Wer liefert mehr?
Hinter den Lieferdiensten stecken Großkonzerne.
Wien. In der Berliner Zentrale des Essenslieferdienstes Mjam dürfte man nicht begeistert sein: Diesmal waren die Amsterdamer schneller. Mit 40 E-Bikes radelt die Konkurrenz von Lieferservice seit Neuestem in Wien zu den kochmüden Kunden. Dabei hatte Mjam-CEO Michael Hagenau für diesen Frühling denselben Plan gefasst. Auch er will aufrüsten. Mopeds schwebten ihm vor. Die Lieferpartnerschaft mit McDonald’s soll der Anfang sein. Noch wartet alles auf den Startschuss.
In den heiß umkämpften Markt der Essenszusteller kommt also neue Bewegung. Bisher begnügten sich Lieferservice und Mjam mit der Rolle des Vermittlers zwischen Kunden und Restaurants. Die Zustellung mussten die Gastronomen gewährleisten. Doch dann sprintete Foodora dazwischen. Das Unternehmen wickelt mit seiner pink gekleideten Fahrradflotte auch die Zustellung ab. Das Geschäft ist noch nicht profitabel. Aber Foodora kann mit hippen Restaurants aufwarten, die unter den alten Konditionen nicht als Partner zur Verfügung gestanden sind.
Den Markt mit Essensbestellungen teilen sich die zwei Schwergewicht in Österreich unter sich auf: 45 Prozent für Mjam, 45 Prozent für Lieferservice. Der Rest entfällt auf urbane Mitspieler wie Foodora oder den US-Fahrdienst Uber. Mjam dominiert in Wien, Lieferservice auf dem Land. Beide sagen von sich selbst, sie sind der Größte – je nachdem, ob man nach Restaurants oder Umsatz fragt.
Match der Unbekannten
Dass Lieferservice nun selbst radelt und so der Foodora-Flotte den Kampf ansagt, ist nur der Ausschnitt eines viel größeren Bildes. Das Match heißt: Delivery Hero gegen Takeaway. Den meisten Österreichern werden die Riesen hinter den heimischen Marken kein Begriff sein. Während die Amsterdamer von Takeaway mit 29.000 Restaurants in neun europäischen Ländern im Herbst – trotz roter Zahlen auf Hauptmärkten wie Deutschland und Österreich – an die Börse gegangen sind und 175 Millionen Euro von ihren Investoren eingesammelt haben, scheut sich ihr Berliner Konkurrent noch vor diesem Schritt. Hagenau betont aber: „Im Gegensatz zum Wettbewerber hat es Delivery Hero in Richtung schwarzer Null geschafft und verbrennt kein Geld mehr.“
Ein erfolgreicher Börsengang wäre genau das, was Großaktionär Oliver Samwer brauchen könnte. Der Gründer und Chef des Berliner Internetunternehmens Rocket Internet, der Start-ups wie Zalando aufgebaut hat, steckt nach dem Teilausstieg seines schwedischen Investors Kinnevik in einer Krise.
Die Trennung ist ein weiteres Kapitel in der Pechsträhne des einstigen Goldjungens der Berliner Internetszene. Aktionäre bekamen zuletzt kalte Füße. Projekte wollten nicht mehr abheben. Seine Startup-Schmiede schien mit dem Wandel in einen börsenotierten Konzern an Schwung verloren zu haben.
Die Aktie von Rocket Internet fiel seit dem Börsengang 2014 von 57 auf 16 Euro. Die Erstplatzierung von Delivery Hero, Samwers aussichtsreichster Beteiligung, die zuletzt mit rund drei Mrd. Euro bewertet wurde, könnte die Stimmung zu seinen Gunsten drehen.
Die Berliner schweigen
Bis zu diesem Schritt, der laut Delivery-Hero-Chef Niklas Östberg in der zweiten Jahreshälfte über die Bühne gehen könnte, wurde allen Töchtern in den 33 Ländern Schweigepflicht auferlegt. In Ös- terreich darf weder Foodora noch Mjam – David und Goliath aus demselben Berliner Haus – Zahlen nennen.
Die Amsterdamer sind – gezwungenermaßen – auskunftsfreudiger. In Österreich nahm Lieferservice 2016 6,6 Millionen Euro ein. Die neue Radflotte, die mit den 350 Foodora-Boten konkurriert, schreibt Verluste. Im Wettlauf der Lieferdienste geht es vorerst ohnehin nur um Marktanteile.
VON ANTONIA LÖFFLER