Hier orgelt die russische Seele
Ekaterina Sementchuk begeisterte mit Liedern des „Mächtigen Häufleins“.
Klischee hin, Aufführungstraditionen und Hörerfahrung her: Im slawischen Repertoire, das auch im Lied Opernpathos erlaubt, gar erfordert, ist manch vibratoreich-füllige Stimme beheimatet. Solange es nicht bedeutet, dass Feinheiten zugunsten pauschalen Singens für eine imaginäre Galerie über Bord gehen, wird gern auch schwergängiges Material akzeptiert. Ekaterina Sementchuk erfüllt diese Erwartungen und übertrifft sie zugleich: Sie lässt ihren dramatischen Mezzosopran orgeln, ohne zu dick aufzutragen – und dosiert auch ihre Mittel bis in Pianoregionen. Die aus der Staatsoper und von den Salzburger Festspielen hierzulande längst bekannte Russin gab im Konzerthaus schon zwei Liederabende; nun debütierte sie in diesem Genre im Musikverein.
Mit dem stets präsenten Helmut Deutsch am Klavier präsentierte sie Lieder des Mächtigen Häufleins – also jener widerständigen Komponistengruppe, deren Mitglieder in den 1860er-Jahren als genialische Dilettanten die russische Musik neu erfinden wollten. Bei Ausdrucksextremen auf engstem Raum, wie sie Balakirev verlangt, ist Sementchuk in ihrem Element, sie suhlt sich bei Cui in Melancholie, betört mit tiefen Tönen bei Borodin. Unnötig, dass sie manche Liedschlüsse mit etwas klischeehaft-plakativer Gestik unterstützen möchte, die Musik ist interessant genug – und hält auch Überraschungen bereit: In Rimsky-Korsakows „Es singt der Ros’ die Nachtigall“schlängeln sich noch Orientalismen; in „Die Lerche singt lauter“dagegen nähert er sich unverblümt Schumanns „Frühlingsnacht“an. Vom Grauen des Sterbens kündeten dann als Höhepunkt Mussorgskys „Lieder und Tänze des Todes“: Begeisterung, Zugaben.