Union will harten Kurs
Deutschland. Der Hype um SPD-Chef Schulz setzt CDU/CSU zu. Die Union will mit schärferem Flüchtlingskurs punkten. Doch die Strategie birgt ein Risiko: Angela Merkel selbst.
CDU und CSU wollen die Gangart im Flüchtlingskurs verschärfen. Es gibt aber ein Problem: Angela Merkel.
Berlin. Ein einfaches „Ihr kennt mich“, dazu die plakatierten zusammengelegten Hände der Kanzlerin, also die „Merkel-Raute“: Das waren Zutaten des Wahltriumphs 2013, gepaart mit der „Strategie der asymmetrischen Demobilisierung“: Danach rückt die Union ein Stück nach links, sammelt ein paar Forderungen der SPD ein und schweigt deren andere Themen tot. Im Wahljahr 2017 reicht das wohl nicht: Weil Martin Schulz die SPD laut nach links rückt und rechts nun die AfD fischt. Nach Lesart ihrer Parteifreunde rächt sich Merkels Strategie in diesen Tagen: Sie habe zu viel Raum rechts der Union gelassen.
Das soll sich ändern. Der Wahlkampf der Union dürfte um Migration und innere Sicherheit kreisen. Diese Kernthemen schälen sich immer mehr heraus. Am Wochenende wurde aus einem 20-seitigen Papier des CDU-Ausschusses für Innenpolitik zitiert. „Wir wollen alles dafür tun, dass die Zahl der Flüchtlinge dauerhaft niedrig bleibt“, schreiben die Autoren um den hessischen Innenminister Peter Beuth. Die Grenzkontrollen (zu Österreich) sollen „wenn erforderlich“intensiviert werden und der Familiennachzug für subsidiär Schutzberechtigte, darunter viele Syrer, über März 2018 hinaus ausgesetzt bleiben. Die Asylverfahren von Migranten, die ihre Identität verschleiern, würden nach dem Willen der CDU-Politiker automatisch enden. Zudem erwägen sie Abschiebungen in Drittstaaten, also jenseits der Heimatländer.
Dauerbrenner Doppelpass
Wie viel sich am Ende im CDU-Wahlprogramm findet, ist ungewiss. Aber das Papier entstand laut „Reuters“in Abstimmung mit der Parteileitung. Und Merkel bewegt sich auch in anderen Feldern. So hatte der Parteitag im Dezember das Aus für den Doppelpass beschlossen – gegen den ausdrücklichen Willen Merkels. Als Kompromiss zeichnet sich nun ein Generationenschnitt ab: Die Einwanderer und ihre Kinder dürfen die doppelte Staatsbürgerschaft behalten, die Enkel müssen sich entscheiden.
Der Kurs der CDU macht wahlstrategisch Sinn: Erstens billigen die Deutschen der Union im Parteienvergleich die höchste Kompetenz auf dem Feld der Inneren Sicherheit zu. Zweitens ist der Komplex „Ausländer/Integration/Flüchtlinge“nach Erhebungen der Forschungsgruppe Wahlen Nummer eins in der Kategorie „wichtige Probleme“.
Aber die Strategie birgt auch Risken: Es ist fraglich, ob Merkel als Gesicht einer solchen Kampagne taugen würde. Das Bild der „Willkommenskanzlerin“hat sich verfestigt, und das obwohl die Regierung in der Asylpolitik immer wieder nachschärft, zuletzt mit einem Entwurf, der Fußfessel oder Abschiebehaft für Gefährder vorsieht, sowie die Auswertung der Handydaten von Asylwerbern.
Der Druck auf Merkel wächst. Nicht nur in Bayern: Am Wochenende gründete sich im badischen Schwetzingen der Freiheitlich-konservative Aufbruch in der Union (FKA), ein Sammelbecken für den rechten Rand der Partei, der Merkel unterstellt, konservative Wähler zu vergraulen. Der neue Verband mit dem unbekannten Alexander Mitsch an der Spitze spricht „von vielen tausend“Unterstützern. Er stößt sich an der Flüchtlingspolitik der Kanzlerin und verlangt wie die CSU eine Obergrenze. Gesellschaftspolitisch drängt die „Basisbewegung“auf „Assimilierung statt Integration“und kämpft gegen staatlich gefördertes Gender-Mainstreaming. Zwar fehlen prominente Unterstützer, doch zählt man dazu auch den „Berliner Kreis“, eine Gruppe wertkonservativer Unionsabgeordneter.
Ein breiter Parteiaufstand ist das nicht. Die Bildung des FKA kommt aber zur Unzeit für Merkel: Während die SPD ihren neuen Chef Schulz jüngst mit 100 Prozent gewählt hat, gibt die Union ein eher zerrüttetes Bild ab. Und so verkehrt sich Merkels Strategie vorerst ins Gegenteil: Es gibt eine asymmetrische Mobilisierung – zugunsten der SPD.