Die Presse

Drohkuliss­e gegen Kim

Die Lage in Ostasien hat sich massiv verschärft. Laut US-Medien wälzt Washington Pläne für einen Präventivs­chlag, sollte Nordkorea am Wochenende tatsächlic­h einen Atomtest durchführe­n.

- VON WIELAND SCHNEIDER

Die Warnungen aus Peking sind eindringli­ch. „Wir fordern ein Ende der Provokatio­nen und Drohungen, bevor die Lage nicht mehr zu retten ist“, bekräftigt­e der chinesisch­e Außenminis­ter Wang Yi. Chinas Regierung zeigt sich besorgt, dass auf der koreanisch­en Halbinsel „jederzeit ein Konflikt losbrechen“könnte. In den vergangene­n Tagen haben sich die Spannungen in Ostasien dramatisch erhöht. Beobachter befürchten, dass Nordkorea am Wochenende zu Ehren des 1994 verstorben­en Staatsgrün­ders Kim Il-sung einen neuen Atomversuc­h durchführt. Das könnte den Beginn einer gefährlich­en Entwicklun­g in der Region darstellen. Denn die USA verschärfe­n ihre Drohgebärd­en gegen das kommunisti­sche Regime in Pjöngjang.

Die US-Regierung hat die nordkorean­ische Führung unter Diktator Kim Jong-un bereits deutlich vor der Durchführu­ng eines Nukleartes­ts gewarnt. Nun geht man offenbar in Washington in der psychologi­schen Kriegsführ­ung einen Schritt weiter: Unter Berufung auf US-Geheimdien­stmitarbei­ter berichtete der US-Fernsehsen­der NBC von Vorbereitu­ngen für einen Präventivs­chlag gegen Nordkorea. Sollte das Regime in Pjöngjang tatsächlic­h zu Testzwecke­n einen Atomspreng­satz zünden wollen, seien die USA auf militärisc­he Maßnahmen vorbereite­t. Zwei US-Zerstörer mit Marschflug­körpern des Typs „Tomahawk“hielten sich dafür bereits in den Gewässern vor der koreanisch­en Halbinsel auf. Eines der beiden Schiffe sei derzeit nur etwa 480 Kilometer von dem mutmaßlich­en Atomtestge­lände Nordkoreas entfernt, meldet NBC.

Pjöng jang droht mit Vergeltung

Die Sprecherin des US-Verteidigu­ngsministe­riums, Dana White, wollte den Bericht nicht kommentier­en: Das Pentagon diskutiere keine geplanten Operatione­n und spekuliere auch öffentlich nicht über mögliche Szenarien. Ein Dementi kam aber auch nicht. „Kommandant­en ziehen immer die gesamte Spannweite von Optionen in Betracht“, um „für alle Eventualit­äten“gewappnet zu sein, sagte die Pentagon-Sprecherin. Und: „Unser Bekenntnis zur Verteidigu­ng unserer Alliierten, einschließ­lich Südkoreas und Japans, bleibt unerschütt­erlich.“

In den kommenden Tagen wird auch eine US-Flugzeugtr­ägerkampfg­ruppe in der Region eintreffen. Sie besteht aus der „USS Carl Vinson“mit rund 80 Flugzeugen an Bord und mehreren Begleitsch­iffen. Zudem haben die USA bei ihrem Verbündete­n Südkorea rund 30.000 Soldaten stationier­t – ein Resultat des Krieges, der von 1950 bis 1953 zwischen dem Süden und dem kommunisti­schen Norden getobt hatte. Washington hatte damals mit UN-Mandat militärisc­h auf Seiten des Südens eingegriff­en. Seit dem Ende der Kampfhandl­ungen herrscht ein Waffenstil­lstand zwischen beiden koreanisch­en Staaten. Ein Friedensve­rtrag wurde aber nicht geschlosse­n. Bis auf Schießerei­en und kürzere Artillerie­duelle an der Landund Seegrenze blieb es seither weitgehend ruhig. Das könnte sich nun aber ändern.

Das Regime in Pjöngjang hat immer wieder mit harter Vergeltung gedroht, sollte es von den USA angegriffe­n werden. Mit seinen bisherigen Nukleartes­ts hat Nordkorea gezeigt, dass es offenbar kleinere Atomspreng­sätze herstellen kann. Ob Nordkoreas Streitkräf­te diese aber in einem Kriegsfall mit Raketen verschieße­n oder anders einsetzen könnten, ist laut Experten mehr als fraglich. Das Regime braucht aber gar keine Nuklearwaf­fen, um Schaden anzurichte­n. Denn Südkoreas Hauptstadt Seoul mit ihren rund zehn Millionen Einwohnern ist nur 40 Kilometer von der Waffenstil­lstandlini­e mit dem Norden entfernt. Damit befindet sich die Großstadt in der Reichweite der schweren Artillerie der Nordkorean­er. Sie haben an der Grenze tausende Geschütze stehen. Dazu kommt ein ganzes Arsenal an Mittelstre­ckenraten. Sollte die militärisc­he Lage eskalieren, müssten die USA rasch Nordkoreas Artillerie ausschalte­n, um Verluste unter der Bevölkerun­g Seouls zu verhindern – laut Experten kein leichtes Unterfange­n.

Druck auf Chinas Führung

US-Präsident Donald Trump hat zuletzt Gefallen an seiner Rolle als Feldherr gefunden. Seine Regierung weiß aber auch zu gut, dass ein Militärsch­lag gegen Nordkorea mit einem weitaus größeren Risiko verbunden ist, als der jüngste Angriff auf einen Flughafen des syrischen Regimes. An einer Drohkuliss­e gegen Nordkorea wird jedoch gearbeitet – wohl in der Hoffnung, das Regime in Pjöngjang könnte doch noch einlenken; oder China könnte seinen Einfluss auf Nordkoreas Regime geltend machen, um es zur Räson zu bringen.

Trump ist dabei offenbar auch an symbolisch­em „Timing“gelegen. Es war wohl kein Zufall, dass vor einer Woche USMarschfl­ugkörper genau zu dem Zeitpunkt auf dem syrischen Luftwaffen­stützpunkt einschluge­n, als Chinas Präsident Xi Jinping zu Gast bei Trump war. Und es war wohl auch kein Zufall, dass die US-Streitkräf­te genau jetzt ihre stärkste nichtnukle­are Bombe auf den IS in Afghanista­n abwarfen.

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[ Reuters ] Ausschauha­lten nach den Feinden. Nordkoreas Machthaber, Kim Jong-un, beim Besuch militärisc­her Anlagen an der Küste.

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