einen Abend, der wirkungsvo­ll aus der nüchternen Gegenwart holte.

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